König, Sigismund, Clarin, Diener.
BASILIUS.
Was gibt's hier?
SIGISMUND.
Nichts oder wenig;
einen, der mir allzusehr
lästig war, warf ich ins Meer.
CLARIN zu Sigismund.
Merke wohl, dies ist der König.
BASILIUS.
Kaum gelöst von deiner Kette,
wardst du schon zum Mörder hier?
SIGISMUND.
Ei, er wettete mit mir,
aber ich gewann die Wette.
BASILIUS.
Da ich mit der Hoffnung kam,
Prinz, es werde dir gelingen,
Stern und Schicksal zu bezwingen,
füllt mich nun mit bitterm Gram[88]
dieses wilde, rohe Wesen,
und daß gleich die erste Tat
auf dem kaum betretnen Pfad
ein so schwerer Mord gewesen.
Kann ich nun noch mit Verlangen
dich umarmen, treu und warm,
da ich weiß, daß schon dein Arm
Unterricht von dir empfangen,
wie man tötet? Wer kann schauen,
furchtlos, einen Dolch, der eben
blut'ge Wunden hat gegeben?
Wer betritt wohl ohne Grauen
eine Stätte, wo die Spur
frischen Mords in blut'gen Zeichen
noch sich weist? Denn ihr zu weichen
zwingt den Stärksten die Natur.
So, da ich in deinen Armen
Todeswerkzeug seh, und dort
jenen blutbefleckten Ort,
graut es mir, dich zu umarmen;
und den Wunsch, dich mit den Netzen
meiner Liebe zu umschlingen,
wag ich nun nicht zu vollbringen,
denn dein Arm macht mir Entsetzen.
SIGISMUND.
Missen kann ich die Umarmung,
wie ich sie gemißt bisher;
denn ein Vater, der so sehr
sich entäußert der Erbarmung,[89]
daß sein Herz, in Stein verwandelt,
mich von seiner Seite reißt,
mich als Tier erziehen heißt,
mich als Ungeheur behandelt
und zum Tode mich bestimmt,
mag nur die Umarmung weigern;
wenig kann's mein Elend steigern,
da er mir die Menschheit nimmt.
BASILIUS.
Wär ich doch, um meinem Sohn
sie zu geben, nicht gekommen;[90]
daß ich nicht gesehn, vernommen,
seine Frechheit, seinen Hohn!
SIGISMUND.
Nie hätt ich mir Klag erlaubt,
wenn du sie mir nicht gegeben.
Doch du gabst sie; deshalb eben
klag ich, daß du sie geraubt.
Denn obwohl das Leben kann
für die schönste Handlung gelten,
ist es um so mehr zu schelten,
geben erst und nehmen dann.
BASILIUS.
Solchen Dank muß ich empfangen,
daß du, der Gefangner war,
dich als Fürsten siehst!
SIGISMUND.
Fürwahr?
Dafür kannst du Dank verlangen?
Alt und kraftlos, wie du bist,
du tyrannischer Despot,
gibst du mir durch deinen Tod
mehr wohl, als was mein schon ist?
Vater bist du mir und König;
drum wird diese Größ und Pracht,
durch Gesetz und freie Macht
der Natur, mir untertänig.
Drum, obwohl nun anerkannt,[91]
brauch ich Dank dir nicht zu zollen;
ja, ich könnte Rechnung wollen
für die Zeit, da du entwandt
Freiheit mir und Ehr und Leben.
Und so, rat ich, danke mir,
will ich dennoch nichts von dir;
denn mein Schuldner bist du eben.
BASILIUS.
Ha, verwegnes, wildes Rasen!
Wahrhaft zeigt der Himmel sich;
auf ihn selbst beruf ich mich,
Tor, von Hochmut aufgeblasen!
Und obwohl du nun dich kennest
und der Täuschung Macht entgehst,
und obwohl du da nun stehst,
wo du dich den ersten nennest,
doch gib meiner Warnung Raum:
Sei der Demut nun beflissen;
denn vielleicht, trotz deinem Wissen,
daß du wachst, ist dies ein Traum.
Ab.
SIGISMUND.
Was ich sah mit wachem Sinn,
wäre nur ein Traumgewühle?
Nein, kein Traum! Ich weiß, ich fühle,
was ich war und was ich bin.
Fühlst du Reue jetzt und Scham,
ist's für dich nur um so schlimmer;[92]
denn ich kenne mich, und nimmer,
trotz dem Seufzen, trotz dem Gram,
raubst du mir's, daß ich geboren,
Erbe dieses Throns zu sein;
und sahst du mich schwach und klein
hinter jenes Kerkers Toren,
war ich damals selber mir
fremd in meinem dumpfen Sinn;
doch nun weiß ich, was ich bin:
Ein Gemisch von Mensch und Tier.
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Das Leben ein Traum
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