Zweiter Auftritt


[165] Felix und Sarmiento.


FELIX. Ich bin entschlossen, ich will gleich hin und alles anwenden, des Mädchens Muhme zu bewegen.

SARMIENTO. Mein Freund, Muhmen gehören nicht unter die beweglichen Güter. – Ihr müßt das Mädchen sogleich entfahren und nach Eurem Gute bringen.

FELIX. Ihr seid zu rasch. Kann eines schwachen Mädchens Ruf eine solche Reise vertragen?

SARMIENTO. Ich könnte Euch zwar erwidern, daß Schwindsüchtige durch Kurierreiten oft kuriert werden; doch ich frage besser: Was wollt Ihr an ihr verändern als ihren Ruf, wenn Ihr sie heiratet? Die schnelle Reise wird Euch keine Hörner aufsetzen. Setzt Euren Kopf auf, stoßet in das Horn, betriegt die Weile, indem Ihr den Pferden über die Ohren haut, so wird die Reise vor Eile den Atem verlieren, Eures Mädchens Ruf zu verderben. – Geht, Ihr seid ein anderer Mann als Euer Vater.

FELIX. Ich bin nur meines Vaters Sohn, und schone in meiner Geliebten seine Tochter. – In jedem Falle ist die Sache verdrießlich. Ich kann Sie nur durch schnellen Zwang erringen, und meines Vaters Einwilligung bleibt unsicher.

SARMIENTO. Wen liebt Ihr denn mehr, dies Weib, oder Euren Vater?

FELIX. Ich liebe meinen Vater wie meine Ehre. Ich sterbe für beide, denn ich kenne ihn nur wie meine Ehre; er und sie sind eins, denn ich kenne nichts von ihm und ihr als das Blut in meinen Adern, das das seine ist. Als ich sechs Jahr alt war, kam ich von meinem Großvater zurück, zu dem ich in meinem dritten Jahre gebracht ward, und mein Vater war schon bei der Armee in Flandern. Ich sah ihn nie, und könnte ich ihn entführen, ich wäre schneller in Flandern als bei Lucillen.

SARMIENTO. Liebt Ihr das Mädchen mehr als Eure Ehre?

FELIX. Fragt nicht so, ich liebe meine Ehre um der Liebe willen, und ehre meine Liebe um der Ehre willen; ich will für Ehre und Vater sterben, und für die Liebe und Lucillen leben.[165]

SARMIENTO zeigt ihm seine Hand. Kennt Ihr diesen Ring?

FELIX. Seid mir willkommen! Ich trage denselben an der Hand.

Es ist der Ring, den mein Vater seinen Kindern und Freunden gab. Er schrieb mir, jeden als seinen besten Freund zu achten, der diesen Ring besitzt. Alle diese Ringe sind Kinder seiner Ehre; er erhielt eine goldne Kette zum Lohne seiner Tapferkeit, und lösete sie in die Ringe auf, die er seinen Geliebtesten verteilte. Seid mir nochmals willkommen! Wie verließt Ihr ihn, Ihr müßt von ihm wissen?

SARMIENTO. Er betrieb seinen Abschied bei dem Hof, und sehnte sich sehr nach seinen Kindern. Den Abend vor meiner Abreise sagte er zu mir: »Sage meinen Kindern, ich würde bald kommen, und merkst du, daß sie lieben, rechtliche Menschen ihres Standes, so gebe ihnen meine Einwilligung, und sporne sie an, denn ich möchte Hochzeit sehen, wenn ich komme, und in einer vollen, fertigen Familie leben.« Jetzt versteht Ihr meinen raschen Rat. Nun will ich noch von Euren Schwestern Nachricht holen, und eile dann zurück, denn meine Geschäfte in Madrid sind abgetan. Ich will Euch Euren Vater bringen – macht, daß er die Hochzeit findet.

FELIX. Ich eile nun, Ihr habt mich aufgerichtet; warum spracht Ihr nicht gleich so, teurer Freund? Seht, Ihr dürft meine Ängstlichkeit um des Mädchens Ehre nicht für Mutlosigkeit halten, denn ich verdanke dieser Liebe meine Ehre, sie hat sie mir im wilden Jugendleben erhalten. Für meine Schwestern, o welches Glück! wenn der Vater zurückkehrt und diesen Schatz seines Hauses der Liebe und dem Verdienste zum Preise bestimmt. Die armen Mädchen sind sehr gedrückt, sie stehen in dem begehrendsten Alter, und ihre Tante, Juanna, in dem versagendsten.

SARMIENTO. Der launige Don Ponce scheint ja so sehr für Isidoren zu brennen; kennt er sie?

FELIX. Er sah sie nie, doch liebt er sie schon lange aus meinen Erzählungen auf eine bizarre Art; auch Isidore hat sich stets nach meiner Beschreibung für ihn interessiert. Sie meinte, es müsse eine große Freude für ein still erzogenes Mädchen sein, den Menschen mit aller Kraft in einer solchen kindischen Wiege, wie sie ihn nennt, zu wecken. Sie hat recht, er ist ein[166] schlummerndes, launiges Kind, mitten in dem Getümmel der Welt. – Hört nur seine Streiche von dieser Nacht! Er schlief mit mir in einer Stube, dreimal stand er auf und weckte mich, mit der Bitte, ihm zu sagen, ob ich nicht wisse, in welcher Stellung Isidora schlafe, und endlich, nachdem ich ihm stets gesagt hatte, ich wisse es nicht, mußte ich, um Ruhe zu haben, ihn versichern, sie ruhe gerad ausgestreckt auf der linken Seite, schweige mäuschenstille, träume gern, und wenn sie wache, sinne sie auf freundliche Worte, ihren künftigen Gatten zu unterhalten. So ward ich ihn endlich los, er ging und versicherte mich, er lege sich auf die entgegengesetzte Seite, der Symmetrie wegen, und sinne auf Worte, seine künftige Gattin zu unterhalten. Heute morgen schlief er erst ein. Ich glaube, diesen Menschen könnte die Liebe vortrefflich machen.

SARMIENTO. Ich hoffte viel von ihm; doch da kömmt er selbst.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 165-167.
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