552. An Franz von Lenbach

[230] 552. An Franz von Lenbach


Wiedensahl 25. Aug. 82.


Liebster Lenbach!

Dein Sommeranfangstelegramm, welches mir nachgeschickt wurde, erhielt ich während einer Besuchsfahrt nach Wolfenbüttel auf dem Bahnhofe zu Braunschweig. Da es in Stadthagen durch den Mund und in Wiedensahl durch das Ohr eines Telephonisten gegangen, so mußte es sich in dem zweifelhaften Halbdunkel dieser beiden Kopfhöhlen wohl zum Theil verwirrt haben. Dein Name war deutlich; ganz verschleiert und undeutlich der andere. Ohne Bedenken indeß schloß ich aus der Liebenswürdigkeit des bekannten auf eine, womöglich, annähernde Liebenswürdigkeit des unbekannten – und so hoff ich denn fest, daß der entsprechende Theil meiner Erwidrungsgrüße auf einen Freund entfallen ist, deßen angenehme Enthüllung mir noch bevorsteht.

Inzwischen geht's mit diesem Sommer zu Ende. Seine durchweichten Rockschlappen flattern im Winde und matt und verdrießlich und fröstelnd streckt er dem Bruder Herbst die kalte Hand entgegen. – Ja, wo bist du denn, lieber Freund? Wo weilen meine verehrten Tanten Augusta, Josepha, Victoria? Wo, bei dem Wetter, stoßen die übrigen Bekannten ihre entrüsteten Seufzer aus? – Sag nichts gegen mein Schweigen! Aus meiner leeren Ecke heraus, was hätt ich zu sagen, was des Hörens werth wäre? Dahingegen du, der du in der Fülle bemerkenswerther Dinge sitzt, du könntest wohl bald wieder mal ein paar erquickliche Brocken mittheilen deinem, wennschon leiblich entfernten, so doch geistlich sich dir anschmiegenden, guten, alten, getreuen, dich vieltausend Mal grüßenden

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 230.
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