|
[149] Also, wie bereits besprochen:
Madame Knoppen ist in Wochen,
Und Frau Wehmut, welche kam
Und das Kind entgegennahm,
Rief und hub es in die Höh:
»Nur ein Mädel, ach herrje!«
(Oh, Frau Wehmut die ist schlau;
So was weiß sie ganz genau!)
Freilich Knopp der will sich sträuben,
Das Gesagte gleich zu gläuben;
Doch bald überzeugt er sich,
Lächelt etwas säuerlich,
Und mit stillgefaßten Zügen
Spricht er: »Na, denn mit Vergnügen!!«
Dieses Kind hat eine Tante,
Die sich Tante Julchen nannte;
Demnach kommt man überein,
Julchen soll sein Name sein.
[149] Julchen, als ein Wickelkind,
Ist so, wie so Kinder sind.
Manchmal schläft es lang und feste,
Tief versteckt in seinem Neste.
Manchmal mit vergnügtem Sinn
Duselt es so für sich hin.
[150]
Manchmal aber wird es böse,
Macht ein lautes Wehgetöse
Und gibt keine Ruhe nicht,
Bis es was zu lutschen kriegt. –
Sein Prinzip ist überhaupt:
Was beliebt ist auch erlaubt;
Denn der Mensch als Kreatur
Hat von Rücksicht keine Spur. –
O ihr, die ihr Eltern seid,
Denkt doch an die Reinlichkeit!
Wahrlich, hier gebührt Frau Knopp
Preis und Ehre, Dank und Lob.
Schon in früher Morgenstund
Öffnet sie den Wickelbund,
Gleichsam wie ein Postpaket,
Worauf Knopp beiseite geht.
[151] Mit Intresse aber sieht
Er, was fernerhin geschieht.
Macht man Julchens Nase reinlich,
So erscheint ihm dieses peinlich.
[152] Wie mit Puder man verfährt,
Dünkt ihm höchst bemerkenswert.
Freudevoll sind alle drei,
Wenn die Säuberung vorbei.
[153] Nun mag Knopp sich gern bequemen,
Julchen auch mal hinzunehmen.
Flötend schöne Melodien,
Schaukelt er es auf den Knien.
Auf die Backe mit Genuß
Drückt er seinen Vaterkuß.
[154]
Ausgewählte Ausgaben von
Julchen
|
Buchempfehlung
E.T.A. Hoffmanns zweiter Erzählzyklus versucht 1817 durch den Hinweis auf den »Verfasser der Fantasiestücke in Callots Manier« an den großen Erfolg des ersten anzuknüpfen. Die Nachtstücke thematisieren vor allem die dunkle Seite der Seele, das Unheimliche und das Grauenvolle. Diese acht Erzählungen sind enthalten: Der Sandmann, Ignaz Denner, Die Jesuiterkirche in G., Das Sanctus, Das öde Haus, Das Majorat, Das Gelübde, Das steinerne Herz
244 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro