Garten-Bluhmen, aus blossem Wasser, sonder Erde, gewachsen

[173] Wie wunderbar, o Gott! sind Deine Wercke!

Wie unbegreiflich sind die Spuren Deiner Stärcke!

Wie groß ist alles das, so die Natur uns weis't!

Wie klein hingegen unser Geist!


So rief ich, als mein Freund, den die gelehrte Welt

Fast für ein Wunder hält,

Mein Richey, der hieselbst mit solchem Ruhme lehret,

Mir etwas, so ich nie gesehn,

Und welches doch so rar, als schön,

Jüngst zugeschicket und verehret.

Ein angenehmes Frühlings-Kind,

Das, ohne Mutter, war gebohren,

Zu einer Zeit, da alles noch gefroren,

Ein' Ambra-volle Hyacinth',

Die unvergleichlich blüht', auch unvergleichlich roch,

Und die, o Wunder! jedennoch

Die Erde nie in ihrem Schooß geheget,

Noch sie, mit ihrem Nahrungs-Saft

Und der in ihr verborg'nen Kraft,

Gesäugt, ernährt, verpfleget,

Sah ich vor meinen Augen stehn.[174]

Die Zwiebel war, so wie die Bluhme, bloß,

Ohn' Erd', in freyer Luft zu sehn.

Ein Glas, so nicht besonders groß,

Erfüllt mit klarer Feuchtigkeit,

Ließ mir, zu gleicher Zeit,

Die Wurtzeln, die so weiß, wie Silber, schauen.

Sie sahen selbst fast wie ein Bluhmen-Straus,

In den so angenehm geschlung'nen Zäsern, aus.

Kaum konnt' ich meinen Augen trauen.


Was die Natur uns bis daher versteckt,

Und was sie gleichsam recht mit Sorgen,

Im Schooß der Erden, uns verborgen.

Wie sie die Wurtzeln zeugt, ernähret, dehnt und streckt,

Wird unsern Augen nun entdeckt.

Wie sehr bewundert' ich, daß etwas wachsen könnte

Gantz ausser seinem Elemente;

Ja was noch mehr, daß menschlicher Verstand,

In so viel tausend Jahren,

Dergleichen niemahls noch erkannt,

Und nichts davon erfahren,

Da es jedoch so leicht, daß jedermann,

Der es nur einmahl sieht und hört, es machen kann!


Man setzet auf ein Glas,

Das voller Wasser ist,

Die Bluhmen-Zwiebel auf, so daß sie kaum das Naß,

Mit ihrem untern Theil, berühret.


Das ist die gantze Kunst, worauf, in kurtzer Frist,

Das Glas voll Wurtzeln wird, der Stiel sich aufwärts führet;[175]

Und kommt sodann, in wenig Zeit,

Die Bluhme zur Vollkommenheit.

Derselben fehlet nichts an Farb', an Zierlichkeit,

An lieblichem Geruch, der kräftig, uns zu rühren.


Mein Gärtner hat, hiedurch bewogen,

Auf gleiche Weise, Lilien,

Narcissen, Kaiser-Kron- und Tulpen aufgezogen.

Und ich, um dieses Werck noch weiter zu probiren,

Hab' einst ein dünnes Bley, an manchem Ort,

Mit kleinen Löcherchen durchbohrt,

Und mit demselbigen ein solches Glas bedeckt,

Dann Haber-Körnerchen genommen,

Und in die Löcher eingesteckt;

Wodurch ich denn, nach nicht gar langer Zeit,

Auch reifen Haber überkommen.

Ja endlich hab' ich gar, hiedurch bewogen,

Noch weiter fortzugehn,

Auf eben diese Art, schon einen Baum gezogen.

Ich seh bereits, mit Blättern und mit Zweigen,

Ein Kästen-Bäumchen vor mir stehn,

Und aus dem Glas, aus blossem Wasser, steigen,

Mit einer schönen Blätter-Kronen,

Ja in dem Glase sich zugleich die Wurtzel zeigen.

Noch mehr, es blüh'n und reifen albereit,

Auf gleiche Weis' und Art gezog'ne Erbs- und Bohnen,

In zierlicher Vollkommenheit.


