642. An Hermann Levi

[266] 642. An Hermann Levi


Wiedensahl 26. Jan. 86


Auch ich, lieber Levi, traue den Biographen nicht, zumal doch meist der Selbstbiograph dahinter steckt. Wer hat denn die Schärfe der Selbsterkenntniß und den rücksichtslosen Muth der Wahrheit, wie der heil. Augustinus? – Es sind meist so was wie Dichtungen, gelind gesagt, diese Biographien; es fragt sich nur, ob sie wonnesam zu lesen sind. Dann ist's gut so weit.

Als Herr D. mir schrieb, was er vorhatte, rieth ich ihm ab; als er dabei verharrte, macht ich gute Miene zum bösen Spiel. Dann sucht ich ihn persönlich zu veranlaßen, weniger die Person als die Sachen zu besichtigen und weiterhin zu untersuchen und deutlich zu machen, wann und warum man lacht. – Ob's was geholfen, weiß ich nicht.

Da Kaulbach ihm schon vorher meine Briefe zu lesen gegeben, also nichts Bedenkliches darin gefunden hatte, so wollt ich meinerseits gegen eine Benutzung nichts einwenden. – Von meinen Briefen an Dich ist aber gar nicht die Rede gewesen. – Nun ist zwar die Zeit, wo ich mich für berechtigt hielt, dem Ausfrager schlichtweg die Jacke voll zu lügen, zum Glück vorbei; da aber die ganze Wahrheit bereits im großen Buche steht, so halt ich mich nicht verpflichtet, sie obendrein noch Jedem unter die Nase zu halten. – So viel ich mich erinnere, kommt eine Gemüthsverfaßung in Frage, die, besonders in ihrem damaligen Schwanken, die Leute nichts angeht.

Apropos »Mißkennung«! – Käme mir Wer und klagte: Er würde vom Levi verkannt; so sollt ich ihm etwa erwidern:

»Ja, guter Mann, warum sagen Sie mir das? Sagen Sie das doch dem Levi. Wie ich ihn taxire, wird er Ihre guten Eigenschaften vollkommen zu schätzen wißen. Oder wollen Sie mich überreden, er thät es aus Bosheit nicht? Oder halten Sie's für nöthig, der Kolporteur Ihrer Tugend zu sein? Bei mir brauchen's des nit. Daß Sie eine gute Meinung von sich selber haben,[266] weiß ich so wie so.« – In der Regel aber erwidert man Nichts dergleichen, sondern hüllt sich in ein sorgsames Schweigen, und der Narr kann befriedigt nach Hause gehn.

Sind das nicht rechte Fraubaserein, liebster Freund?

Gehab dich wohl, und vergiß nicht

deinen getreuen

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 266-267.
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