Der Philosoph

[317] Ein Philosoph von ernster Art,

Der sprach und strich sich seinen Bart:


Ich lache nie. Ich lieb es nicht,

Mein ehrenwertes Angesicht

Durch Zähnefletschen zu entstellen

Und närrisch wie ein Hund zu bellen;

Ich lieb es nicht durch ein Gemecker

Zu zeigen, daß ich Witzentdecker;

Ich brauche nicht durch Wertvergleichen

Mit andern mich herauszustreichen,

Um zu ermessen, was ich bin,

Denn dieses weiß ich ohnehin.


Das Lachen will ich überlassen

Den minder hochbegabten Klassen.[317]

Ist einer ohne Selbstvertraun

In Gegenwart von schönen Fraun,

So daß sie ihn als faden Gecken

Abfahren lassen oder necken,

Und fühlt er drob geheimen Groll

Und weiß nicht, was er sagen soll,

Dann schwebt mit Recht auf seinen Zügen

Ein unaussprechliches Vergnügen.


Und hat er Kursverlust erlitten,

Ist er moralisch ausgeglitten,

So gibt es Leute, die doch immer

Noch dümmer sind als er und schlimmer,

Und hat er etwa krumme Beine,

So gibt's noch krümmere als seine.

Er tröstet sich und lacht darüber

Und denkt: Da bin ich mir doch lieber.


Den Teufel laß ich aus dem Spiele.

Auch sonst noch lachen ihrer viele,

Besonders jene ewig Heitern,

Die unbewußt den Mund erweitern,

Die, sozusagen, auserkoren

Zum Lachen bis an beide Ohren.


Sie freuen sich mit Weib und Kind

Schon bloß, weil sie vorhanden sind.


Ich dahingegen, der ich sitze

Auf der Betrachtung höchster Spitze,

Weit über allem Was und Wie,

Ich bin für mich und lache nie.

Quelle:
Wilhelm Busch: Sämtliche Werke, Herausgegeben v. Otto Nöldeke, Band 6, München 1943, S. 317-318.
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