641. An Eduard Daelen

[265] 641. An Eduard Daelen


Wiedensahl 16. Jan. 86.


Meinen Dank, geehrtester Herr Daelen, für ihren freundlichen Brief und die humoristischen Werke! Ich werde sie gern mal durchlesen; da ich aber bereits am 15 April 1832 geboren wurde, so darf ich mir wohl allmählig gestatten, in solchen Dingen kein dankbarer Gourmand noch maßgebender Beurtheiler mehr sein zu wollen.

Sie fragen nach den Quellen meiner Stoffe. Ich weiß wenig darüber zu sagen. – Was vom hergebracht Legendarischen im Antonius verbraucht wurde, ist bekannt genug. – Den Jobs las ich auf Anstoß einer Verlagshandlung, die illustrirte Klaßiker herausgiebt, zeichnete Was, und als sich das Geschäft zerschlug, comprimirte ich den Urtext, legt ihn zwischen die Zeichnungen und gab's sonst wo heraus. – Volkslied, Märchen, Sage sind an einem fast beständigen Dorfbewohner, wie ich, natürlich auch nicht lautlos vorüber gegangen. Etwas davon hab ich wiedergesagt, das Beste[265] behielt ich. – – Im Übrigen regte wohl unmittelbar die Bemerkung an, daß diese große Welt auch den harmlosesten Bestrebungen intellektbegabter Wesen gegenüber oft recht hartnäckig ist. Nur zu gern betrachtet man den neckischen Zwist betriebsamer Wünsche mit Dem, was nicht so will; denn da man das Spiel durchschaut, da Verdruß und Ungeschick bei Andern sind, so fühlt man sich derweil an Leib und Seel so angenehm gedocken, daß man lachen muß. Zuweilen, doch nicht so herzlich, lacht man über sich selber, sofern man sich mal bei einer mäßigen Dummheit erwischt, indem man sich nun sogar noch gescheidter vorkommt, als man selbst. – Die Neigung, sich das vorerwähnte Vergnügen auch unabhängig von der nicht immer gefälligen Wirklichkeit zu verschaffen, liegt nah. – Man ruft ein Bißel Kunst herbei. – Da steht z.B. eine Windmühle, oder ein braver Onkel, oder eine freundliche Tante, oder ein heißer Ofen, oder eine Tobackspfeife, oder ein Knabe, der Vieles vor hat; und ein wahrhaft tugendsamer Mensch wär's, der nicht jeden dieser an sich harmlosen Stoffe als eine Quelle der allerpeinlichsten Conflicte zu benutzen wüßte. – So viel über Stoffe und Quellen. Ist's nicht genug damit, so bin ich zu weiteren Antworten erbötig, bei welcher Gelegenheit ich stets Frau Wahrheit gehorsamst ersuchen werde, mir die Ehre ihrer Gesellschaft zu schenken. Bin sonst nicht ganz der Meinung Ihres Citates: »daß wir das Beste, was über einen Künstler gesagt werden kann, in der Regel aus seinem eignen Munde erfahren«. Künstler haben auch Phantasie, und dieselbigte, störrisch, wie sie sein kann, im besagten Falle, fürcht ich, ist sie fast stets die gefällige Dienerin ihres Besitzers, ja, thut noch mehr, als ihr befohlen wird.

Mit freundlichem Gruß

Ihr ergebenster

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 265-266.
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