[141] Sigismund, Clarin, Soldaten.
SIGISMUND.
Wer hier nannte Sigismund?
CLARIN beiseite.
Weh, mein Reich ist schon zu Ende.
ERSTER SOLDAT.
Wer ist Sigismund?
SIGISMUND.
Ich bin's.
ZWEITER SOLDAT zu Clarin.
Wie? Du frecher Narr begehrtest,
dich zum Sigismund zu machen?
CLARIN.
Ich, zum Sigismund? Wohl schwerlich!
Denn ihr selber habt mich ja
sigismundisiert; deswegen
seid ihr eben ganz allein
hier die Narren und die Frechen.[142]
ERSTER SOLDAT.
Sigismund, erhabner Fürst!
Diese Fahnen, die hier wehen,
sind die deinen; unsre Treue
ruft dich aus zu unserm Herrscher.
Fürst Basilius, dein Vater,
welcher sorgt, der Himmel werde
jene Weissagung erfüllen,
daß er einst, besiegt, sich sehen
soll zu deinen Füßen, trachtet,
Recht und Anspruch dir zu nehmen
und Astolfen sie, dem Herzog
Moskaus, zu verleihn; deswegen
rief er seinen Hof. Das Volk,
ahnend, wissend schon, es lebe
ihm ein angestammter König,
will nicht dulden, daß ein Fremder
ihm gebieten mag; und so,
mit großherzigem Verschmähen
jener harten Schicksalsdrohung,
sucht es hier dich, wo du lebest
in der Haft, daß du mit Hülfe
seines Arms hervor nun tretest
aus dem Turm und dir erstattest
deines Reiches Kron und Zepter,
sie entreißend dem Tyrannen.
Tritt hervor! Zahllose Heere
von Verbannten und Gemeinen,
hier in Wüsten sich gesellend,[143]
rufen dich; dein harrt die Freiheit.
Horch, wie sie die Stimm erheben!
STIMMEN außerhalb.
Lebe, Sigismund! Leb hoch!
SIGISMUND.
Noch einmal (ihr Himmelsmächte,
was ist dies?) soll ich von Hoheit
träumen, so die Zeit entwendet?
Noch einmal soll ich, von Schatten
und Phantomen rings umgeben,
alle Majestät und Größe
sehn vom Windeshauch verwehet?
Noch einmal soll ich Enttäuschung,
soll ich die Gefahr bestehen,
der schon die Geburt uns Arme
hingibt, die wir scheun im Leben?
Nein, es soll nicht, soll nicht sein!
Seht mich nochmals untertänig
dem Geschick; und da ich weiß,
nur ein Traum sei alles Leben,
so entflieht, ihr hohlen Schatten,
die ihr meinen Dumpfsinn äffet
mit Gestalt und Stimm, obwohl
euch Gestalt und Stimme fehlen.
Ich will nicht erlogne Hoheit;
kein phantastisches Gepränge
will ich, keine leere Täuschung,[144]
die der Lüfte leises Wehen
wieder auflöst in ihr Nichts;
wie's dem Mandelbaum ergehet,
welcher, ohne Rat und Warnung,
sich zu früh mit Blüten decket,
die beim ersten Hauch verschwinden
und, verwelkend und ersterbend,
seinen rosenfarbnen Locken
Schönheit, Glanz und Zierde nehmen.
Oh, ich kenn, ich kenn euch schon!
Und ich weiß ja, euch begegnet
Gleiches nur wie jedem Träumer.
Mich kann nichts Erlognes blenden;
denn der Täuschung längst entflohn,
weiß ich, Traum ist alles Leben.
ZWEITER SOLDAT.
Wenn du glaubst, daß wir dich täuschen,
wend auf jene stolzen Berge
nur dein Aug und sieh die Scharen,
die nach deinem Blick sich sehnen,
um dir zu gehorchen.
SIGISMUND.
Schon
einmal sah ich ganz dasselbe,
grade so bestimmt und deutlich,
als ich eben jetzt es sehe;
und doch träumt ich.[145]
ZWEITER SOLDAT.
Große Dinge
künden immer, großer Herrscher,
sich durch Ahnung an; und diese
war's, wenn du's im Traum gesehen.
SIGISMUND.
Du sagst recht, wohl war es Ahnung;
und wenn's Wahrheit auch gewesen,
ist das Leben doch so kurz!
Laß uns träumen, träumen, Seele,
noch einmal! Doch mit Bedacht
und mit Vorsicht soll's geschehen;
denn man wird uns vom Genuß
einst zur besten Zeit erwecken.
Wer sich weislich auf Enttäuschung
vorbereitet, fühlt sie wen'ger;
denn zuvor dem Übel kommen,
heißet mit dem Übel scherzen.
Und nun, dies vorausgesetzt,
daß, auch wenn sie wirklich wäre,
alle Macht, als bloß verliehen,
wiederkehrt zu ihrem Lehnsherrn,
laßt uns alles kühnlich wagen! –
Dank, Vasallen, daß ihr's redlich
mit mir meint. Ihr habt an mir
den, der klug und keck euch rettet
von der fremden Sklaverei.
Rührt die Trommeln! Schleunig sehen
sollt ihr meinen Heldenmut.[147]
Meinen Vater zu bekämpfen,
ist mein Will, und kundzutun,
daß der Himmel wahr geredet;
liegen muß er mir zu Füßen.
Für sich.
Aber wie? Erwacht ich eher,
wär's nicht besser, davon schweigen,
falls ich's nicht vollführen werde?
ALLE.
Lebe, Sigismund, leb hoch!
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