|
[237] Valeria, Valerio.
VALERIO. Gute Kinder sind das, du dunkles Flämmchen, du hast dein Glück gemacht, und ein ehrliches, stilles Haus ist das; aber ich kann doch nicht recht froh werden, und war diesen Nachmittag sehr traurig.
VALERIA. Was fehlte Euch dann, Lieber?
VALERIO. Alles, ich bin eigentlich ganz allein.
VALERIA. Ei, bin ich dann nicht Eure gute Freundin?[237]
VALERIO. Ja, aber meine gute Tochter nicht – und da habe ich heute nachmittag an einem Briefe für sie geschrieben, und wollte ihn heute abend hineinschicken; über dem Schreiben ging aber die Zeit so hin, daß es nun schon dunkel ist und er heute nicht kann hingetragen werden.
VALERIA giebt ihm die Hand. Glaubt, ich wäre Eure Tochter, und gebt mir den Brief; ich will Eure Tochter werden!
VALERIO. Warte noch ein wenig, da wird es ganz dunkel, da kann ich nicht sehen, daß du schwarz bist.
VALERIA. Ihr seid ein guter, höflicher Mann!
VALERIO. Ha, ha, hast du gemerkt, daß ich das Sprüchwort nicht vorbrachte: Bei der Nacht sind alle –
VALERIA hält ihm den Mund zu. Artig, Väterchen!
VALERIO. Du sagtest heute morgen, du hättest ein Lied für mich gemacht; singe mirs nun!
VALERIA. Setzt Euch hierher – ich verstecke mich, damit es Euch täuscht.
VALERIO setzt sich an die Seite der Statue, gegen die rechte Kulisse über.
VALERIA setzt sich auf die entgegengesetzte Seite, fängt an zu singen.
Nach Sevilla, nach Sevilla –
VALERIO im Schlosse erleuchtete Fenster und Musik. Still, mein Kind – halte noch ein wenig ein – ich will mich erst recht bedenken – hier diese Bank ist die Bank vor meiner Türe – vor mir Nachbars Garten – dort die erleuchteten Fenster und die Musik, das ist des Tanzmeisters Pallero Haus, wo Valeria tanzen lernte, und du bist Valeria, kömmst eben vom Tanze.
VALERIA. Wartet, ich komme! Geht fort.
VALERIO. Ein gutes Mädchen – Pfeift rufend. Nun könnte sie doch kommen, ich habe gern, daß sie hübsch tanzen lernt, ihre Mutter tanzte wie ein Engel, auch ich konnte es so ziemlich, doch zuviel macht Ernst aus Spiel – Pfeift rufend.
VALERIA kommt von der Schloßseite her, hüpft und trällert eine Tanzmelodie. Guten Abend, Väterchen – Küßt ihn.
VALERIO. Gehe hinein, Kind, du bist warm, die Luft ist kühl, kleide dich wärmer an, – sing mir ein Liedchen durchs Fenster, dann komme heraus zu mir![238]
VALERIA. Ich komme gleich wieder. Geht auf die andere Seite der Statue.
Nach Sevilla, nach Sevilla,
Wo die hohen Prachtgebäude
In den breiten Straßen stehen,
Aus den Fenstern reiche Leute,
Schön geputzte Frauen sehn,
Dahin sehnt mein Herz sich nicht!
Nach Sevilla, nach Sevilla,
Wo die letzten Häuser stehen,
Sich die Nachbarn freundlich grüßen,
Mädchen aus dem Fenster sehn,
Ihre Blumen zu begießen,
Ach, da sehnt mein Herz sich hin!
In Sevilla, in Sevilla
Weiß ich wohl ein reines Stübchen,
Helle Küche, stille Kammer,
In dem Hause wohnt mein Liebchen,
Und am Pförtchen glänzt ein Hammer.
Poch ich, macht die Jungfrau auf!
Hier nähert sich Porporino, giebt Zeichen der Verwunderung über den Gesang; er ist nicht als Doktor, sondern in seiner rechten Kleidung.
»Guten Abend, guten Abend –
Lieber Vater, setzt Euch nieder!
Ei, wo seid Ihr dann gewesen?«
Und dann singt sie schöne Lieder,
Kann so hübsch in Büchern lesen,
Ach! und ist mein einzig Kind.
VALERIO. Gut, hübsch, komme heraus, liebes Kind, komme!
VALERIA. Gleich! Sie tritt hervor.
Ausgewählte Ausgaben von
Ponce de Leon
|
Buchempfehlung
Bereits 1792 beginnt Jean Paul die Arbeit an dem von ihm selbst als seinen »Kardinalroman« gesehenen »Titan« bis dieser schließlich 1800-1803 in vier Bänden erscheint und in strenger Anordnung den Werdegang des jungen Helden Albano de Cesara erzählt. Dabei prangert Jean Paul die Zuchtlosigkeit seiner Zeit an, wendet sich gegen Idealismus, Ästhetizismus und Pietismus gleichermaßen und fordert mit seinen Helden die Ausbildung »vielkräftiger«, statt »einkräftiger« Individuen.
546 Seiten, 18.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro