1289. An Nanda Keßler

[171] 1289. An Nanda Keßler


Mechtshausen 26. Dec. 1900.


Meine liebe Nanda!

Ich spreche dir meinen Dank aus, daß ihr euch zum Fest so freundlich an mich erinnert habt. Die beiden Langschnäbel sind unter Anerkennung ihrer Vortrefflichkeit bereits verspeist. Viel Beifall findet das Ilexbäumchen im hübsch bemalten Untersatz, weil's uns besonders auch gar traulich an die heimathliche Ebene erinnert, denn bei uns, die wir jetzt höher wohnen, kommt der glänzende Strauch mit den rothen Beeren nicht vor.

Daß die Nelly dazu ermunterte, vor der Bescherung in die Kirche zu gehn, find ich nett von ihr. Es ist – wie Dr. Johnson sagen würde – ein Zeichen von guten Grundsätzen. Wir gingen gleichfalls zur Abendfeier; Martin und Ruth durften mit; aber Ruth, bei den Gesängen der Kinder, war bald entschlummert und wurde fest schlafend nach Haus getragen. Um so munterer war sie, als später daheim geschellt wurde und nun all die bunten Herrlichkeiten dalagen im Glanze des Lichterbaums. Ja, und dann schaute noch ein ganz Kleines zu – wenn auch nur träumerisch staunend – nämlich unser niedliches Annelieschen, das der Storch vor sechs Wochen gebracht hat.

Leb wohl, liebe Nanda! Möge dir das neue Jahr im neuen Jahrhundert viel Gutes bringen.

Sei mit deinen Kindern recht herzlich gegrüßt vom

alten Onkel Wilhelm.


Und, bitte, sag auch meinen Gruß an die Mama, der ich kürzlich schrieb, und an Letty, Hugo und Harry.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 171.
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