Dritter Auftritt


[167] Vorige; Aquilar führt Ponce, der schläfrig ist, im Arme. Ein Diener bringt einen Tisch mit Wein und Speise. Der Bediente schläft immer noch im Hintergrunde.


AQUILAR. Guten Morgen, Freunde; bei Ponce ists noch zu frühe.

SARMIENTO. Guten Morgen, Don Ponce!

PONCE. Ihr antwortet, ohne daß ich fragte, Automate. Euer guter Morgen war das Beißendste, was Ihr je gesagt, es ist ein schlechter guter Morgen, er beißt mich in den Augen, Er reibt die Augen. ein beißender guter Morgen. Er setzt sich still auf einen Stuhl, und sieht schlummerhaft sinnend vor sich hin; die andern setzen sich um den Tisch, zu frühstücken.

AQUILAR. Du gehst also aufs Entführen ein, Felix?

FELIX. Zähme nur deine Lippen, Aquilar, – ja, ich gehe.

AQUILAR. Ich schweige gern, entführe nur das Mädchen, damit wir bald etwas zu schwätzen haben.

SARMIENTO hebt das Glas. Auf den guten Willen von Lucillen!

AQUILAR. So sehr sich das reimt, ist es doch zweideutig; also auf die Eindeutigkeit! Trinkt.[167]

FELIX. Auf schnelle Fahrt und vertrautes Gespräch im Wagen! Trinkt.

SARMIENTO. Vor allem aber, auf feste Sprossen in der Leiter und festen Schlaf in der Tante, auf das Wachen des Mädchens zur Zeit des Schlafs und auf den Schlaf der Stadtwache, wenn sie wachen sollte! Zu Ponce, der zu schlafen scheint. He, Ponce, Ihr seid die Nachtwache nicht, die schlafen soll, trinkt mit!

PONCE ergreift ein Glas, und spricht schläfrig, doch bestimmt und mit ruhiger, launiger Wärme. – Diese Rede muß der Schauspieler gut verstehen, wenn er sie nicht verderben will. Sie ist nicht Wortspiel, sie ist der Charakter des Ponce, der um wenige Punkte ein größeres Leben dreht, bis ihn die Liebe verwandelt. O gern will ich des Schlafes Ehre trinken; doch lieber Mohn als Wein, dann schlief die Ehre ein, und auf der Ehre Schlaf läßt sich gut trinken – und besser noch, wenn Ehr und Liebe beieinander schlafen, die eine will die andre nicht erwecken, und beide läßt die Sorge doch nicht schlafen. Die Ehre wacht über die Liebe, und die Liebe schläft über der Ehre ein. Aus Liebe wacht die Liebe wieder auf, und endlich macht die Ehre sich eine Ehre daraus, einzuschlafen, sie drückt ein Auge zu; nun kann die Liebe recht erwachen, und nun ist es gefährlich, die Ehr der Ehre steht auf dem Spiel – drum trink ich auf der Ehre Schlaf; der Schlaf wär wahrlich nicht zu ehren, er wäre bloß zu schlafen, wenn die Ehre nicht in ihm einschliefe, daß die Liebe wachen könne. O, pfui des Schlafes Schlaf – Heia popeia, Ehre. – Nun Wein her! Wein! daß Liebe recht erwache, – o holder Traum, gerad ausgestreckt auf der linken Seite schlief Isidorens Ehre heute nacht, und meine Liebe wachte – Er trinkt schnell. o süßer Schlaf der Ehre, wo Liebe wacht, – gute Nacht! Er setzt sich wieder sinnend hin, wie vorher, die ganze Rede scheint er nur für sich allein gesagt zu haben.

SARMIENTO. Er zwingt uns beinahe, über seiner Liebe und Ehre einzuschlafen.

AQUILAR. Wahrlich, das war eine Gesundheit für einen Überwachten, dem das Schlafen gesund zu. He – Ponce!

PONCE. O süßer Schlaf der Ehre, wo Liebe wacht, gute Nacht![168]

FELIX. Er geht mit Ehre und Liebe um, wie ein Nachtwandler, der umgeht.

AQUILAR. Die Ehre und die Liebe sind ihm Dinge, die er über sein Leben hintanzen, kommen und verschwinden läßt, wie die Schiefersteine, welche die Knaben übers Wasser hintanzen lassen; man nennt diese Würfe Jungfernkinder. Der schlafende Diener schnarcht. Ponce; wache auf, deine Ehre schnarcht!

PONCE. Der Schnarchende ist wie ein Wecker an der Uhr, Er geht zu dem Bedienten, nimmt den Bogen der Geige. er schnarcht aus dem F-moll Adagio, ich will ihn ins dur Allegro bringen.

AQUILAR. Ich sah den Flegel nicht.

PONCE. Still! Wer so der holden Musik im Arme liegt, den soll Musik erwecken. Er geigt, sie lachen.

BEDIENTER schlaftrunken. Laß mich, Kamerad, – verdammter Kasten, die ganze Nacht ließt du auf dir herumgeigen und nun mich nicht einmal bei dir ruhen.

PONCE. Er wird ungezogen, beleidigt das Ohr der Musik mit Zweideutigkeiten, sie ereifert sich. Geigt lebhaft.

BEDIENTER aufspringend. Unfreundliches Wesen, dummes Gefäß – Sieht seine Herren sich besinnend an, alle lachen, er läuft fort.

FELIX. Brav, Ponce! Nun, Freunde, lebt wohl!

AQUILAR. Ich begleite dich ein Stückchen Wegs.

SARMIENTO. Fasset Mut, die Sache geht, wie der Mut steht.

FELIX. Treffe ich euch nicht mehr, so berichtet alles meinem Vater. Lebe wohl, Ponce!

PONCE. Sprich, ist es wirklich wahr? Grad ausgestreckt, wie hold! und denkt an ihren künftigen Mann?

FELIX. Ja, ja, schlaf aus! Mit Aquilar ab.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 167-169.
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