Zueignung

[398] Zur Weihnacht, sternenhelle,

Saß einsam auf der Schwelle

Ein Kind so reich als fromm,

Und hieß im reinen Herzen

Das Jesukind willkomm.


Es sehnt sich nicht nach Gaben,

Es wollte mehr nicht haben,

Als was Maria hat,

Den lieben Gottesknaben,

Der macht es freudensatt.


Und als mit Freud und Schmerzen

Er in des Kindes Herzen

Als einer Krippe spielt,

Da sang das Kind dem Kinde,

Das es am Busen hielt:


»Ach hätt' ich Engelzungen,

Ich hätt' dir längst gesungen[398]

Das süße liebe Lied,

Das mir so still und selig

Im jungen Herzen glüht.


Ich weiß ja keine Weisen,

Dich Heiland so zu preisen,

Dich Jesu fromm und mild,

Wie meine ganze Seele

Dir jauchzt und singt und spielt.


Ich muß mein Haupt dir neigen

Kann weinen nur und schweigen

In Seligkeit und Schmerz,

Ach Kind, du weißt mein Lieben,

Du siehst mir ja ins Herz!«


Als Jesus dies gehöret,

Spricht er: »dir sei bescheret

Ein Kindlein, Schmerzenreich,

Das sollst du betend wiegen,

Rein meiner Mutter gleich.


Und auch sei dir bescheret

Ein Herz zu mir bekehret,

Ein Herz an Schmerzen reich,

Darinnen sollst du wiegen

Das Kind mit mir zugleich.


Und auch sei dir bescheret

Die Weise, die mich ehret,

Mit freud'gem Flug und Fall,

Das Lied, das mir lobsinget

Trotz Lerch', trotz Nachtigall.


Sieh, was ich dir gegeben,

Drum sollst das Haupt du heben,

Und öffnen deinen Mund,

Und freud'ge Lieder singen,

Steh auf und sei gesund![399]


Es wird ein Frühling kommen,

Der bringt, was ward genommen,

Die Blumen und den Kranz,

Sei freudig, sei geschmücket,

Die Unschuld ist ein Glanz!


Es wird ein Sommer kommen,

Voll Segen für die Frommen,

Voll lichtem Ährengold,

Da lese fromm gebücket

Ein Gärblein dir zum Sold.


Es wird ein Herbst sich neigen,

Brich Wein und Frucht von Zweigen

Ich hab' dir's zugedacht,

Drum sei in Freud und Wonne

Die Ernde eingebracht.


Und kömmt der ernste Winter,

Dann sei wie andre Kinder

An meiner Wiege froh.«

Da sprach das Kind ergeben:

»Ja Kind, das will ich so!


All, was du mir bescheret,

Hab' ich von dir begehret

Mit Liedes Flug und Fall,

Drum will ich dir lobsingen

Trotz Lerch', trotz Nachtigall!«


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 398-400.
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