Der Keim von Sire Thopas.

[224] Vers 6322–6526.


Ihr Herren, hört mich gütigst an,

Denn melden will ich verament,

Euch einen lust'gen Spaß.

Von einem braven Rittersmann,

Der manchen Streit und Strauß gewann,

Mit Namen Sire Thopas.


Zur Welt kam er am fernen Strand

Jenseits des Meers im Flanderland,

Die Stadt hieß Popering.

Es war ein Mann von freiem Stand

Sein Vater, der aus Gottes Hand

Die Herrschaft dort empfing.


Sire Thopas war ein tapfrer Wicht,

Wie Franzbrod weiß war sein Gesicht,

Und scharlachroth sein Blut;

Und rosig war – ich lüge nicht –

Sein Mund, und war die Nase schlicht,

So stand sie ihm doch gut.


Von Corduan sein Schuhwerk war

Und saffrangelb hing Bart und Haar[225]

Bis auf den Gurt ihm kraus.

Aus Brügge kam sein Hosenpaar,

Für seinen Goldrock gab er baar

Viel Genueser aus.


Das wilde Reh zu jagen, strich

Und auf der Falkenbeize schlich

Er überall umher.

Als Bogenschütz ihm keiner glich,

Bei jedem Ringkampf, sicherlich,

Gewann den Hammel er.


Nach ihm hat manche schöne Maid,

Anstatt zu schlafen, voller Leid

Aus par amour gegirrt.

Doch glich an süßer Züchtigkeit

Dem Blümchen er, das mit der Zeit

Zur Hagebutte wird.


Erzählen will ich Euch nunmehr,

Wie eines Tags von ungefähr

Sire Thopas stieg zu Pferd.

Auf seinem grauen Hengst ritt er,

Und trug in seiner Hand den Speer

Und in dem Gurt das Schwert.


So ritt durch einen Wald er fort

– Viel wilde Thiere gab es dort,

Ja, Hasen gab's und Reh' –.

Er ritt nach Ost, er ritt nach Nord

Und ihm passirte – auf mein Wort! –

Beinah' ein großes Weh.[226]


Dort wuchsen Kräuter groß und klein

Bei Baldrian und Nägelein

Und Süßholz und Muskat,

Von dem die Nuß ins Bier hinein

– Mag's frisch, mag's abgestanden sein –

Ich Euch zu werfen rath'.


Dort tönte lust'ger Vögel Sang;

Es pfiff den ganzen Tag entlang

Der Specht, sowie der Fink,

Die Melodie der Drossel klang,

Von Ast zu Ast sich gurrend schwang

Die Turteltaube flink.


Und als der Drossel Lied erscholl

Ward windelweich und liebevoll

Es Sire Thopas zu Muth.

Er stachelte sein Roß wie toll,

Und von den Flanken rieselnd quoll

Dem Gaule Schweiß und Blut.


Doch müde ward Sire Thopas bald,

Zu reiten durch den grünen Wald

Mit solchem Ungestüm.

An einem Platze macht' er Halt,

Und als sein Roß er angeschnallt,

Gab er auch Futter ihm.


»Heil'ge Maria, ach, erbarm'

Dich meiner in dem Liebesharm,

Der mich bedrängt so schwer.

Ich träumte Nachts, ich hielte warm

Die Elfenkönigin im Arm,

Und daß mein Schatz sie wär'.«[227]


»Es ist die Elfenkönigin,

Der ich in Lieb' ergeben bin.

Auf keine andre lenk' ich hin – die Wahl,

Kein Weib im Land begehrt mein Sinn,

Nur nach der Elfenkönigin

Durchreit' ich Berg und Thal.«


Dann stieg zu Roß und jagte keck

Er wieder durch Morast und Dreck,

Und suchte zu erspähn

Der Elfenkönigin Versteck,

Und kam nach langem Ritt zum Zweck

Und fand das Land der Fee'n.


Dort war er nun nach Nord und Süd

Mit seinem Mund zu spähn bemüht

In manchen wilden Wald.

Doch Keinen fand er; denn es mied

So Weib wie Kind in dem Gebiet

Aus Furcht den Aufenthalt.


