Der Sprudelstein und die Perlen

[556] (Als eine Freundin des Dichters zwei Kindern Schmucksachen aus Sprudelstein und ein Perlengeschmeide zum Geschenk machte)


Was toset da unten?

Was will sich entfalten?

Im Tanze, im bunten

Erspäh' ich Gestalten

So schäumend, so luftig,

So träumend, so duftig.

Im siedenden Bade

Die reine Najade

Muß immerfort rauschen

Und möchte doch lauschen;

Dumpf hört sie ein Rufen

Der tückischen Zwerge

Im Grunde der Berge:

»Auf! brechen wir Stufen,

Lichtfarbig krystallen

Durch funkelnde Hallen,[556]

Auf! dringet zum Bade

Der reinen Najade.«


Da betet die Nymphe:

»Gott! hüt' mich vor Schimpfe,

Gott! schließe mich ein!«

Da nahet das Klopfen,

Da brechen sie ein,

Da starren die Tropfen

Erschreckt zum Gestein,

Da faßt sie der Strudel

Der siedende Sprudel,

Und treibt ihre Tücke

Zum Abgrund zurücke.

Da zuckt aus dem Bade

Die reine Najade

Und legt an den Rand

Den Sprudelstein hart,

Ein Zeugnis, ein Pfand,

Daß siedende Fluten,

Vom Wunder erstarrt,

Den Reinen, den Guten

Selbst Schutzwände bauen,

So Gott sie vertrauen –

Dran mögen die Lauen

Sich redlich erbauen!


Der Sprudelstein


Zum Strudel einspähend

Den Sprudelstein sehend

Hab' dies ich gedacht.

Da ward mir der Stein,

Geglättet und fein,

Als Spielwerk gebracht.

Zum Kißchen, zum Leuchter

Faßt Stahl ihn und Messing

Mit blinkendem Schlußring.[557]

Der Spieltand, mir däucht' er

Ein sinnvoll Geschenke,

Weil eben ich denke,

Was soll ich erdichten?

Was schenk' ich den Nichten? –


Nehmt freundlich es an,

Ergötzt euch fein dran,

Und denket der Wunder,

Wie mancher gesunder

Die Blicke nach oben

Vom Sprudel erhoben. –

Auch ihr, blickt hinan

Und faltet die Hände

Und stimmt fein fromm an

Ein Vater unser zum Ende.


Die Perlen


Aus der Tiefe, wo wir ruhten,

Wo im feuchten Grund der Fluten

Es so kühl war und so gut,

Hat der Sturm uns aufgewühlet

Und zum harten Strand gespület,

Wo uns sengt' der Sonne Glut;

Hat in gier'ge Menschenhände

Uns gebracht, die ohne Ende

Uns durchbohrten und gequälet.

So gereiht zu einem Bande,

Kommen wir zum Schweizerlande,

Euch zum Halsschmuck auserwählet.

Und an reinen Kinderherzen

Ruhn wir gern und ohne Schmerzen,

Sehnen uns nicht mehr nach Haus.

Wenn ein Hauch aus frommem Munde

Weht, aus reiner Herzen Grunde,

So genügt's zu unserm Glück;

Sollten gar des Mitleids Zähren[558]

Zarte Perlen uns bescheren,

Dann wär' alles Heil erlebt.

Bei den Reinen, Wahren, Guten

Ruht sich, wie in Wasserfluten,

Wenn der Geist darüber schwebt!


Ich glänze und schimmre und mach' mich so breit;

Der Weg zum Verderben, ach Kind, ist nicht weit;

Die Eitelkeit nistet so schmeichelnd sich ein –

Ach, Kind, bleib demütig, ach, Kind, bleibe rein.

Denk glänzendes Gold, hat noch anderen Sinn,

Soll rein es bewährt sein, durch Feuer geht's hin;

Durchs Feuer der Trübsal, durch heißes Gebet

Die Seele, wie Gold rein, vom Staube ersteht.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 556-559.
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