[71] Sigismund, Diener, Clarin, Clotald.
Musik und Gesang.
Sigismund, in sichtbarem Erstaunen, von Dienern umgeben, die ihm Kleidungsstücke reichen.
SIGISMUND.
Was, o Himmel, muß ich schauen?
Himmel, was muß ich entdecken?
Ich bestaun's mit wenig Schrecken,
doch nur zweifelnd kann ich trauen.
Ich, in reichgeschmückten Zimmern,
wo Brokat und Seide prangen?
Ich, von Dienern rings umfangen,
die so stolz und herrlich schimmern?
Ich, auf einem Bett erwacht
von so fürstlichem Gepränge?
Ich, bedient von solcher Menge,
die mich schmückt mit solcher Pracht?
Traum dies nennen, wäre Täuschung,
denn mein Wachen ist mir kund.
Bin ich denn nicht Sigismund?
Gib, o Himmel, mir Enttäuschung!
Sage mir, indes die blinde
Nacht des Schlummers mich umschwebte,
welches Wunder ich erlebte,
daß ich nun mich hier befinde?
Doch wozu kann Grübeln frommen?[72]
Kann ich auch das Wie nicht fassen,
mich bedienen will ich lassen,
und was kommen will, mag kommen.
ERSTER DIENER zum zweiten Diener und zu Clarin.
Wie er nur so grämeln kann!
ZWEITER DIENER.
Wer denn würd's, der solche Sachen
hätt' erlebt, nicht auch so machen?
CLARIN beiseite.
Ich.
ZWEITER DIENER zum ersten.
Geh hin und red ihn an.
ERSTER DIENER zu Sigismund.
Soll man weiter singen?
SIGISMUND.
Nein,
laßt das Singen unterbleiben.
ZWEITER DIENER.
Dir die Grillen nur vertreiben,
dich erheitern wollt ich.[73]
SIGISMUND.
Kein
solcher weichlicher Gesang
kann Erheitrung mir verschaffen;
Kriegsmusik, Geklirr der Waffen,
das nur ist mir froher Klang.
CLOTALD sich Sigismund nähernd.
Reiche deine Herrlichkeit
mir zum Kuß die hohe Rechte,
als dem ersten deiner Knechte,
welcher Huldigung dir weiht.
SIGISMUND beiseite.
Wie? Clotald, der mich zuvor
dort im Turm so hart behandelt,
ganz in Ehrfurcht umgewandelt?
Himmel, was geht mit mir vor?
CLOTALD.
Glaublich ist's, daß deine Seele,
durch die plötzliche Vertauschung
deines Zustands in Berauschung,
sich mit tausend Zweifeln quäle;
darum, wenn es möglich ist,
will ich alle nun vernichten
und zuvörderst dir berichten,
daß du Polens Erbe bist.
Blieb bis diesen Augenblick[74]
in Verborgenheit dein Leben,
so geschah's, um nachzugeben
dem ungütigen Geschick,
welches fürchterliche Dinge
diesem Reiche prophezeit,
wenn der Krone Herrlichkeit
deine hohe Stirn umfinge.
Hoffend nun, daß dir erliegen
werde der Gestirne Wut
(denn des Mannes festem Mut
glückt es wohl, sie zu besiegen),
hat man in der stillen Nacht
aus dem Turme, wo du lebtest,
während du im Schlummer schwebtest,
dich in den Palast gebracht.
Bald wird vor dein Angesicht
der Monarch, dein Vater, eilen
und dir weitre Kund erteilen.
SIGISMUND.
Ha, Verräter, Bösewicht!
Was bedarf ich weitre Kunde,
da mir kund ist, wer ich bin?
Zeigen will ich meinen Sinn,
meine Macht, noch diese Stunde.
Gegen deines Vaterlandes
Wohlfahrt hast du so gefehlt,
daß du mich mir selbst verhehlt,
widerrechtlich dieses Standes
mich beraubend?[76]
CLOTALD.
Weh mir Armen!
SIGISMUND.
Das Gesetz hast du betrogen,
deinen König frech belogen,
mich mißhandelt ohn Erbarmen;
König und Gesetz und Ich
haben drum für solch Verderben,
hier durch meine Hand zu sterben
dich verdammt.
Er will ihn anfallen.
ZWEITER DIENER ihn abhaltend.
Herr!
SIGISMUND.
Hindre mich
keiner, sag ich; nie gelingen
wird's euch, und, so wahr Gott lebt,
jeder, der mir widerstrebt,
soll aus diesem Fenster springen.
ZWEITER DIENER.
Flieh, Clotald!
CLOTALD.
O wehe dir,
daß du so vor Hochmut schäumest,
und erkennst nicht, daß du träumest!
Ab.[77]
ZWEITER DIENER zu Sigismund.
Überlege ...
SIGISMUND.
Fort von hier!
ZWEITER DIENER.
Seinem König fügt er sich.
SIGISMUND.
Sprach der König wider Recht,
tat er, sich zu fügen, schlecht;
und sein Herr und Fürst war Ich.
ZWEITER DIENER.
Ob er wohl, ob übel tat,
darauf ziemt ihm nicht zu sehen.
SIGISMUND.
Übel scheint's mit euch zu stehen,
daß ihr euch so frech mir naht.
CLARIN sich nähernd.
Trefflich redet unser Herr,
und sehr übel handelt ihr.
ZWEITER DIENER.
Wer gab diese Freiheit dir?[79]
CLARIN.
Nun, ich nahm sie eben.
SIGISMUND.
Wer
bist du? Sprich!
CLARIN.
Ein Naseweis,
und das Haupt von diesen Gecken;
solch ein Hans-in-allen-Ecken,
wie die Welt sonst keinen weiß.
SIGISMUND.
Du allein gefällst von allen
mir, die ich bis jetzt gefunden.
CLARIN.
Herr, an allen Sigismunden
hab auch ich ein groß Gefallen.
Ausgewählte Ausgaben von
Das Leben ein Traum
|
Buchempfehlung
Beate Heinold lebt seit dem Tode ihres Mannes allein mit ihrem Sohn Hugo in einer Villa am See und versucht, ihn vor möglichen erotischen Abenteuern abzuschirmen. Indes gibt sie selbst dem Werben des jungen Fritz, einem Schulfreund von Hugo, nach und verliert sich zwischen erotischen Wunschvorstellungen, Schuld- und Schamgefühlen.
64 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro