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[171] 1290. An Grete Meyer
Mechtshausen 9. Jan. 1901.
Liebe Grete!
Ich danke dir für deinen angenehmen Brief. – Es war nett von dir, daß du neulich deine reichen culinarischen Kenntniße so rühmlich verwendet hast, auch für uns, denn infolge deßen konnte deine Mutter hier sein, die wir aber gern noch länger behalten hätten.[171]
Die Kinder haben Husten. Ein schlimmer ist's nicht. Der Aufenthalt im warmen Bettchen wurde für gut gehalten. Martin ist etwas matt. Ruth, so beredtsam, wie je, aß gestern schon wieder mal bei uns Alten in der Wohnstube. Unsere niedliche kleine Anneliese hustet ebenfalls; sie wird warm eingehüllt, weil sie sweten soll, und das thut sie denn auch. Ja, kaum taucht der Mensch auf in der Welt, so muß er sich gleich allerlei gefallen laßen, was ihm nicht grade behaglich ist.
Am Montag fuhren Otto und ich über Hildesheim nach Hannover, wo wir mit Onkel Hermann, Albert und Paula zusammen trafen. Wir aßen bei Freckmann, an derselben Stelle, wie wir damals mit Liesbeth. Über Kreiensen kehrten wir zurück.
Der letzte Tag des alten Jahres hat uns Schnee und kneifenden Frost gebracht. Die Hühner blieben eingesperrt. Trotzdem legen sie treuherzig ihre drei vier Eier per Tag. – Hübsch im weißen Kleid machen sich Garten und Feld. Jeden Abend glitzern die Sterne. Der Mond schleicht hinter der Scheune herauf, wandelt still über die alten Kirschbäume weg und duckt sich erst morgens hinter den Heber. Heut früh gegen halb acht, als ich aufstand, sah er noch grall in meine Kammer herein.
Else fing allmählich an, in aller Bescheidenheit milderes Wetter zu wünschen. Und richtig, die Dachrinnen fangen zu laufen an. Das große Waschfest kann gemüthlich beginnen.
Leb wohl, liebe Grete. Bleib froh und gesund im neuen Jahrhundert.
Mit herzlichen Grüßen an euch Alle, im besonderen an dich,
Dein alter getr. Onkel
Wilhelm.