Neunter Auftritt


[144] Die Vorigen, Porporino in Uniform, außer Atem.


VALERIO. Ei, Porporino – du! Woher des Landes?

PORPORINO atmend. Laßt mich nur verschnaufen – der Sturm – der gewaltige Sturm.[144]

VALERIO. Hast du gleich Sturm laufen sollen?

PORPORINO. Ei nein, der Sturmwind, seht die verdammten Federn auf dem Hute; wenn man den Wind gegen sich hat, ist an kein Avancieren zu denken – der Sturm nahm mir den Hut mit.

VALERIO. Es ist mir lieb, daß wir dich wieder haben – aber du bist doch nur dem Hut nachgelaufen, und nicht etwa aus Feigheit?

PORPORINO lustig, gravitätisch, geschwind, deutlich. Potz – weil ich hutlos bin, bin ich eben doch nicht mutlos. – Seht, es war lauter eilfertige Bescheidenheit, denn hätte ich meinen Hut nicht verloren, so hätte ich meinen Atem nicht verloren, und hätte ich meinen Atem nicht verloren, so wäre ich zu Ehren gekommen; denn ich lief einem Manne nach, der mir den Hut abgeschlagen, und an dessen Stelle eine Ohrfeige nicht versagt hatte. Nun aber, da ich zu meinem Hut komme, laßt mich zu Atem kommen, und zu Ehren, und zu Eurer lieben Valeria, – was macht sie?

VALERIO. Sie kleidet sich zum Balle an; du kannst auch hingehen, wenn du nicht zu müde bist.

PORPORINO. Müde? Ich bin nichts müder als die Müdigkeit. Ihr habt keinen Begriff, was es einen Verliebten ermüdet, so ganz mutterselig allein in den Krieg zu gehn. Doch was für ein Trompeter sitzt da in der Ecke?

VALERIO. Ein recht freundlicher Trichter, der reinen Wein einschenkt; er sagt wahr, aber ich kann nicht schmecken, was vor ein Gewächs es ist.

PORPORINO. Er sagt wahr? Da sagt er was Rares, auch ich werde Euch rare Sachen erzählen, und setze mich neben ihn. Er setzt sich. Er soll bestätigen, was ich sage. Als ich so in meinen Gedanken den Wald hinunterging, in meinen Gedanken, die ich mit großer Mühe recht kriegerisch zu machen suchte Zu Sarmiento. – nicht wahr?

SARMIENTO. Ja, denn alle deine Gedanken waren friedliche Rekruten.

PORPORINO. Besser gesagt, Kinder des Friedens und Rekreation. Um diese Gedanken nun zu Verteidigern des Vaterlandes [zu] bilden, lief ich mit ihnen alles durch, was ich wußte, das Kadetten[145] nötig ist – als zum Beispiel: Marsch! Richt euch! Schwenkt euch! Links um, rechts um! Blitz, Donner, Element, Sapperment! Jesuiter! und dies mit der schweren Rechnung Million multipliziert – endlich kam ich bis ans Halt! denn die Infanterie- Gedanken gingen mir aus, oder vielmehr ich ward müde, und legte mich auf Reiter-Gedanken – nicht wahr?

SARMIENTO. Ja, du wolltest dich auf ein fremdes Pferd setzen, das am Wege graste.

VALERIO. Ho ho, und die Ohrfeige gab dir der Reiter.

PORPORINO aufspringend. Mein Herr, Ihr sagt nicht wahr. Ich wollte das Pferd nicht stehlen, ich wollte nur ein wenig reiten – doch, woher wißt Ihr das?

SARMIENTO. Woher habt Ihre Eure Ohrfeige erhalten?

PORPORINO. Wenn ich nur wüßte, woher der sie erhielt, der sie mir gab, ich wollte sie dem redlichen Finder wieder zustellen.

SARMIENTO. Ich wars, und schenke sie dir. Ich ritt durch den Wald, und war der Hitze wegen abgestiegen.

PORPORINO. Und seht, ich wollte der Hitze wegen aufsteigen; es lag der Fehler in der Hitze.

SARMIENTO. So ist der Fehler wieder gutgemacht, denn ich schlug dir in der ersten Hitze den Hut vom Kopf, und du hattest alle Gelegenheit, dich abzukühlen.

PORPORINO. Wie heißt Ihr aber nun ins Guckucks Namen?

SARMIENTO. Ins Guckucks Namen habe ich keinen Namen.

VALERIO. Da hast du's! O, der zahlt gut, der bleibt nichts schuldig.

SARMIENTO. Du irrst, meinen Namen bleibe ich schuldig, und ich hoffe, daß, da Ihr mich für einen guten Zähler haltet, Ihr mir den Nenner auf meinen Namen borgen werdet.

PORPORINO. Das geht in die Brüche. Aber haltet einmal Euren Trichter her. – Wird wohl Valeria mich wieder lieben?

SARMIENTO. Wirst du ihr liebenswürdig werden, Porporino?

PORPORINO. Ach, wüßte ich, wo man es lernte! Ich fühle Wißbegierde, und müßte ich in Alkala Bettelstudent werden und meinem eigenen Nebenbuhler das Heft abschreiben. Ich wollte Kreide essen, blaß zu werden, Butter schlingen, wild zu singen, mit den Füßen Trommelschläger werden, gut zu[146] tanzen; zwei Pfennige wollt ich jedem geben, der mich angähnte, um die lange Weile zu lernen; nachdem sein Maul größer wäre, auch vier. Bin ich so auf guten Wegen?

SARMIENTO. Nein, solches Zeug laß liegen, werde zärtlicher und ruhiger; aber gehe jetzt, dich zu maskieren, daß du mit uns zum Balle kannst.

PORPORINO. Ich gehe schon. Zu Valerio. Seht, eben wegen der Zärtlichkeit, die mir nötig ist, durfte ich nicht in den Krieg gehen. Ab.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 144-147.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Ponce de Leon
Ponce de Leon
Valeria: Oder Vaterlist, Ein Lustspiel in Fünf Aufzügen (Die Bühnenbearbeitung Des