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[135] 1206. An Grete Meyer
Wiedensahl 22. Sept. 1898.
Liebe Grete!
Wie sehr hat's mich gefreut, daß ich noch ein paar Tage mit Dir zusammen sein konnte, eh du wieder nach Köln an deine Arbeiten gingst. Bist du ungestört angelangt? Hast du Aussicht, die Stunden unmittelbar vor Tisch los zu werden?
Meine Heimkehr war nicht ganz trocken. Bald, nachdem ich dich verlaßen hatte, fings an zu miestern; in Hannover regnete es regelrecht; drum blieb ich, um mir die Haare abkneifen zu laßen und zu futtern, in der Nähe des Bahnhofs. Später, als ich per Omnibus bis dicht vor Wiedensahl gefahrn war, stieg ich aus, weil ich dachte, der Regen sei erst mal müde geworden. Kaum aber war ich hinter den Gärten, so ging er wieder neu gestärkt in's Geschirr. Hübsch durchgefeuchtet erreicht ich die gute alte Hütte – wo wir nu bald nicht mehr in hausen werden.
Den Kohlrabi und den braunen Kohl haben die Raupen skelettirt, ordentlich gespensterhaft. Schon sieht der wilde Wein zum Theil röthlich aus. Kein Vöglein flötet mehr. Kurzum, es sieht herbstlich aus.
Sophie aus Barnstorf fand ich leider nicht hier. Wilhelm S. aus Leer mit Frau und Kind sind plötzlich bei ihr eingerückt. Weil er lungenkrank ist, soll er nach dem Süden. Was das für Sophie bedeutet, die bereits Ernestine nebst Kindern hat, kannst du dir denken. Die Frau kommt auch nie zur Ruh.
Unser alts Fräulein geht nächsten Dienstag; nach Hamburg, zu einem alten Herrn. Daß sie nicht mehr hier ist, wenn die Hattorfer und Nordener kommen, scheint ja Tante grad recht zu sein.
Leb wohl, meine liebe Grete! Tausend herzliche Grüße von Tante und deinem getreuen
alten Onkel
Wilhelm.