[405] Der Schuhu hörte stets mit Ruh,
wenn zwei sich disputierten, zu. –
Mal stritten sich der Storch und Rabe,
was Gott der Herr zuerst erschaffen habe,
ob erst den Vogel oder erst das Ei.
»Den Vogel!« – schrie der Storch –
»das ist so klar wie Brei!«
Der Rabe krächzt: »Das Ei, wobei ich bleibe;
wer's nicht begreift, hat kein Gehirn im Leibe!«[405]
Da fingen an zu quacken
zwei Frösch in grünen Jacken.
Der eine quackt: »Der Storch hat recht!«
Der zweite quackt: »Der Rab hat recht!«[406]
»Was?« – schrien die beiden Disputaxe –
»was ist das da für ein Gequackse??« –
Der Streit erlosch. –
Ein jeder nimmt sich seinen Frosch,
der schmeckt ihm gar nicht schlecht.[407]
»Ja« – denkt der Schuhu – »so bin ich!
Der Weise schweigt und räuspert sich!«
Ausgewählte Ausgaben von
Stippstörchen für Aeuglein und Oerchen
|
Buchempfehlung
Simon lernt Lorchen kennen als er um ihre Freundin Christianchen wirbt, deren Mutter - eine heuchlerische Frömmlerin - sie zu einem weltfremden Einfaltspinsel erzogen hat. Simon schwankt zwischen den Freundinnen bis schließlich alles doch ganz anders kommt.
52 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro