|
[57] 1033. An Grete Meyer
Wiedensahl 6. Juli 95.
Liebe Grete!
Ich dank dir für deinen hunteburger Brief und gebe mich der schmeichelhaften Hoffnung hin, daß du auch ferner gescheidt und sachverständig Bericht erstattest, wie es in Haus, Hühnerstall und Garten dort geht, und was du für ungewöhnliche Fortschritte machst in culinarischer Hinsicht. Lob und preis dich nur recht; ich werde schon das Nöthige davon subtrahiren.[57]
Ist denn bei euch die Luft auch so angenehm kühl und behaglich? Die Ungewitter der letzteren Tage, die in deinem Münsterlande so unwirrsch gewesen, haben sich hier, wie fast immer, im Südwesten gespalten, nach rechts die Weser hinab, nach links über den schaumburger Wald entlang. Aber Wind brachten sie mit, einen heftigen stoßweisen, der den Hopfen und die Köpfe der Rosen abscheulich geschüttelt hat. Auch Regen gab's; wenn auch nicht viel, so doch grad genügend, um der Frau Nickels ihre heuer ungemein ergiebige Heuerndte zu verzögern; heute miestert es wieder.
Im Garten gedeiht dabei Alles nach Wunsch. Kohl und Kohlrabi runden sich sichtbarlich. Bohnen stehen prachtvoll. Türken und Krüper blühen bereits. Auf den Mitgenuß der letzteren hatte eine Familie von Schnecken gerechnet, große und kleine, Papa, Mama, Kinder, Onkels und Tanten. Versteckt im Buxbaum am Wege lag ihr trauliches Heim, aus dem sie abends schön schleimig schleichend in die Bohnen spatzierten. War mir nicht lieb. Hab sie alle vertodtigt. Freßsäck giebt's ohnedies grad gnug auf der Welt. Frl. K. und der Endesunterzeichnete sind auch schon beim zweiten Erbsenfeld. – Und, ach, wie eilig hast Du wohl die 1/2 Meter langen Kuchenspleten in dein werthes Innere hinunter geschmißen, neulich bei dem erwähnten Kaffee.
Gehab dich wohl, mein liebs Gretel. Sei herzlich gegrüßt und grüße ebenso Tante und Else von Deinem
dir gut seienden
Onkel Wilhelm.
Fräulein K. läßt gleichfalls grüßen.