[128] 1191. An Nanda Keßler

Zum Geburtstag

1898.

Der Juni kam. Lind weht die Luft.

Geschoren ist der Rasen.

Ein wonnevoller Rosenduft

Dringt tief in alle Nasen.


Manch angenehmes Vögelein

Sitzt flötend auf den Bäumen,

Indeß die Jungen, zart und klein

Im warmen Neste träumen.


Flugs kommt denn auch dahergerennt,

Schon früh im Morgenthaue,

Mit seinem alten Instrument

Der Musikant, der graue.


Im Juni, wie er das gewohnt,

Besucht er einen Garten,

Um der Signora, die da thront,

Mit Tönen aufzuwarten.


Er räuspert sich, er macht sich lang,

Er singt und streicht die Fiedel,

Er singt, was er schon öfter sang.

Du kennst das alte Liedel.


Und wenn du gut geschlafen hast

Und lächelst hold hernieder,

Dann kommt der Kerl, ich fürchte fast,

Zum nächsten Juni wieder.


W.B.


1191. An Nanda Keßler: Faksimile: Vorletzte und letzte Strophe
1191. An Nanda Keßler: Faksimile: Vorletzte und letzte Strophe
Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 128-129.
Lizenz:

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