1644. An Franz von Lenbach

1644. An Franz von Lenbach


Wiedensahl 20. Febr. 85.


Meinen Dank, liebster Lenbach, für Deinen guten Schnörkelbrief! Er hat mir wohlgethan.

Aber renommirt nur nicht so, ihr Malefiz-Ultramontanen, mit euren 6° unter der Alltäglichkeit. Wir allhier waren noch 6° tiefer gesunken. Wir sind trotz verglaster Ohren und rinnender Nasen nicht ohne Lust in der blitzenden Welt herumspatziert. Demnächst wird ja nun wohl wieder der landesübliche Frühling erscheinen. Die Haselstauden blühen schon lange:[284] von weiblicher Seite die roten Krönlein, von männlicher, verliebt darüber baumelnd, die goldstaubigen Klunkern. An Hecken, in sonnigen Winkeln, wo ich herumgaff, seh ich bereits viel liebenswürdiges Unkraut durch die todte Kruste hindurch sich stillhartnäckig an's Licht herauf bohren. Mein bescheidener Beobachtungsbezirk reicht nicht viel weiter als der eines leidlich mobilen Ohrwurms; während Du, wie der beschwingte Staar (einen Adler hab ich grad nicht zur Hand) weithin nach Süden flogst. –

Daß Du den alten verschrumpelten Halbgott mit den milden pfiffigen Augen recht kräftig und wahrhaftig in Öl setzen wirst, ist mir unzweifelhaft. – Gehab Dich wohl, liebster Freund, und sei recht herzlich gegrüßt von Deinem alten, getreuen

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968.
Lizenz: