656. An Friedrich August von Kaulbach

[272] 656. An Friedrich August von Kaulbach


Wiedensahl 16. Sept. 86.


Du sagst, ich soll nur recht schimpfen. Nein, lieber Fritze! Das ist hier im Haus keine Mode, und Mitglied einer Künstlergesellschaft bin ich schon lange nicht mehr. Aber das Schmunzeln hab ich noch nicht verlernt. Nur wird's verschleiert durch einen leisen Zug der Besorgniß, wenn ich seh, daß man dich hinter die academische Drillmaschine gestellt, um den Samen der Kunst durch viele Trichter zugleich in die Rillen des Vaterlandes auszustreuen. Hoffentlich bleibt dir Zeit, Laune und Unbefangenheit genug über zur Bestellung deines von Mutter Natur ererbten Gartens, worin Mancher gar fröhlich spatzieren ging, vor Allem auch ich.

Der Donquichote von Cervantes ist ein wonniges Buch. Die Broschüre von D. hat mich nur mäßig erfreut. Für sein schwungvolles Wohlwollen hab ich ihm natürlich meinen Dank ausgesprochen, meine Zustimmung im Übrigen abgelehnt. Zu der Widmung an dich würd ich, wenn auch befragt, weder Ja noch Nein gesagt haben. Die Veröffentlichung von nur so für enge Geselligkeit bestimmten Sachen ist mir unerwünscht, besonders wenn's persönliche Verhohnhac klungen sind, denen ich überhaupt längst abgeneigt bin. Doch bin ich zu alt geworden, um gegen den Lauf von[272] Gezeichnetem oder Geschriebenem in fremden Händen oder den Schwung eines über das Dach geworfenen Steines mit kindlicher Vermahnung etwas ausrichten zu wollen. Alte Dummheiten treten uns früher oder später doch immer wieder auf die Hacken. – Die Vischerschen Bemerkungen, welche mir erst durch die D'sche Schrift bekannt wurden, wären beßer nicht aufgerührt. Jedes saubere Mannsbild mußte ja ohnedies vermuthen, daß der Ästhetiker ein etwas anrüchiges Herz im Busen trug, als er jene, eines zotenfreudigen Weinreisenden höchst würdige, Beobachtung anstellte. – Mit den Ausfällen gegen einen bekannten Heiligenmaler scheint D. seine besonderen Zwecke oder die seiner Hintermänner zu verfolgen. Ich habe selbstverständlich nichts damit zu schaffen. – Auch das Geschrei über die Ultramontanen, obschon ich nicht ihr Freund, paßt nicht zu meiner Gemüthsverfaßung.

Daß ich meine Sachen (ausgenommen ein paar Hungerprodukte und das Tendenzstückerl Filucius) lediglich und vor allen Dingen zu meinem rücksichtslosen Pläsir zurecht geschustert, das ist eben manchen Leuten nicht begreiflich zu machen. Die meinen denn auch, ich sei nach Italien gerutscht, um alte Pfaffen zu besehn. Ach, lieber Junge! Welch eine Wunderwelt steckt allein in den zwei Zauberkasten, die der Gang über den Arno verbindet. Nach Rom hätt ich eigentlich gar nicht mehr hingebraucht. Aber Lenbach war da, und zum Glück fand ich Günther als Begleiter. So wurd ich auch dort noch behext. Schad, daß du nicht nach Braunschweig konntest; hab lang auf Nachricht gewartet. Also dann mal wo anders. Wo ein paar alte Bilder hängen – Kaßel – weitestens Frankfurt.

Herrliches Wetter allhier. Und in der Dämmerung hab ich Gesellschaft im Garten; eine ganze Zaunigelfamilie; zwei Alte, fünf Junge. Letztere, noch harmlos, schnuppern und knuppern an meinen Pantoffeln herum; dann, wenns dunkel wird, putchet Jeder, wie's ihm paßt, unter die Zwetschenbäume, durch die Hecke, in's Feld hinaus. Wir haben ein gesegnetes Mäusejähr – für die Zaunigel.

Du aber, lieber Fritz, sei mir herzlich gegrüßt auf deinem Berg- und Ruhmesgipfel, sammt deiner Frau, und sag ihr, ich hätt's noch nicht vergeßen, daß sie mich einst so liebenswürdig bewirthet und behandelt hat.

Stets dein alter

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 272-273.
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