|
[179] 392. An Franz von Lenbach
Wiedensahl d. 25. Juli 1877.
Lieber Lenbach!
Zurückgekehrt von einem Ausfluge nach Thüringen, wobei auch die Kaßler Gallerie mal wieder besichtigt wurde, fand ich deinen freundlichen Brief. Schäme dich mir gegenüber nur nicht gar zu heftig. Mein Briefbeantwortungsgewißen[179] ist leider wohl ebenso schwer belastet wie das deinige; und ich befürchte fast, daß beide, zusammengeflickt, noch lange keine ganze und gerechte Schreiberseele abgeben würden.
Der letzten fast strafbaren Sommerkühle scheinen nunmehr die Anzeichen einer bedenklichen Hitze zu folgen; die Freuden- und Festtage der Fliegen und der Flöhe. Gern verläßt sodann auch der gründliche Schläfer sein allerseits durchwühltes Lotterbett, um bei offenem Fenster und offenem Hemde die nächtlich gedünsteten Glieder in frischer Morgenkühle zu baden. Ungern dagegen besteigt der Reisende das sonnendurchglühte Coupée, welches aufgebüht und geschwängert ist, selbst bis in die tiefsten Eingeweide der Sitzpolster, von jenen einschmeichelnden Dünsten, denen die mannigfaltigen Poren und Öffnungen des bedrängten menschlichen Körpers einen nur zu bereitwilligen Durchzug gewähren. – Dies wäre dann wohl so im Laufe des Monats August; und da geh ich nicht weit vom Fleck. Aber in den milden, anmuthig gemäßigten Tagen des September, da will ich, wenn nicht unabwälzbare Steine in den Weg rollen, dich wieder in München begrüßen. Indeß, nun fragt es sich, ob ich dort eine leidlich beleuchtete Stelle finde, wo ich allein sein kann??? – Daß du fleißig an der Arbeit bist, kann ich mir denken; allbekanntermaßen bist du nu mal so; und weil's dir Vergnügen macht, so dürfte man's beinahe ein Laster nennen, was ja immer beneidenswerth ist.
Heise's Unglück erfahre ich erst aus deinem Briefe. Es ist ein sehr harter Fall. – Sonst scheints den Bekannten ja gut zu gehn; auch Piloty, hoffe ich. – Allerseits ein herzlichster Gruß!
Stets dein getreuer
Wilh. Busch.