[156] Rosaura, Clotald.
ROSAURA Clotald zurückhaltend.
Rufet gleich zu Kampf und Sieg
dich dein Mut mit edelm Grimme,
dennoch höre meine Stimme;
denn auch hier ist alles Krieg.
Wohl ist dir es nicht verborgen,
daß ich elend, arm, voll Gram,
ohne Schutz nach Polen kam;
doch du wolltest für mich sorgen,
und mir riet dein mildes Herz,
daß ich, fremde Kleidung wählend,
im Palaste mich verhehlend,
bergen sollte Lieb und Schmerz
und Astolfen fliehn. Indessen
ward er mich gewahr; und doch
spricht er diesen Abend noch
mit Estrella, ehrvergessen,[156]
dort im Park. Nun siehe, mein
ist der Schlüssel zu dem Garten;
dort nun kannst du seiner warten,
um zu enden meine Pein.
Dort, durch Kühnheit, Kraft und Mut,
kannst du mir die Ehr erneuen;
denn ich weiß, du wirst nicht scheuen
mich zu rächen durch sein Blut.
CLOTALD.
Es ist wahr, ich muß es sagen,
seit ich dich zuerst gesehn,
fühlt ich mir den Trieb entstehn
(Zeugen sind ja deine Klagen),
alles gern für dich zu tun.
Erst sucht ich dich zu bewegen,
jene Kleidung abzulegen,
daß, säh auch Astolf dich nun,
er dich säh in deiner Tracht,
und so töricht kühnes Walten
nicht für Leichtsinn möchte halten,
der die Ehr unheilbar macht.
Dann bedacht ich einen Plan
zur Erstattung deiner Ehre,
die du eingebüßt, und wäre
(so viel lag mir selbst daran)
auch der Preis Astolfens Leben.
Aberwitz'ge Zuversicht!
Doch er ist mein König nicht,
und so darf ich nicht erbeben.[158]
Töten wollt ich ihn fürwahr;
doch als Sigismund entbrannte,
mich zu töten, da verwandte,
trotz der eigenen Gefahr,
seine Neigung mir bezeigend,
er für mich den höchsten Mut,
in verwegner Zornesglut
alle Kühnheit übersteigend.
Sollt ich nun dem Dankgebot
meines Herzens widerstreben?
Dem, der mir einst gab das Leben,
geben sollt ich dem den Tod?
Und so, da ich Lieb und Bangen
gleich verteilt euch beiden habe,
weil ich dir verliehn die Gabe,
die ich selbst von ihm empfangen:
weiß ich nicht, wem meine Hand
Hülf und Beistand solle weihn,
wenn ich dir mich durch Verleihn,
durch Empfangen ihm verband.
Und so, wie sich's auch entscheidet,
bleibt mein Kummer unverwandelt;
denn ich bin es, welcher handelt,
und ich bin es, welcher leidet.
ROSAURA.
Keinem ist es je entgangen,
daß, wie einen Mann von Wert
immerdar das Geben ehrt,
so ihn schändet das Empfangen.[159]
Denkst du hierin gleich mit mir,
bist du nicht zum Dank verbunden;
denn hast du an ihm gefunden
den, der einst das Leben dir,
wie du mir es gabst: so hat
er gezwungen deinen Adel
nur zu einer Tat voll Tadel,
ich zu einer edeln Tat.
Folglich hat er dich gekränkt,
wie ich dich verpflichtet habe;
gabst du nämlich mir die Gabe,
die du nahmst von ihm geschenkt.
Und so darf ich kühn verlangen
Ehrenschutz von deinem Mut;
denn ich geh ihm vor, so gut
wie das Geben dem Empfangen.
CLOTALD.
Kann der Geber auch allein
Adel der Gesinnung hegen,
so muß Dankbarkeit dagegen
des Empfängers Tugend sein.
Längst schon ward zum Eigentum,
weil ich wohl zu geben weiß,
mir des Edelmutes Preis:
Laß mir auch des Dankes Ruhm,
da ich jetzt ihn kann erlangen,
wenn ich Dankbarkeit so gut
üben werd als Edelmut;
denn wie geben ehrt empfangen.[160]
ROSAURA.
Leben hast du mir gewährt;
aber als ich es bekommen,
hab ich von dir selbst vernommen,
Leben, das ein Schimpf entehrt,
sei kein Leben, drum ist klar,
daß ich nichts empfangen habe,
weil das Leben, jene Gabe
deiner Hand, kein Leben war.
Und wenn eher nun zu geben
als zu danken dir gebührt,
wie du selber angeführt,
wohl, so gib mir jetzt das Leben,
denn noch gabst du mir es nicht;
und weil Geben höher adelt,
gib zuerst, und ungetadelt
üb hernach des Dankes Pflicht.
CLOTALD.
Wohl denn! Überzeugt von dir,
üb ich erst den Edelmut:
Haben sollst du all mein Gut;
doch, Rosaura, folge mir,
geh ins Kloster; du ersinnst
für dein Wohl nichts so entscheidend,
weil du, ein Verbrechen meidend,
einen Zufluchtsort gewinnst.
Denn da dieses Reich im schweren
Sturm der Zwietracht scheint verloren,
darf, als Edelmann geboren,[161]
ich das Unheil nicht vermehren.
Aber wenn ich so geholfen,
handl ich an dem Reiche gut,
gegen dich mit Edelmut,
sowie dankbar an Astolfen.
Drum, zu deiner eignen Ehre,
wähle nach Vernunft und Pflicht;
denn, bei Gott, mehr tät ich nicht,
wenn ich auch dein Vater wäre.
ROSAURA.
Wärest du mein Vater, dann
würd ich diesen Schimpf verzeihn;
aber da du's nicht bist – nein!
CLOTALD.
Und was willst du tun? Sag an!
ROSAURA.
Ihn ermorden.
CLOTALD.
Wie? Und wäre
so von Mut ein Weib entbrannt,
das den Vater nicht gekannt?
ROSAURA.
Ja.
CLOTALD.
Was treibt dich an?[162]
ROSAURA.
Die Ehre.
CLOTALD.
In Astolfen mußt du sehn ...
ROSAURA.
Nie soll meine Rach ermatten!
CLOTALD.
Deinen Herrn, Estrellas Gatten.
ROSAURA.
Ha, bei Gott! Nie soll's geschehn.
CLOTALD.
Raserei!
ROSAURA.
Ich seh es ein.
CLOTALD.
Dämpfe sie.
ROSAURA.
Wie sollt' ich's können?
CLOTALD.
Du verlierst ...
ROSAURA.
Ich will's vergönnen.[163]
CLOTALD.
Ehr und Leben.
ROSAURA.
Mag es sein!
CLOTALD.
Und dein Ziel?
ROSAURA.
Zu sterben.
CLOTALD.
Glut
der Verzweiflung!
ROSAURA.
Ehrenpflicht.
CLOTALD.
Unverstand!
ROSAURA.
Nein, Zuversicht.
CLOTALD.
Tollheit ist es.
ROSAURA.
Rache, Wut.[164]
CLOTALD.
Gibt's auf Erden denn nicht eines,
diesen Sturm zu bänd'gen? Sprich!
ROSAURA.
Nein.
CLOTALD.
Wer wird dir beistehn?
ROSAURA.
Ich.
CLOTALD.
Und kein Mittel weiter?
ROSAURA.
Keines.
CLOTALD.
Denk, ob nicht ein andrer Schritt ...
ROSAURA.
Jeder Schritt führt ins Verderben.
Ab.
CLOTALD.
Wohl, so will ich mit dir sterben;
warte, Tochter, nimm mich mit.
Ab.[165]
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