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[45] Vers 11655–11686.
»Weinen und Klagen, Gram und andre Sorgen
Hab' ich genug, am Abend wie am Morgen.«
– So sprach der Kaufmann. – »Doch in gleichem Falle
Sind, wie mir scheint, wir Ehemänner alle;
Zum Wenigsten mit mir ist's so bestellt.
Ich habe wohl das schlimmste Weib der Welt,
Das selbst den Teufel, hätt' er sie gefreit,
Zu zähmen wüßte; – dafür bürgt mein Eid! –
Was soll ich ihre Bosheit Euch genau
Beschreiben? – Seht! ein Unhold ist die Frau!
Jawohl, der Unterschied ist lang und breit
Von meines Weibes großer Grausamkeit
Und der Geduld Griseldis'. – Wär' ich ledig,
Man finge mich – sei mir der Herrgott gnädig! –
In dieser Schlinge nicht zum zweiten Mal.
Wir Ehemänner leben stets in Qual!
Versuch's, wer will; bald weiß er zur Genüge
– Beim heil'gen Thomas! – dies sei keine Lüge.
Denn für die Meisten gilt's; doch, Gott bewahre!
Ich sage nicht, daß Jeder es erfahre.[46]
Ja, lieber Gastwirth, an zwei Monden fehlt
– Pardi! – nur wenig, seit ich mich vermählt,
Doch dünkt mich, wer im Leben nie ein Weib
Gefreit hat, kann – durchbohrte man den Leib
Auch bis ans Herz ihm – von so vielem Wehe
Euch kaum erzählen, wie aus meiner Ehe
Ich von der Bosheit meines Weibes kann.«
»Nun,« – sprach der Wirth – »Gott schütz' Dich Handelsmann!
Ich bitte herzlich, da Du aus dem Grund
Die Sache kennst, gieb etwas davon kund.«
»Zu reden« – sprach er – »bin ich gern bereit;
Doch nicht von mir. Mich drückt zu schwer mein Leid!«
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Canterbury-Erzählungen
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