3. Szene.

[141] Sigismund, Clarin, Soldaten.


SIGISMUND.

Wer hier nannte Sigismund?

CLARIN beiseite.

Weh, mein Reich ist schon zu Ende.

ERSTER SOLDAT.

Wer ist Sigismund?

SIGISMUND.

Ich bin's.

ZWEITER SOLDAT zu Clarin.

Wie? Du frecher Narr begehrtest,

dich zum Sigismund zu machen?

CLARIN.

Ich, zum Sigismund? Wohl schwerlich!

Denn ihr selber habt mich ja

sigismundisiert; deswegen

seid ihr eben ganz allein

hier die Narren und die Frechen.[142]

ERSTER SOLDAT.

Sigismund, erhabner Fürst!

Diese Fahnen, die hier wehen,

sind die deinen; unsre Treue

ruft dich aus zu unserm Herrscher.

Fürst Basilius, dein Vater,

welcher sorgt, der Himmel werde

jene Weissagung erfüllen,

daß er einst, besiegt, sich sehen

soll zu deinen Füßen, trachtet,

Recht und Anspruch dir zu nehmen

und Astolfen sie, dem Herzog

Moskaus, zu verleihn; deswegen

rief er seinen Hof. Das Volk,

ahnend, wissend schon, es lebe

ihm ein angestammter König,

will nicht dulden, daß ein Fremder

ihm gebieten mag; und so,

mit großherzigem Verschmähen

jener harten Schicksalsdrohung,

sucht es hier dich, wo du lebest

in der Haft, daß du mit Hülfe

seines Arms hervor nun tretest

aus dem Turm und dir erstattest

deines Reiches Kron und Zepter,

sie entreißend dem Tyrannen.

Tritt hervor! Zahllose Heere

von Verbannten und Gemeinen,

hier in Wüsten sich gesellend,[143]

rufen dich; dein harrt die Freiheit.

Horch, wie sie die Stimm erheben!

STIMMEN außerhalb.

Lebe, Sigismund! Leb hoch!

SIGISMUND.

Noch einmal (ihr Himmelsmächte,

was ist dies?) soll ich von Hoheit

träumen, so die Zeit entwendet?

Noch einmal soll ich, von Schatten

und Phantomen rings umgeben,

alle Majestät und Größe

sehn vom Windeshauch verwehet?

Noch einmal soll ich Enttäuschung,

soll ich die Gefahr bestehen,

der schon die Geburt uns Arme

hingibt, die wir scheun im Leben?

Nein, es soll nicht, soll nicht sein!

Seht mich nochmals untertänig

dem Geschick; und da ich weiß,

nur ein Traum sei alles Leben,

so entflieht, ihr hohlen Schatten,

die ihr meinen Dumpfsinn äffet

mit Gestalt und Stimm, obwohl

euch Gestalt und Stimme fehlen.

Ich will nicht erlogne Hoheit;

kein phantastisches Gepränge

will ich, keine leere Täuschung,[144]

die der Lüfte leises Wehen

wieder auflöst in ihr Nichts;

wie's dem Mandelbaum ergehet,

welcher, ohne Rat und Warnung,

sich zu früh mit Blüten decket,

die beim ersten Hauch verschwinden

und, verwelkend und ersterbend,

seinen rosenfarbnen Locken

Schönheit, Glanz und Zierde nehmen.

Oh, ich kenn, ich kenn euch schon!

Und ich weiß ja, euch begegnet

Gleiches nur wie jedem Träumer.

Mich kann nichts Erlognes blenden;

denn der Täuschung längst entflohn,

weiß ich, Traum ist alles Leben.

ZWEITER SOLDAT.

Wenn du glaubst, daß wir dich täuschen,

wend auf jene stolzen Berge

nur dein Aug und sieh die Scharen,

die nach deinem Blick sich sehnen,

um dir zu gehorchen.

SIGISMUND.

Schon

einmal sah ich ganz dasselbe,

grade so bestimmt und deutlich,

als ich eben jetzt es sehe;

und doch träumt ich.[145]

ZWEITER SOLDAT.

Große Dinge

künden immer, großer Herrscher,

sich durch Ahnung an; und diese

war's, wenn du's im Traum gesehen.

SIGISMUND.

Du sagst recht, wohl war es Ahnung;

und wenn's Wahrheit auch gewesen,

ist das Leben doch so kurz!

Laß uns träumen, träumen, Seele,

noch einmal! Doch mit Bedacht

und mit Vorsicht soll's geschehen;

denn man wird uns vom Genuß

einst zur besten Zeit erwecken.

Wer sich weislich auf Enttäuschung

vorbereitet, fühlt sie wen'ger;

denn zuvor dem Übel kommen,

heißet mit dem Übel scherzen.

Und nun, dies vorausgesetzt,

daß, auch wenn sie wirklich wäre,

alle Macht, als bloß verliehen,

wiederkehrt zu ihrem Lehnsherrn,

laßt uns alles kühnlich wagen! –

Dank, Vasallen, daß ihr's redlich

mit mir meint. Ihr habt an mir

den, der klug und keck euch rettet

von der fremden Sklaverei.

Rührt die Trommeln! Schleunig sehen

sollt ihr meinen Heldenmut.[147]

Meinen Vater zu bekämpfen,

ist mein Will, und kundzutun,

daß der Himmel wahr geredet;

liegen muß er mir zu Füßen.


Für sich.


Aber wie? Erwacht ich eher,

wär's nicht besser, davon schweigen,

falls ich's nicht vollführen werde?

ALLE.

Lebe, Sigismund, leb hoch!


Quelle:
Calderon de la Barca, Pedro: Das Leben ein Traum. Leipzig 1964, S. 141-148.
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La vida es sueño /Das Leben ist Traum: Spanisch/Deutsch

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