Bis er vor einem Riesen stand;

Es nannte sich Sire Olephant,

Der Wütherich und sprach:

»Räumst Du mein Reich nicht, junger Fant,

Ist's um Dein Roß – bei Termagant! –

Durch einen Keulenschlag – geschehn;

Bei Harfenspiel und Symphonie

Und Pfeifenklängen wohnt allhie

Die Königin der Feen.«


Sire Thopas sprach: »Mit Schild und Wehr

Komm' morgen früh ich wieder her

Zum Kampfe, meiner Treu'![228]

Und, par ma foi, ich hoffe sehr

Du fühlst durch meinen lust'gen Speer

Noch bitterliche Reu. – Den Bauch

Durchstech' ich Dir, wenn mir's gelingt,

Und mache Dich, eh' Abend sinkt,

Zu meinem Sclaven auch.«


Sire Thopas eilte rasch zurück.

Ihm schleuderte manch Felsenstück

Der Riese hinterdrein.

Sire Thopas aber mied mit Glück,

Durch Gottes Huld und sein Geschick,

Vorsichtig jeden Stein.


Doch hört, Ihr Herr'n, denn mehr ergötzt

Als Nachtigallensang Euch jetzt

Ganz sicherlich mein Reim.

Sire Thopas spornt den Gaul und hetzt

Durch Berg und Thal, bis er zuletzt

Gelangte wieder heim.


Die Sänger rief er dann herbei,

Damit er aufgeheitert sei,

Bekämpf' er im Turnier

Den Riesen mit den Köpfen drei

Aus par amour und nebenbei

Der Dame zum Pläsir.


»Ihr Sänger,« – sprach er – »seid bereit

Und singt, zu kürzen mir die Zeit,

Umgürt' ich mich mit Stahl,

Romanzen voller Liebesleid

Und Lieder voller Herrlichkeit

Von Papst und Cardinal.«[229]


Die Becher trugen sie hinein,

Sie holten Meth, sie brachten Wein

Und Backwerk allerhand,

Wie Honigbrod voll Spezerei'n,

Süßholz und Kümmel und sehr fein

Gestoßnen Zuckerkand.


Er kleidete mit eigner Hand

Den Leib in feinste Leinewand,

Und Arm und Beine steckt'

In Wamms und Hosen er und band

Den Harnisch über sein Gewand,

Damit die Brust gedeckt.


Ein Panzerhemd er drüber that,

Das aus dem stärksten Eisendraht

Von Judenhand gemacht.

Zum Schmucke zog er fernerweit

Ein lilienweißes Wappenkleid

Darüber für die Schlacht.


Im Schilde, das wie Gold so roth,

Mit Augen von Karfunkeln droht

Ein Eberkopf voll Groll.

Er schwur bei Bier, er schwur bei Brod,

Den Riesen schlüg' er sicher todt,

Es komme, was da woll'!


Es war gemacht sein Stiefelpaar

Aus cuirbouly, aus Messing war

Sein Helm; aus Elfenbein

Des Schwertes Scheide, und fürwahr

Sein Fischbein-Sattel glänzte klar,

Wie Mond und Sonnenschein.[230]


Sein Speer, ganz haarscharf zugespitzt

Und aus Cypressenholz geschnitzt,

Statt Frieden Krieg versprach.

Sein Roß war apfelgrau und ging

Auf seinem Wege sanft und flink

Im Trabe wohlgemach – einher.

Und hiermit schließt mein erster Sang,

Doch dünkt's Euch Herren nicht zu lang,

Erzähl' ich Euch noch mehr.


Par charité! nicht länger plauscht,

Ihr Herr'n und Damen, hört und lauscht

Jetzt sämmtlich auf mein Wort.

Von Schlachten und von Rittersinn,

Von Galant'rie und Weiberminn'

Bericht' ich Euch sofort.


Sprecht von Romanzen Ihr, gewiß

Erwähnt Ihr Hornchild, Ipotis,

Sire Libeux, Pleindamour,

Sire Guy, Sire Bevis; doch die Blum',

Der Stolz, die Zier vom Ritterthum,

Das ist Sire Thopas nur.


Er schwang sich auf sein gutes Roß

Und eilends er von hinnen schoß

Wie Funken aus dem Schlot.

Sein Helmschmuck war und Wappenknauf

Ein Thurm mit einer Lilie drauf.

– Beschütz' ihn Gott in Noth! –


Da er auf Abenteuer aus

Gezogen war, schlief statt im Haus[231]

Er stets im Mantel nur.

Sein Kopfpfühl war sein Helm. Sein Roß

Stand ihm zur Seite und genoß

Die Kräuter auf der Flur.


Er selbst trank Wasser aus dem Quell,

Wie einst der Ritter Percivell,

Der Ehrenmann, gethan;

Bis eines Tags – – –

Quelle:
Chaucer, Geoffrey: Canterbury-Erzählungen, in: Geoffrey Chaucers Werke, Straßburg 1886, Band 2, S. 224-232.
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