Mich deucht, du sprichts bey dieser Seltsamkeit:

Wirckt denn die Erde nichts bey Bluhmen und bey Früchten,

Und kann das Wasser es allein verrichten;

So hat man ja bisher

Der Erde grösser' Ehr'[176]

Erwiesen, als wie ihr mit Recht gebühret,

Indem sie alles das verlieret,

Was man, aus Unverstand getrieben,

Bisher ihr zugeschrieben.


Allein,

Geliebter Mensch, halt ein,

Und übereile dich in deinem Urtheil nicht!

Vielmehr nimm diesen Unterricht:


Die Erde, die von dem, dem ewig Preis gebühret,

Recht wunderbar erschaffen und formiret,

Verliert, bey der Entdeckung, nichts. Sie bleibet

Ein Wunder-Werck des Höchsten, wenn die Kraft

Auch gleich nicht anders wär', als wie man's itzt beschreibet,

Das sich jedoch nicht so verhält,

Wie einem jeglichen es in die Augen fällt.

Denn wenn derselben Eigenschaft

Nur bloß darin, daß sie aus Theilchen, die so klein,

Bestehen sollt', allein bestünde;

So ist es doch gewiß, wenn man es recht ergründet,

Daß man auch darin bloß allein

Was unbegreifliches und nützlichs finde.

Denn daß solch eine Meng' von Theilchen in der Erde

Zu einem grossen Cörper werde,

Und sich zwar wohl, jedoch nicht gantz, verbindet,

Wodurch denn Platz entsteht, daß sich die Feuchtigkeiten

Darin versammlen, halten, sencken,

Mit Maass', ohn' Ueberfluß, die Wurtzeln träncken,

Die eben dadurch auch, sich auszubreiten,

Gelegenheit und Platz gewinnen;

Ist ja wohl recht Bewunderns-werth.

Wer aber kann nur eine Art,[177]

Die Pflantzen, die so klein, so zart,

Gerade zu erhalten, wohl ersinnen,

Und, ohne sie zu drücken, zu verletzen,

Dieselbigen so fest zu setzen,

Daß sie so gar vor Sturm und Wind

Genug gesichert sind?

Dieß alles scheinet uns zwar, leider! nur gemein,

Und weder Weisheit, Macht, noch grosse Kunst zu seyn;

Allein das eben ist die Unart uns'rer Sinnen,

Daß alles, was wir täglich sehn,

Von aussen kaum, viel weniger von innen,

Von uns betrachtet wird. Die Ursach zu verstehn,

Wodurch, wozu und wie die Dinge hie geschehn,

Ist ja das eintzige, so uns vom Vieh

Allein vermag zu unterscheiden;

Doch nimmt man sich damit nicht die geringste Müh.


Die milde Mutter siehet man,

Als einen schwartz- und groben Klumpen, an.


Je mehr ein Werck, das grossen Nutzen bringet,

Uns etwas eintzelnes und einfachs weiset;

Je mehr dem, der's gemacht, draus Ehr' und Lob entspringet,

Je mehr es seinen Meister preiset.

Denn daß das Feuer heiß und leicht,

Das Wasser flüßig, schwer und feucht,

Die Erde fest, und doch nicht allzufest,

Durchdringlich, körnig ist, und sich handthieren lässt;

Sind Eigenschaften, die allein

Von GOTT darein geleget seyn,

Sind Wunder, welche wir bewundern sollen,

Wofern wir Menschen heissen wollen.
[178]

Ach GOTT! Allmächtig-weises Wesen,

Aus welchem alles Gute quillt,

Ach laß uns doch, durch Deinen Geist erfüllt,

Von der Gewohnheit-Pest genesen!

Damit von uns, zu aller Zeit,

So wohl des Wassers Fruchtbarkeit,

Als auch die künstliche Beschaffenheit

Der wunderbar-formirten Erde,

Mit Ehrfurcht, Ernst und Lust, bewundert werde!


Quelle:
Barthold Heinrich Brockes: Auszug der vornehmsten Gedichte aus dem Irdischen Vergnügen in Gott. Stuttgart 1965, S. 173-179.
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