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[182] VALERIA. Ihr seid so unruhig, Vater; was fehlt Euch nur? Ihr gingt so überall herum; sucht Ihr etwas? Sagt mirs doch. Wenn Ihr nicht ruht, kann auch ich nicht zufrieden sein.
VALERIO. Du gutes Kind, du hast sonst immer mein Glück gemacht, aber nun –
VALERIA. O sprecht nicht von meiner Liebe, Vater, laßt mir das allein, sie ein Geheimnis sein vor Euch, da sie nicht fröhlich ist. Soll ich Euch etwas vorlesen? Kommt, setzt Euch in Euren Stuhl. Sie rückt ihm den Lehnstuhl vor.
VALERIO. Auch diesen treuen Sorgenteiler, auch diesen – Setzt sich.
VALERIA. Ihr sprecht so beweglich, Vater, und so geheim, verbergt mir nichts.
VALERIO. Komme her, mein Kind, setze dich zu mir.
VALERIA setzt sich auf seinen Schoß. Nun, Väterchen, sprich.
VALERIO. Sieh, in den langen Abenden, bald nach der Mutter Tod, da Porporino noch so einig mit dir war, hatte ich dich oft so auf dem Schoße, und du sangst mir Lieder von der Mutter, oder erzähltest, was du nur wußtest von ihr; da war ich sehr zufrieden und ruhig, du warst immer mein Glück allein.
VALERIA. Das wird wohl wiederkommen, laßt nur meinem Herzen den Frieden kehren, und ich kann ja wohl noch jetzt singen.
Ich wollt ein Sträußlein binden,
Da kam die dunkle Nacht,
Kein Blümlein war zu finden,
Sonst hätt ich dirs gebracht.
Da flossen von den Wangen
Mir Tränen in den Klee,
Ein Blümlein aufgegangen
Ich nun im Garten seh.[182]
Das wollte ich dir brechen
Wohl in dem dunklen Klee,
Doch fing es an zu sprechen:
»Ach tue mir nicht weh!
Sei freundlich in dem Herzen,
Betracht dein eigen Leid,
Und lasse mich in Schmerzen
Nicht sterben vor der Zeit.«
Und hätts nicht so gesprochen,
Im Garten ganz allein,
So hätt ich dirs gebrochen,
Nun aber darfs nicht sein.
Mein Schatz ist ausgeblieben,
Ich bin so ganz allein.
Im Lieben wohnt Betrüben,
Und kann nicht anders sein.
VALERIO. Das ist nun noch schlimmer, das höre ich nun morgen nicht wieder.
VALERIA. Ei, warum nicht? Ich singe dirs morgen wieder. Was fehlt Euch, nur, warum sagt Ihr immer: »Du warst sonst mein Glück allein« – kann ich es dann nicht mehr sein?
VALERIO. Sonst machtest du mein Glück allein, und ich bin traurig, weil ich es nun auch gemacht habe. Ich bin Hausmeister auf dem Gute Sarmientos geworden, und habe nun auf immer und ewig genug. Heute muß ich schon hin und kann dich nicht gleich mitnehmen.
VALERIA. Ich freue mich über Euer Glück, aber ich wäre es doch lieber allein geblieben. Hier sollt Ihr weg? wir sollen hier weg – Vater, können wir nicht bleiben – und ich soll Euch erst nachkommen – jetzt allein sein – wann soll ich Euch dann nachkommen?
VALERIO. Porporino wird dich holen, in zwei Tagen, aber hilf nur einpacken, – komme, Mädchen – es ist ja unser Glück.
VALERIA. Ich weiß nicht – unser Glück, wohnt es nicht hier?[183]
VALERIO. Nein, Kind – und sieh, es ist auch besser für dich, der Ponce hat dich so ins Gerede gebracht; komme!
VALERIA. Ich weiß nicht, wie mir ist, Vater, daß wir hier weg sollen.
VALERIO.
Im Lieben steckt Betrüben,
Und kann nicht anders sein.
So komme dann, und hilf mir; den leeren Koffer hereintragen, er steht schon vor der Türe. Beide ab, holen den Koffer.
VALERIO. Ich glaubte, für mich hätte alles Einpacken ein Ende, und ich hätte keines mehr zu erwarten, als bis mein Eignes eingepackt werde in den engsten Koffer auf ewig. Nun habe ich überlegt, Valeria, was ich mitnehme; vor allem alle Erinnerungsstückchen, also meine Brautkleider, die Hemden, die mir die Mutter nähte, und die Halskrausen von dir, und so fort, denn ich will dort gleichsam niemals dort, sondern immer in diesen Hemden, Halskrausen sein, um das Heimweh nicht zu bekommen; und du, liebes Kind, behalte alles, was sonst da ist, die Sachen deiner Mutter schenke ich dir nun alle, und um dich zu zerstreuen, kannst du manchmal die alten Palatine und Hauben aufsetzen und in der Stube herumspazieren, vielleicht amüsiert dich das.
VALERIA. Ach, Vater, seid nicht so freundlich, das macht mich immer trauriger; kommt! Beide ab.
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Ponce de Leon
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