An Görres

[339] Knüpf' leichtes Lied zwei Freunde mir zusammen,

Deutsch, fromm, berauscht aus freier Kunst Pokalen.[339]

Mein Görres, Goldmund, dem die Feuerstrahlen

Prophet'scher Warnung von den Lippen flammen,

Frei Herz, das Pharisäer nur verdammen,

Weil Zukunft ihm vertraute ihre Qualen,

Treu Eckart, der dem Tode auf dem fahlen

Mordrosse wollt' den offnen Weg verrammen,


Nimm hin dies Spiel gefesselt von der Zeit!

Nicht quirlt Wassugi drin, die Indenschlange,

Den Berg Mandar umziehnd gleich einem Strange,

Im Milchmeer, brauend die Unsterblichkeit.

Nicht mir, Dir nur ist sie zu Dienst bereit,

Daß Deine Weltgesichte sie umfange

Und durch Natur und Zeit im Wirbeldrange

Umwälze, spiegelnd eine Ewigkeit.


Gleich Wischnu lächelst Du der dummen Riesen,

Die bauernstolz am Schlangenschwanz nicht zogen

Und von Mohene-Majas Reiz betrogen,

Den Trank der Ewigkeit den Weisen ließen.

Als himmelstürmend sie gen diese stießen,

Da flüchteten in Höhlen und in Wogen,

Die nicht zum Tode Nars allmächt'ger Bogen

Und Narajanas Soodarsan wiesen.


Ein leichtres Kriegsspiel habe ich zu geben;

Doch Liebe wiegt ja mit bei den Geschenken,

Die Gabe will des Trostes nur gedenken,

Den du mir überschwenglich gabst im Leben,

Als unter mir die Erde schien zu beben,

Half mir Dein Arm, was stürzte, leis zu senken,

Lernt' ich an Deiner Brust die Schmerzen lenken

Und auf den finstern Wolken lichtwärts schweben.


Ich leg' dies Liederband in Deine Hände

Und schwing' hinüber es in leichten Wellen,

Zu einem andern teuern Kunstgesellen;

Wenn schmückend es ein Freundesband umwände,[340]

Am Rhein gewebt von Euch geliebten Beiden,

Müßt' ich mein Lied um solches Glück beneiden.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 339-341.
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