Winter-Vergnügen im Zimmer

[462] Wann draussen die erstarrte Welt,

Mit scharfem Frost, der dunckle Winter schrecket,

Wenn schroffes Eis das harte Feld,

Mit rauhen Schollen, drückt und decket,

Vergönnet mir des Schöpfers Güte,

Daß, mit Bequemlichkeit und ruhigem Gemüthe,

Ich ein vergnüglich Feur, in meinem Zimmer,

Den wärmenden Camin mit Lust erleuchten seh'.

Es steigt der regen Flammen Schimmer

Roth, gelb und weiß zugleich, hell-lodernd in die Höh;

Wovon durch jeden Sinn, der ihre Kraft verspüret,

Ich Freuden-voll erquickt werd' und gerühret.

Ich sehe die getheilten Spitzen,

Um für den scharfen Frost mich gleichsam zu beschützen,

Mit reger Aemsigkeit sich aufwerts schwingen.

Ich fühle durch die starre Brust

Ein sanftes Wohl, und eine laue Lust

In meinen gantzen Cörper dringen,

Und, was durch Kälte starr, erfrischen.

Ich hör' ein muntres Rauschen zischen,

Ein durch die schnelle Loh erregtes Schallen,

Mit oftmahls unterbrochnem Knallen,

Der in dem Holtz verschränckt- und schnell- befreyten Luft,

Wodurch, bald hier bald dort, gesprengte Funcken fliegen.

Ich rieche den gesunden Duft

Der fetten Fichten mit Vergnügen.

Es schmeckt bey dieser Zeit das holde Kraut, der Thee,[463]

Den ich in grüner Farb' in seinen Schälchen seh',

Den kalten Lippen wohl. Bald wärmt ein heisser Wein,

Voll süsser Säurlichkeit und Lust, Hand Mund und Mangen.

Man sieht mit Lust zu Tische tragen

Castanien, die süsse Winterkost;

Und was der Anmuth mehr, die auch im strengen Frost

Uns unser GOOT, der liebe Vater, schencket.


Die Kinder stehen auch, vergnüget durch den Schein,

Und halten gegen's Feur, von ihrer kalten Hand

Die kleinen Finger, ausgespannt;

Wobey sie sich denn sonderlich ergetzen,

Wenn sie, mit kindischem Gewühl,

Ein Aepfelchen ans Feur zu braten setzen


Wenn ich sodann durchs Fenster seh',

Wie draussen alles voller Schnee,

Wie schwartz die Luft, wie scharf und kalt,

Und dencke, wie bequem und gut der Aufenthalt,

Den mir des Schöpfers Güte gönnet;

So danck' ich Ihm mit Recht. Ich denck' auch öfrers nach,

Wie wahr es sey, was jener sprach,

Von einer warmen Stub' in kalter Winters-Zeit:

Daß bloß ein Scheiben-Glas der Unterscheid,

Der gleichsam Africa von Nova Zembla trennet.


Gott gieb daß, so von mir, als meiner kleinen Heerde,

Dein' Allmacht, wie gefühlt, auch so erkennet werde!

Und laß uns doch davor, o Vater! Dir allein

In öfterer Betrachtung danckbar seyn!


Quelle:
Barthold Heinrich Brockes: Auszug der vornehmsten Gedichte aus dem Irdischen Vergnügen in Gott. Stuttgart 1965, S. 462-464.
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