7. An Henriette Ebhardt

[6] 7. An Henriette Ebhardt


Pfarrhaus zu Lüethorst.

Sonntag d. 12. März 1854.


Liebe Henriette.

Das Schicksal hat es nun einmal so gewollt, daß ich zu dieser Sonntagsfrühe in Schlafrock und Pantoffeln so wie auch ungewaschen und ungekämmt mit meinem ersten Brieflein vor Dir erscheinen muß. Leider ist die Veranlaßung dazu keine erfreuliche, da ich Dir die Frage vorlegen muß: »Haben die Großeltern Justus Brief vom 24. Januar mit Einschluß von 10 fl. erhalten oder nicht?« – Wenn ich diese Frage an Dich richte, so hat das seinen besonderen Grund, denn ich glaube nicht, daß ich im Herzen einer Schwester das Mitgefühl für den Bruder vergebens zu suchen brauche. Ich setze voraus, daß Du seinen Kummer in seinem ganzen Umfange begreifen wirst, wenn Du Dich in seine Lage versetzt: Nach Jahren des Kampfes mit sich selbst tritt er endlich mit vollem überfließendem Herzen zu Deinen Eltern und wird ironisch mit der Antwort eines Schreibers zurückgewiesen, ohne irgend ein einziges Begleitschreiben seiner Familie. Ich will es Dir nicht zum Vorwurf machen, liebe Henriette, aber gekränkt hast auch Du Justus durch Dein Schweigen. Nur dadurch kannst Du es wieder gut machen, daß Du sofort an ihn schreibst. Wo nicht, so gieb mir wenigstens auf jene Frage umgehende Antwort. Bis zum Mitwoch Abend wird mich Dein Brief noch hier in Lüethorst erreichen, dann aber reise ich nach Wiedensahl ab, wo ich Dich auf einige Zeit zu sehen hoffe.

Der Postbote wartet. Bitte, schreibe an Justus od. mich.

Dein treuer Vetter

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 6.
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