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[136] 262. An Maria Anderson
Wiedensahl 26 März 75
Meine liebe Frau Anderson!
De vrye gedachte werden Sie wieder haben. – Ich las mit besonderem Vergnügen Ihre Anmerkungen über das Mitleid gegen die Thiere. Ja wohl! Die Grausamkeit soll sich wenigstens schämen, wie – die Liebe. – Hm!
Die »bundels« erhielt ich gestern. Danke! Ich blättre so drin und finde, daß ich doch am Ende noch Holländisch lernen muß. – Da sind sie, die uralten ewigen Probleme! Da steht es, aufragend zu den Wolken, das verwunschene Schloß der Wahrheit! Im Thal die Bauern auf dem Feld, die Handelsleute auf der Heerstraße, die Ochsen auf der Weide – was kümmern sich die? Es klingen die Glocken, es wallen die Pilger. Dort, im Schatten der rauschenden Eichen, sitzen die Herren Maler und malen, was das Zeug halten will. Aber, das Schwert an der Seite, den Muth in der Brust, traben die Ritter heran und spornen ihre Mähren bergauf. Zack zack! Hier das Gestrüpp! Heraus mit dem Sabel! Zu dicht, zu dicht! Ritter Kurd, o weh! bleibt hängen in Rosen und Dornen; Ritter Hans macht kehrt und reitet zurück und reitet, bis daß er die Herberg findet, genannt zum goldenen Bären. – Und die Zeit vergeht, und endlich, nach hundert Jahren, da kommt der Rechte, der Königssohn in der silbernen Rüstung. Wie saust der Schimmel durch Dick und dünn! Das Thor springt auf; ein Kuß – juchheh! – der Zauber ist gelöst, der Hochzeitszug wird arrangirt, und mit Pauken- und Trompetenschall gehts zur Kapelle. – Gutes, altes, optimistisches Märchen! Ich müßte lachen, wenn grade die Welt unterginge – holterdipolter! – und der Ritter käm gar nicht ins Ehbett'nein.
Mit freundlichen Grüßen, Madam,
Ihr ganz ergebenster
Wilh. Busch.