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[33] 968. An Erich Bachmann
Wiedensahl Sonntag [Juni 94]
Lieber Erich!
Als der Brief von weiblicher Hand hier ankam, nachdem du schon abgereist warst, dacht ich mir wohl, daß Luise ihn geschrieben. Ich dachte mir aber, daß du dich, deinem angeborenen Naturtriebe gemäß, vielleicht in Hannover etwas länger, als bestimmt, aufgehalten hättest, und also der Brief ein Mahnbrief sei. Nun bist du, wie ich sehe, pünktlich und doch zu früh in der Heimath wieder angelangt. Schade! Wir hätten demnach noch gut ein paar Tage bei einander sein können. Komm nur mal wieder, wenn es dir paßt und unsere Hütte nicht grade zu voll steckt, um dich zu deiner Bequemlichkeit beherbergen zu können. Luise wird dann schon während deiner Abwesenheit für den gehörigen Verlauf der Dinge in Ebergötzen Sorge tragen.
Die beiden bekannten landwirthschaftlichen Besucher der Ausstellung in Berlin haben, fürcht ich, schlechtes Wetter getroffen daselbst; aber junge Leute, nachdem sie die fachmäßige Besichtigung vorgenommen, werden auch sonst wohl noch andere waßerdichte Locale finden, wo sie sich mit einander unterhalten können.
Hier bei uns regnet es seit mehreren Tagen sehr ergiebig und seit gestern so ruhig und ausdauernd, als ob es gar nicht wieder anderes Sinnes werden wollte, so daß bereits sogar Diejenigen, die immer am tiefsten nach Regen geseufzt, anfangen, bedenkliche Reden zu führen, besonders, wenn sie grad Heu liegen haben, nämlich noch draußen auf der Wiese. Der Roggen, von dem es zuerst hieß, er habe sich zu stark gelegt, hat sich gemüthlich wieder aufgerichtet; die Gartengewächse fühlen sich augenscheinlich erquickt; und so darf man denn wohl annehmen, daß im Allgemeinen dieser Regen gut thut, und darum will auch ich damit zufrieden sein, obschon mir für meine Person Sonnenschein lieber wäre.
Leb wohl, lieber Erich! Schreib bald mal wieder. Mit herzlichem Gruß, auch an Luise,
dein getr. Freund
Wilhelm.
Meine Schwester und Frl. K. laßen sich dir empfehlen.