Vierter Streich

[362] Also lautet ein Beschluß:

Daß der Mensch was lernen muß. –

– Nicht allein das A-B-C

Bringt den Menschen in die Höh';

Nicht allein im Schreiben, Lesen

Übt sich ein vernünftig Wesen;

Nicht allein in Rechnungssachen

Soll der Mensch sich Mühe machen;

Sondern auch der Weisheit Lehren

Muß man mit Vergnügen hören. –


Vierter Streich

Daß dies mit Verstand geschah,

War Herr Lehrer Lämpel da. –


– Max und Moritz, diese beiden,

Mochten ihn darum nicht leiden;

Denn wer böse Streiche macht,

Gibt nicht auf den Lehrer acht. –


Nun war dieser brave Lehrer

Von dem Tobak ein Verehrer,

Was man ohne alle Frage

Nach des Tages Müh und Plage

Einem guten alten Mann

Auch von Herzen gönnen kann. –
[362]

– Max und Moritz, unverdrossen,

Sinnen aber schon auf Possen,

Ob vermittelst seiner Pfeifen

Dieser Mann nicht anzugreifen. –


– Einstens, als es Sonntag wieder

Und Herr Lämpel brav und bieder

In der Kirche mit Gefühle

– Saß vor seinem Orgelspiele,


Vierter Streich

Schlichen sich die bösen Buben

In sein Haus und seine Stuben,


Wo die Meerschaumpfeife stand;

Max hält sie in seiner Hand;


Vierter Streich

Aber Moritz aus der Tasche

Zieht die Flintenpulverflasche,

Und geschwinde, stopf, stopf, stopf!


Pulver in den Pfeifenkopf. –

Jetzt nur still und schnell nach Haus,

Denn schon ist die Kirche aus. –


Vierter Streich

Vierter Streich

[363] – Eben schließt in sanfter Ruh'

Lämpel seine Kirche zu;

Und mit Buch und Notenheften,

Nach besorgten Amtsgeschäften,

Lenkt er freudig seine Schritte

Zu der heimatlichen Hütte,


Vierter Streich

Und voll Dankbarkeit sodann

Zündet er sein Pfeifchen an.
[364]

Vierter Streich

»Ach!« – spricht er – »die größte Freud'

Ist doch die Zufriedenheit!!!«


Vierter Streich

Rums!! – da geht die Pfeife los

Mit Getöse, schrecklich groß.

Kaffeetopf und Wasserglas,

Tobaksdose, Tintenfaß,

Ofen, Tisch und Sorgensitz –

Alles fliegt im Pulverblitz. –


Vierter Streich

[365] Als der Dampf sich nun erhob,

Sieht man Lämpel, der gottlob!

Lebend auf dem Rücken liegt;

Doch er hat was abgekriegt.


Nase, Hand, Gesicht und Ohren

Sind so schwarz als wie die Mohren,

Und des Haares letzter Schopf

Ist verbrannt bis auf den Kopf. –


Vierter Streich

Wer soll nun die Kinder lehren

Und die Wissenschaft vermehren?

Wer soll nun für Lämpel leiten

Seine Amtestätigkeiten?

Woraus soll der Lehrer rauchen,

Wenn die Pfeife nicht zu brauchen??
[366]

Mit der Zeit wird alles heil,

Nur die Pfeife hat ihr Teil. –


Vierter Streich

Dieses war der vierte Streich,

Doch der fünfte folgt sogleich.


Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 1, Hamburg 1959, S. 362-367.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Max und Moritz
Max und Moritz auf Spanisch
Max und Moritz auf Chinesisch: Chinesische Nachdichtung von Lü Xuan (Chin./Dt.)
Max und Moritz
Klassiker-Sammelband mit CD: Struwwelpeter, Struwwelliese, Max und Moritz
Max und Moritz: Eine Bubengeschichte in sieben Streichen

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Herzog Theodor von Gothland. Eine Tragödie in fünf Akten

Herzog Theodor von Gothland. Eine Tragödie in fünf Akten

Den Bruderstreit der Herzöge von Gothland weiß der afrikanische Anführer der finnischen Armee intrigant auszunutzen und stürzt Gothland in ein blutrünstiges, grausam detailreich geschildertes Massaker. Grabbe besucht noch das Gymnasium als er die Arbeit an der fiktiven, historisierenden Tragödie aufnimmt. Die Uraufführung erlebt der Autor nicht, sie findet erst 65 Jahre nach seinem Tode statt.

244 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon