Die Erzählung des Kaufmanns.

[47] Vers 11687–12858.


Es war vor Zeiten im Lombardenland

Ein würd'ger Mann von ritterlichem Stand,

Der in Pavia, seinem Heimathsort,

Als wohlbehäb'ger Junggeselle dort

Seit sechzig Jahren lebte; doch noch immer

In Fleischeslust erpicht auf Frauenzimmer,

Gleich einem aberwitz'gen Weltkind, war.

Und als er überschritten sechzig Jahr,

Trieb ihn – war's Narrheit oder Frömmigkeit?

Ich kann's nicht sagen – noch zu jener Zeit

Gewalt'ge Lust, sich schließlich zu vermählen.

Doch welches Weib am besten sei zu wählen,

Darüber sann er Tag und Nacht und flehte

Zum lieben Gott beständig im Gebete,

Auch ihm zu kosten von dem Glück zu geben,

Das vorbehalten dem vereinten Leben

Der Ehegatten sei im heil'gen Stand,

Zu welchem Gott einst Mann und Weib verband.

»Kein andres Loos ist werth ein Hühnerbein!

Im Ehestand lebt man bequem und rein;[48]

Zum Paradies wird uns die Welt fortan.«

– So sprach der alte weise Rittersmann.


Und in der That, so wahr, wie Gott allein

Die Welt regiert, gar herrlich ist's, zu frei'n

Für einen Mann, und wird er alt und grau,

So ist sein höchster Erdenschatz die Frau.

Ein junges, frisches Weib sollt' er erwerben,

Mit ihr zu zeugen einen Sohn und Erben,

Und mit ihr froh und wohlgemuth zu sein,

Wenn Ach und Weh die Junggesellen schrei'n,

Falls Liebe, die so eitel ihnen dünkt

Und kindisch scheint, in Ungemach sie bringt.

Doch weise, wahrlich, ist es vorgeseh'n,

Daß led'ge Männer nicht der Pein entgeh'n.

Sie bau'n auf losem Grund und finden dann,

Daß man auf Sand nicht sicher bauen kann.

Sie leben wie die Thiere, wie die Vögel

In voller Freiheit, ohne jede Regel;

Doch wer ein Weib hat, führt im Gegentheil

Ein sittlich Leben voller Glück und Heil

In seiner Ehe segensvollen Jochen;

Wohl mag sein Herz vor Lust und Freude pochen!

Wer ist so schmuck, so wohlgefällig sonst,

So treu und sorgsam wie Dein Eh'gesponst?

Sie pflegt Dich in Gesundheit und in Leiden;

Sie will von Dir in Wohl und Weh' nicht scheiden,

Sie liebt Dich unermüdlich, dient Dir, steht

An Deinem Lager, wenn's zu Ende geht!


Zwar Schreiber sagen: dieses sei nicht wahr!

– Und Theophrast gehört zu ihrer Schaar –

Doch, was treibt ihn zu lügen, daß er spricht:[49]

Des Haushalts wegen nimm ein Weib Dir nicht.

Denn willst in Deiner Wirthschaft Du ersparen,

Hält eine Magd, die treu ist und erfahren,

Weit mehr zusammen, als Dein Weib es thut,

Die stets die Hälfte will von Deinem Gut;

Und bist Du krank, pflegt Dich – auf Seligkeit! –

Ein wahrer Freund und treuer Knecht noch weit

Besorglicher als sie, die manchen Tag

Nach Deinem Gut schon auf der Lauer lag. –

So schreibt der Mann und tausendfältig schlimmer.

– Nun, Gott verfluche sein Gebein auf immer! –

Laßt Euch durch solche Phrasen nicht bethören,

Und hört auf mich, statt Theophrast zu hören.


Ein Weib ist eine wahre Gottesgabe,

Denn jeder andre Hausrath, jede Habe,

Wie Renten, Möbeln, Weiden, Triften, Land,

Sind alles Gaben aus Fortunas Hand,

Die wie der Schatten an der Wand vergeh'n.

Doch unbesorgt! die Wahrheit zu gesteh'n:

Ein Weib bleibt Dir auf immer zugesellt

– Vielleicht selbst länger, als es Dir gefällt. –

Es ist ein hohes Sakrament die Ehe;

Wer unbeweibt ist, führt in Leid und Wehe

– Ich spreche hier nur von dem Laienstand –

Ein hülflos Leben voller Schimpf und Schand'.

Doch horcht wohl auf! Ich sag' es nicht umsonst:

Gott gab das Weib dem Manne zum Gesponst.

Denn als Er Adam schuf und darauf fand,

Wie nackten Leibes er ganz einsam stand,

Sprach Er in seiner Güte: Nun, wohlan,

Jetzt mach' ich die Gefährtin für den Mann

Nach seinem Bild! – und Eva kam zur Welt.[50]

Hieraus ersieht man, und hieraus erhellt:

Des Mannes Trost und Beistand ist sein Weib,

Sein Erdenparadies und Zeitvertreib;

Sie ist so wacker und so gottergeben,

Daß Mann und Weib in Eintracht sicher leben.

Ein Fleisch sind Beide. – Und in Lust und Schmerz

Hat – wie ich denke – auch ein Fleisch ein Herz!

Ein Weib? – Gegrüßt sei heilige Marie! –

Hat man ein Weib, läßt sich nicht denken, wie

Es möglich wäre, Trübsal zu erleiden.

Die Seligkeit und Eintracht zwischen Beiden

Zu schildern schwerlich einer Zunge glückt.

Sie hilft Dir schaffen, wenn Dich Armuth drückt,

Sie hütet, doch verschwendet nicht, Dein Gut

Und stets gefällt ihr, was der Gatte thut.

Mit »Nein« bedient des Mannes »Ja« sie nie.

»Thu' dies!« – spricht er. »Es ist gethan!« – spricht sie.


O, köstlich Eheleben, sel'ger Brauch!

So tugendhaft und doch so lustig auch,

So anempfohlen und so hoch gestellt!

Wer nur den kleinsten Strohhalm auf sich hält,

Der sollte lebenslang auf bloßen Knie'n

Gott danken, daß er ihm ein Weib verlieh'n,

Oder Gott bitten, daß er eins ihm sende,

Das bei ihm bleibt, bis an sein Lebensende;

Dann ist er sicher und lebt ungestört;

Und wenn er stets auf ihren Rathschlag hört,

So wird er nicht betrogen, meiner Treu'!

Sein Haupt erheben darf er ohne Scheu.

Sie sind so treu, so voller Vorbedacht;

Drum willst Du's machen, wie's der Weise macht,

So richte Dich stets nach dem Rath der Weiber![51]

Sieh' Jakob an! Besagen nicht die Schreiber,

Daß auf Rebekka, seiner Mutter, Rath er

Den Segen sich erschlich von seinem Vater,

Als er mit Ziegenfell umhüllt den Hals?


Sieh' Judith an! Die Schrift sagt ebenfalls:

Sie half dem Volk des Herrn; ihr Rath war klug,

Den Holofernes sie im Schlaf erschlug.

Sieh' Abigail, die durch guten Rath

Gerettet ihren Gatten Nabal hat,

Als man ihn tödten wollte. – Esther sieh'!

Die gleichfalls Gottes Volk befreit hat, die

Durch guten Rath den Ahasverus lenkte,

Daß seine Gunst er Mardochai schenkte.


»Von allen Dingen hat den höchsten Werth

Ein sanftes Weib;« – wie Seneka uns lehrt –

»Des Weibes Zunge dulde« – Cato spricht –,

»Wenn sie befiehlt, so widersetz' Dich nicht;

Denn dann gehorcht sie aus Gefälligkeit.«


Ein Weib ist Hüterin der Häuslichkeit.

Den kranken Mann beständig Sorge quält,

Sobald im Haushalt eine Frau ihm fehlt.

Ich warne Dich! wenn Du verständig bist,

So lieb' Dein Weib, wie seine Kirche Christ.

Liebst Du Dich selbst, so liebe Du Dein Weib.

Sein Fleisch haßt Niemand; nein, man pflegt den Leib;

Und ich empfehle Dir, lieb' zärtlich drum

Dein Eheweib; sonst geht's Dir schief und krumm!

Denn Mann und Weib – mag spötteln auch die Welt –

Wandeln auf sichern Pfaden. Es befällt

Kein Harm die Engvereinten, und von Leid

Bleibt namentlich das Eheweib befreit. –[52]


So zog es in Erwägung Januar,

Der alte Herr, von dem die Rede war,

Wie ruhig, tugendhaft und froh daneben

Im honigsüßen Eh'stand sei das Leben.

Und seine Freunde lud er einstmals ein,

In seinen Plan sie näher einzuweih'n.


Mit ernster Miene hub er an und sprach:

»Seht, Freunde, ich bin grau und altersschwach;

Weiß Gott, vom Rand des Grabes nicht mehr weit!

Bedenken muß ich meine Seligkeit.

Die Körperkraft hab' thöricht ich verschwendet;

Nun wird's zum Bessern – Gott sei Dank! – gewendet;

Denn fest steht mein Entschluß, mich zu beweiben,

Und mit der größten Hast will ich's betreiben.

Ich bitte, sucht ein schönes, junges Kind

Für mich zur Heirath; aber macht's geschwind,

Ich will nicht warten, und ich fände schon

Ein Mädchen in selbsteigener Person,

Das ungesäumt zu freien, mir gefiele;

Doch ich bin Einer, aber Ihr seid Viele;

Und Ihr erspäht wohl eh'r, als ich es finde,

Mit welcher ich am Besten mich verbinde.


Indessen, Freunde, warn' ich Euch vorher:

Ein altes Weib – das will ich nimmermehr!

Nicht über zwanzig Jahre darf sie sein.

Alt schmeckt der Fisch, doch jung das Fleisch nur fein;

Weit besser, als ein Hechtchen ist ein Hecht;

Kalbfleisch schmeckt gut, doch altes Rindfleisch schlecht.

Ein Weib von dreißig Jahren will ich nicht;

Denn Bohnenstroh ist für mich kein Gericht;

Und alte Wittwen – daß sich Gott erbarm'! –[53]

Sind immer launisch, stecken voller Harm

Und kennen jeden Schlich von Wades Boot;

Mit ihnen hätt' ich lebenslang nur Noth.

Viel Schulen machen die Gelehrten schlau,

Und ähnlich geht's der vielgeschulten Frau.

Doch, wie das Wachs in warmer Hand erweicht,

So fügt sich auch ein junges Weib gar leicht.

Drum stell' ich diese Klausel Euch und sage:

Ein altes Weib steht bei mir außer Frage.


Wenn solches Unglück je bevor mir stände,

Daß ich nicht mein Vergnügen bei ihr fände,

So müßt' ich stets im Ehebruche leben

Und schließlich mich dem Teufel übergeben;

Kein Kind entsproßte meinem Ehebunde.

Doch lieber wär' ich Futter für die Hunde,

Als daß mein Erbe – dies sag' ich Euch Allen –

In fremde Hände jemals sollte fallen.


Ich fas'le nicht! Weßhalb wir Menschenkinder

Uns paaren sollen, weiß ich und nicht minder,

Daß Mancher schwatzt vom Ehesakrament,

Der mehr nicht wie mein Knecht die Gründe kennt,

Aus denen sich begatten soll der Mann.


Wer nicht in steter Keuschheit leben kann,

Der nehme sich ein Weib in Zucht und Ehren,

Ihm legitime Kinder zu gebären,

Zur Ehre Gottes, nicht aus Fleischesliebe,

Begehrlichkeit und bloßem Sinnentriebe.

Nein! auf daß Unzucht man vermeiden solle,

Und gegenseitig seine Schuld sich zolle,

Einander hülfreich stets zur Seite stehe[54]

Und wie Geschwister durch das Leben gehe,

In Keuschheit und in Heiligkeit fortan.


Doch, Herr'n, erlaubt, das geht bei mir nicht an.

Zu meinem Ruhm kann – Gott sei Dank! – ich sagen:

Ich bin noch stark und gut genug beschlagen,

Um das zu thun, was zukommt einem Mann.

Ich weiß am Besten, was ich leisten kann.

Zwar bin ich grau; doch was dies anbelangt,

Gleich ich dem Baume, der in Blüthen prangt.

Ein Baum, der blüht, kann nicht ganz trocken sein,

Und grau an Haaren ist mein Haupt allein;

Doch Herz und Glieder sind noch jeder Zeit

Frisch wie des Lorbeers immergrünes Kleid. –

Ich hab' Euch meine Absicht kund gethan,

Und nunmehr, bitt' ich, billigt meinen Plan.«


Gleich wußten Manche von dem Eheleben

Ihm manches alte Beispiel anzugeben.

Die priesen es, und jene schalten drauf;

Doch – kurz gesagt – es war der Schlußverlauf,

Daß – wie man immer sich zu zanken pflegt,

Wenn man mit Freunden etwas überlegt –

In Streit auch seine beiden Brüder kamen;

Den einen hieß Placebo man mit Namen,

Indeß Justinus der des andern war.


Placebo sprach: »O, Bruder Januar!

Mein theurer Herr, mir will's kaum nöthig scheinen,

Daß Du um Rath befragst hier irgend einen.

Indessen bist Du weisheitsvoll genug

Und weichst daher verständnißvoll und klug

Nicht von den Worten Salamonis ab,[55]

Der an uns Alle diese Lehre gab:

Folgst Du in allen Dingen gutem Rath,

So wird's Dich nicht gereuen nach der That.

Doch ob dies Wort gesprochen Salamo,

Mein theurer Herr und lieber Bruder, so

Scheint mir – Gott stehe meiner Seele bei! –

Doch, daß Dein eig'ner Plan der beste sei.


Laß, lieber Bruder, meinen Grund Dir geben:

Ich war ein Hofmann durch mein ganzes Leben

Und mag ich auch – Gott weiß – unwürdig sein,

So nahm ich manchen Ehrenposten ein

Bei großen Herr'n vom höchsten Stand und Rang.

Und hatte doch mit ihnen niemals Zank,

Denn Widerspruch mied ich geflissentlich.

Mir ist bekannt, mein Herr weiß mehr als ich,

Auf seine Worte schwör' ich unbedingt

Und sage: Ja! und was dem ähnlich klingt.

Denn ein bei hohen Herr'n bestallter Rath

Muß ein gewalt'ger Narr sein in der That,

Wenn er so kühn ist und zu denken wagt,

Daß seinen Herrn an Witz er überragt.

Nein! Herr'n sind keine Thoren, glaubet mir.


Ihr selber aber zeigtet heute hier

So viel Verstand, so frommen, guten Sinn,

Daß ich mit Euch ganz einverstanden bin

Und Eure Meinung bill'ge Wort für Wort.

Bei Gott! kein Mensch in diesem ganzen Ort,

Noch in Italien besser reden kann.

Ja, solchen Rath sieht Christus gnädig an.

Von großer Kühnheit giebt es den Beweis,

Nimmt sich ein Mann, dem Alter nach ein Greis,[56]

Ein junges Weib. – Bei meines Vaters Blut!

Es hängt an lust'ger Nadel noch Dein Muth.

Thu' in der Sache ganz wie Dir beliebt,

Das ist das Beste – denk' ich –, was es giebt.«


Justinus hörte ruhig Alles an,

Und er entgegnete Placebo dann:

»Mein lieber Bruder, bitte, bleib' geduldig.

Du sprachst; und mir bist Du Gehör nun schuldig.

Nebst andern Sprüchen, hoher Weisheit voll,

Sagt Seneka, daß man sich prüfen soll,

Wen man beschenkt mit Land und anderm Gut.

Wenn daher noth schon solche Prüfung thut

Bei unserm irdischen Besitze, wie

Viel mehr muß man sich prüfen dann – Pardi! –

Eh' man den Leib auf ewig fortschenkt. – Nein!

Nicht Kinderspiel – das laßt gesagt Euch sein –

Ist es, ein Weib zu nehmen ohne Rath.

Erkund'gen sollte – denk' ich – in der That

Man sich zuvor, ob sie vom Trunke frei,

Stolz, weise, mäßig oder zänkisch sei,

Verschwenderisch mit Geld, geneigt zum Schelten,

Ob reich, ob arm – sonst wird für toll man gelten.

Man findet freilich auf dem Erdenrund

Kaum irgend etwas durch und durch gesund

Bei Mensch und Vieh, soweit man's prüfen kann;

Und daher nehm' ich als genügend an,

Besitzt ein Weib an tugendhaften Seiten

Mehr als an Lastern und an Schlechtigkeiten.

Und all dies zu erfahren, fordert Zeit.

Gott weiß! – ich weinte manche Thräne, seit

Ich mich vermählte, für mich heiß und still.[57]

Den Ehestand mag preisen, wer da will;

Mir scheint er nur voll Kosten, voller Harm,

An Pflichten reich, jedoch an Segen arm.

Indeß – weiß Gott! – die, so mir nahe wohnen,

Und ganz besonders alle Weibspersonen

Behaupten stets, sie hätten noch im Leben

Kein Weib geseh'n, so standhaft und ergeben.

Nun, ich weiß besser, wo der Schuh mich drückt.

Thu', was Du willst! Hinreichend vorgerückt

Im Alter bist Du; prüfe drum genau,

Wie Dir's mit einer schönen, jungen Frau

Im Ehestand dereinst ergehen werde.

Bei Ihm, der Feuer, Wasser, Luft und Erde

Erschaffen hat! – der Jüngste hier im Kreis

Bringt es kaum fertig bei dem größten Fleiß,

Sein Weib allein zu haben; – glaube mir!

Nicht durch drei volle Jahre wirst Du ihr

Gefallen, das heißt: ihr Vergnügen machen;

Ein Weib verlangt nach gar zu vielen Sachen.

Ich bitte Dich, nimm mir mein Wort nicht krumm!«


»Nun« – sagte Januar – »bist Du endlich stumm?

Was scheeren mich die Sprüche Seneka's!

Ich gebe wahrlich keinen Korb voll Gras

Für Deine Sprüche! Weisere als Du

– Wie Du gehört hast – stimmten mir schon zu.

Placebo, was ist Deine Meinung? sprich!«


»Unselig« – sprach er – »ist ganz sicherlich

Ein eheloser, unbeweibter Mann!«


Nach diesem Wort erhob sich Jeder dann,

Und ringsum ward ihm beigestimmt, er solle

Ein Weib sich nehmen, wo und wann er wolle.[58]

Seltsame Bilder, wilde Phantasie'n

Umschwebten nun von seiner Heirath ihn.

Manch schönes Antlitz, manche Prachtgestalten

Dem Blick des Herzens jetzt vorüber wallten

Nacht ein, Nacht aus dem alten Januar.

Nehmt einen Spiegel, blank polirt und klar,

Und stellt ihn auf den off'nen Marktplatz hin,

Seht mancherlei Figuren ihr darin;

Und ebenso erging es Januar.

Er musterte die ganze Mädchenschaar

Der Nachbarschaft beständig in Gedanken;

Doch seine Wahl schien hin und her zu schwanken.

Denn, wenn er diese schön von Antlitz fand,

In Gunst beim Volke dennoch jene stand

Und wurde rings von Allen hochgeschätzt,

Weil sie so gütig war und so gesetzt;

Die waren reich, doch taugten sonst nicht viel.

Indessen, halb im Ernste, halb im Spiel

Blieb er zuletzt doch fest bei einer steh'n,

Und ließ die andern aus dem Sinn sich geh'n,

Und traf die Wahl auf eig'ne Hand geschwind;

Denn Liebe sieht nicht, sie bleibt immer blind.

Doch Nachts im Bett malt' er sich in Gedanken

Und im Gefühl ihr Bildniß aus: die schlanken

Und langen Arme, ihre frische Jugend,

Den zartgeformten Körper, ihre Tugend,

Ihr kluges Wesen, ihre Weiblichkeit

Voll ernsten Sinnes und Bescheidenheit.

Und da er sich zu ihr herabgelassen,

Schien ihm die Wahl wie keine sonst zu passen.

Es war sein eigener Entschluß; darum

Sei wohl kein Mensch so unvernünftig dumm[59]

An seiner Wahl zu mäkeln irgendwie –

Erging er sich in seiner Phantasie.

Und seine Freunde bat er alsobald,

Daß sie sich Alle sonder Aufenthalt

Bei ihm aus Gütigkeit zusammenfänden;

All ihre Mühe solle nunmehr enden.

Behelligt würden sie zum letzten Mal,

Denn festentschieden sei jetzt seine Wahl.


Placebo kam mit seiner Freunde Schaar

Und dringend bat zuvörderst Januar,

Mit keinen Argumenten ihm zu kommen

Entgegen dem, was er sich vorgenommen.

Denn gottgefällig sei sein Vorsatz und

Von seinem Glücke Fundament und Grund.


Ein Mädchen – sprach er – in der Stadt man fände,

Das in dem Ruf der größten Schönheit stände,

Zwar niedern Standes, aber jung dabei

Und anmuthsvoll, was ihm genügend sei,

Um sie zu seinem Weibe zu erheben

Und mit ihr heilig und vergnügt zu leben.

Er bäte Gott, daß sie ihm ganz gehöre,

Und Niemand seine Seligkeit ihm störe.

Er wünsche, daß sich Jeder Mühe gäbe,

Das Ziel zu fördern, welches er erstrebe,

Das würde – sprach er – hoch sein Herz beglücken,

Ihn könne – sprach er – fernerhin nichts drücken,

Wenn nicht ein Dorn ihm ins Gewissen stäche,

Von dem er jetzt zu der Versammlung spräche.


»Ich habe früher« – hub er an – »gehört,

Es sei uns nimmer zwiefach Heil bescheert,[60]

Das heißt in dieser und in jener Welt.

Ob man der sieben Sünden sich enthält

Und keinen Zweig von ihrem Baum berührt,

Ist doch das Leben, was ein Gatte führt,

So glücklich, so vergnügt und so vollkommen,

Daß ich bei meinem Alter schier beklommen

Mich fühlen muß, daß ich ganz ohne Streit

Stets leben soll in Lust und Seligkeit,

Und hier auf Erden schon den Himmel finde;

Denn ihn erkaufen wir bei unsrer Sünde

Durch große Buße nur und mit Beschwerde.

Wie kann ich denn, hab' ich schon auf der Erde

Vergnüglich einem Weibe beigewohnt,

Mein Heil erringen dort, wo Christus thront?

Da ich mich stets mit der Befürchtung plage,

So bitt' ich, Brüder, löst mir diese Frage.«


Justinus, welcher seine Thorheit haßte,

Erwiderte, indem er kurz sich faßte

Und alle Schriftbelege unterließ,

Auf seine Narrenspossen nichts als dies:

»Herr!« – sprach er – »ist auch sonst kein Hinderniß,

Kann Gott in seiner Gnade doch gewiß

Noch Wunder thun. Und ehe Dir vielleicht

Der heil'gen Kirche Segen wird gereicht,

Thut Dir der eheliche Stand schon leid,

In dem nicht Zank ist, wie Du sagst, und Streit.

Doch übel wär's, wenn Gott in seiner Gnade

Grund zu bereu'n dem Ehemann nicht grade

Weit häuf'ger schickte, als dem led'gen Mann.

Weßhalb den Rath ich Dir nur geben kann:

Verzweifle nicht! Indessen merke Dir,

Vielleicht wird sie zum Fegefeuer hier,[61]

Zur Gottespeitsche Dir vom Herrn bestellt,

Daß auf zum Himmel Deine Seele schnellt

Noch rascher, als vom Bogen fliegt der Pfeil!

Du lernst – so Gott will – noch zu Deinem Heil:

Es gab noch nie, und wird auch nimmer geben

So viele Seligkeit im Eheleben,

Um dieserhalb den Himmel zu verlieren,

Läßt Du nur stets Dich durch Vernunft regieren,

Befriedigst Du mit Deiner Frau die Triebe

In Mäßigkeit und nicht aus Fleischesliebe,

Und hältst Du Dich von andern Sünden rein. –

Ich bin zu Ende; denn mein Witz ist klein.

Doch, Bruder, laß in keine Furcht Dich jagen;

Wir wollen nichts mehr von der Sache sagen.

Das Weib von Bath sprach von dem Eheleben,

Das Dir bevorsteht – hast Du Acht gegeben –

In aller Kürze manch vortrefflich Wort.

Doch nun leb' wohl und schütz' Dich Gott hinfort!«


Verlassen hatten nach den Worten ihn

Die Freunde mit Placebo und Justin.

Sie sah'n, sein Sinn war nicht mehr umzuwandeln,

Und suchten drum mit Schlauheit zu verhandeln,

Daß dieses junge Mädchen, Namens Mai,

So rasch, wie's für sie einzurichten sei,

Mit dem besagten Januar sich vermähle.

Jedoch es währt zu lang, daß ich erzähle

Von ihrem Kleiderstaat und den Kontrakten,

Durch die sein Land ihr in den Ehepakten

Zum Leibgedinge wurde ausgesetzt.

Genug; erschienen war der Tag zuletzt,

An welchem Beide hin zur Kirche gingen[62]

Und dort das heil'ge Sakrament empfingen.

Der Priester in der Stola kam und wies

Auf Sarah und Rebekka hin und hieß

Sie treu und klug zu sein, wie jene zwei,

Sprach dann das übliche Gebet dabei,

Bekreuzte sie, empfahl sie Gott und band

Genügend fest der Ehe heil'gen Stand.


So feierlich ging's bei der Trauung her;

Und bei dem Feste sitzen sie und er

Am Ehrentische mit manch hohem Gaste.

Ringsum herrscht Glück und Jubel im Palaste.

Rings tönt Musik und aufgetafelt steht,

Was in Italien Leck'res nur geräth;

Und mächtig schallt der Harfen Melodie.

– So schön griff Orpheus, so gewaltig nie

Amphion, der Thebaner, in die Saiten. –

Fanfaren jeden neuen Gang begleiten,

Und halb so hell in die Posaune stieß

Nicht Joab, und selbst Theodamas blies

So schmetternd nicht in der Gefahr vor Theben.

Bachus kredenzt ringsum den Saft der Reben.

Herab auf Jeden freundlich Venus lacht,

– Zu deren Ritter Januar sich macht,

Um zu erproben, ob er in der Ehe

So tapfer, wie als Junggesell bestehe. –

Die Fackel hält die Göttin hoch empor

Und tanzt der Braut und allen Gästen vor.

Und ich darf wahrlich sagen, nie gesehen

Hat Hymenäus selbst, der Gott der Ehen,

Solch lustigen, vergnügten Ehemann.


Halt' Deinen Mund, o Dichter Marcian,[63]

Der Du beschrieben hast die Festlichkeit,

Als Philologia den Merkur gefreit,

Und welche Lieder dort die Musen sangen.

Ach! Deine Zunge, Deine Feder langen

Nicht zur Beschreibung dieser Hochzeit hin!

Paart Altersschwäche sich mit Jugendsinn,

Das ist ein Spaß, den man nicht leicht besingt.

Versucht es selber, ob es Euch gelingt;

Dann wißt Ihr, ob dies Wahrheit sei, ob Lüge.


Die freundlichen und anmuthsvollen Züge

Von Mai zu seh'n, war wie ein Feentraum.

Mit solchen sanften Augen schaute kaum

Auf Ahasverus jemals Esther hin.

Zu schildern ihre volle Schönheit, bin

Ich außer Stande zwar; jedoch ich sage

So viel, daß sie dem klarsten Maientage

An Morgenfrische und an Schönheit glich.

Und wenn sie Januar ansah, so beschlich

Ihn jedesmal ein himmlisches Entzücken.

Im Herzen plant er, härter sie zu drücken

Und Nachts sie fester in den Arm zu pressen,

Als Paris seine Helena. – Indessen

Groß war zugleich sein Mitleid, daß er Mai

So weh zu thun, heut' Nacht genöthigt sei.

Er dachte: »Ach, Du zarte Kreatur!

Gewähre Gott Dir, zu ertragen nur

Das wilde Feuer meiner Leidenschaft!

Ich bin besorgt, Dir fehlt dazu die Kraft!

Doch Gott bewahre mich, mit voller Macht

Daran zu geh'n. Ach! käme nur die Nacht,

Und gäbe Gott, daß sie für ewig währte,

Und all dies Volk sich rasch nach Hause scheerte!«[64]

Und schließlich gab er sich die größte Müh,

In allen Ehren, aber möglichst früh

Auf feine Weise das Bankett zu enden.


Es kam die Zeit, um heimwärts sich zu wenden.

Man macht den Schlußtanz, trinkt die Becher aus,

Wirft Räucherwerk umher im ganzen Haus,

Und fröhlich ist und glücklich Jedermann.


Nur nicht ein Junker, Namens Damian,

Der täglich vor dem Ritter schnitt den Braten,

Und der, in tolle Liebeswuth gerathen

Zur Dame Mai, sich kaum vor Schmerzensdrang

Mehr aufrecht hielt und fast in Ohnmacht sank.

So sehr versengt war er vom Freudenbrand,

Den Venus schwang beim Tanz in ihrer Hand;

Und in sein Bett verkroch er sich in Eile.

Dort bleibe dieser Junker eine Weile

In seinen Thränen, seinem Liebesharme,

Bis seiner sich die frische Mai erbarme.


O, Schadenfeuer, das im Bettstroh glüht!

O, Hausfeind, der stets emsig sich bemüht!

O, falscher Knecht, scheinheilig von Gesicht,

Der Natter in dem Busen gleich, die sticht!

Vor Euch beschütze Gott uns immerdar!

O, siehst Du, liebestrunk'ner Januar,

In Deiner Ehefreuden Taumelwahn

Nicht, wie Dein Lieblingsjunker Damian

Auf Böses sinnt zum Schaden Dir und Spott?

Daß Du den Feind entdeckest, walte Gott!

Denn keine schlimmre Pest giebt's auf der Welt

Als einen Hausfeind, der Dir beigesellt.[65]


Die Sonne hatte nun den Tagesbogen

In diesem Breitengrade ganz durchzogen,

Und leuchtend überm Horizonte stand

Sie länger nicht. – Mit düsterem Gewand

Umhüllt die Hemisphäre rings die Nacht.

Drum war nunmehr die lust'ge Schaar bedacht,

Vom Hochzeitsfeste wieder heim zu reiten.

Man sagte Januar Dank von allen Seiten

Zog fröhlich heim, macht sich nach Lust zu thun

Bis daß die Zeit kam, um sich auszuruh'n.


Zu Bett zu geh'n, fühlt, als sie fortgegangen,

Der hitz'ge Januar dringendes Verlangen,

Trinkt Claret, Ipokras und Toskerwein,

Heiß und gewürzt, um muthiger zu sein,

Genießt Latwergen feinster Art dazu

Wie sie in seinem Buch »De Coitu«

Der Schandmönch uns, Dan Constantin, beschrieb;

Und Alles schluckt er, daß nichts übrig blieb.


Zu seinen Busenfreunden sprach er dann:

»Ach! Gott zu Lieb'! sobald's geschehen kann,

Räumt in der freundlichsten Manier das Haus!«

Sie führten willig seinen Auftrag aus.

Man trinkt, man zieht den Vorhang, bringt zu Bette

Die stumme Braut; und als der Lagerstätte

Der Priester seinen Segen hat ertheilt,

Hinaus zur Kammer Jeder wieder eilt.


Und Januar hält sein junges Weib beglückt,

Sein Paradies, mit seinem Arm umstrickt

Und lullt und küßt stets seine frische Mai

Und kratzt sie mit dem borst'gen Bart dabei,[66]

Der – abrasirt nach seiner Art ganz frisch –

Wie Dornen oder Haut vom Stachelfisch

Sich scharf an ihren zarten Wangen rieb.


»Ach, theures Weib!« – sprach er zu ihr – »Mein Lieb,

Ich muß Dir Leid anthun, mich grausam zeigen,

Wenn sich die Zeit naht, um hinabzusteigen.

Indessen,« – sprach er – »denke stets daran:

Zugleich verrichten kann ein Handwerksmann

– Sei, wer es sei! – sein Werk nicht gut und flink.

Gemächlich treiben muß man dieses Ding;

Wie lang' wir spielen, ist ganz einerlei;

Denn, da als Ehegatten jetzt wir Zwei

In Segensjochen treu beisammen ruh'n,

Ist keine Sünde mehr in unserm Thun.

Mit seinem Weibe sündigt nicht der Mann,

Das eig'ne Messer uns nicht stechen kann;

Denn das Vergnügen wird für uns zur Pflicht.«


Und an die Arbeit ging er, bis das Licht

Des Tages schien; nahm einen Bissen, trank

Ein Schlückchen feinen Claret dann und sang,

Aufrecht im Bette sitzend, hell und laut

Und küßte, koste lüstern seine Braut.

Gleich einem Fohlen voller Spielerei'n,

Und schwatzhaft war er, gleich dem Elsterlein.

Am Nacken zitterte sein schlaffes Fell,

Indem er sang; so kräht' er laut und hell.


Gott weiß allein, was seine Mai empfand,

Als sie ihn sitzen sah im Schlafgewand

Und in der Nachtmütz' mit dem dürren Hals.

Vom Spiel erbaut war sie wohl keinenfalls.[67]


Er sprach sodann: »Ich will mein Schläfchen machen;

Der Tag ist da; ich mag nicht länger wachen!«

Und legte nieder dann sein Haupt und schlief,

Bis daß zum Aufstehn ihn die Prime rief.

Und dann erhob er sich, wogegen Mai,

So lange bis der vierte Tag vorbei,

Nach Frauenbrauch die Kammer nicht verließ.


Nach jeder Arbeit schmeckt uns Ruhe süß.

Kein Erdenwesen – will ich damit sagen –

Kann's auf die Dauer ohne Rast ertragen,

Sei's Mensch, sei's Fisch, sei Vogel oder Thier.


Zurück zum kranken Damian kehren wir,

Der sich in Liebesqualen härmt und grämt,

Und zu ihm red' ich, was Ihr jetzt vernehmt:

»Ach, Damian, Du thörichter Geselle!

Gieb Antwort auf die Frage, so ich stelle:

Wie willst Du nur erzählen Deine Pein

Der frischen Mai? Sie wird beständig Nein

Zu Allem sagen, wird Dein Weh verrathen!

Gott helfe Dir. Ich kann nichts Bess'res rathen!«


Vom Venusfeuer der Begier durchloht,

Entschloß sich, liebesbrünstig bis zum Tod,

Der kranke Damian, seinen Hals zu wagen.

Nicht länger konnt' er solches Leid ertragen.

Er lieh sich eine Feder im Geheimen,

Mit welcher er in Klagen und in Reimen

Die Qualen und die Sorgen seiner Lieb'

Der frischen Mai auf einem Zettel schrieb;

Und barg in einem Beutelchen von Seide

Den Brief am Herzen unter seinem Kleide.[68]


Bis an den Krebs war seit der Mittagszeit

Vom Tag, an welchem Januar Mai gefreit,

Der Mond vom zehnten Grad des Stiers geglitten.

So lange blieb nach hergebrachten Sitten

Des Adels in dem Schlafgemache Mai.

– Vier Tage lang, und minder strenge drei,

Darf eine Braut sich nicht zu Tische setzen;

Sind die vorbei, dann mag sie sich ergötzen. –

Und als vier Tage rundum hingebracht,

Saß Mai, nachdem der Meßgang abgemacht,

So strahlend wie ein Sommertag und frisch

Mit Januar wieder an dem Hallentisch.

Und es geschah, daß sich der gute Mann

Auf seinen Junker Damian besann,

Und rief: »Wie kommt es – heilige Marie! –

Daß Damian mich nicht bedient? Ei, wie?

Ist er gar krank? Was mag dies auf sich haben?«


Die Junker, welche Januar umgaben,

Entschuldigten ihn wegen Unwohlsein;

Sie sei der Dienstversäumniß Grund allein,

Sonst nähm' er sicher seine Pflichten wahr.


»Das macht mich denken,« – sagte Januar

»Er ist ein braver Junker – meiner Ehr'! –

Und schmerzen würde mich sein Tod gar sehr!

So zuverlässig, klug, verschwiegen fand

Ich Keinen noch von gleichem Rang und Stand.

Er ist so männlich und so dienstbeflissen

Und wird bestimmt, sein Glück zu machen, wissen.

Erlaubt's die Zeit, besuchen ich und Mai

Ihn selber noch, ist unser Mahl vorbei;

Ich will mein Bestes thun, ihn gut zu pflegen!«[69]

Und segnend pries ihn Jedermann deswegen;

Denn, daß aus Mitgefühl und Herzensgüte

Er um den kranken Junker sich bemühte,

Galt Allen als höchst edelmüth'ge That.


»Frau!« – sagte Januar – »halte Dich parat,

Daß gleich nach Tische, bist Du aus der Halle

In Dein Gemach gegangen, mit Dir alle

Von Deinen Kammerfrau'n nach Damian seh'n.

Er ist so brav. Ihr müßt ihn trösten geh'n;

Und theil' ihm mit, ich würde selber kommen,

Sobald ich meinen Mittagsschlaf genommen.

Doch tummle Dich, da ich verziehen will,

Bis Du im Schlaf ruhst bei mir fest und still.«


Und einen seiner Junker rief er dann,

Der Marschall seines Hauses war, heran,

Um irgend einen Auftrag zu ertheilen.


Die frische Mai ließ keine Zeit enteilen

Und trat mit ihren Damen im Geleite

An Damians Bett und setzte sich zur Seite

Und sprach ihm Trost nach besten Kräften ein.


Und Damian denkt: Jetzt muß gehandelt sein!

In ihre Hand er rasch den Beutel spielt

Mitsammt dem Brief, der seinen Wunsch enthielt,

Ganz im Geheimen, und er spricht nicht mehr,

Als daß, erseufzend wundertief und schwer,

Er flüstert: »Habe Dank! Ich bitte Dich,

Verrath' mich nicht! Es wär' gescheh'n um mich,

Wenn diesen Vorgang Irgendwer entdeckte!«


Flink in den Busen sie die Börse steckte

Und eilte fort. – Mehr braucht Ihr nicht zu wissen! –[70]

Sie ging zu Januar, der auf weichen Kissen

Im Bette saß, sie küßte, sie umschlang,

Sich niederlegte und in Schlummer sank.


Sie aber that, als trieb' es sie geschwind

– Ihr wißt wohin – denn jedes Menschenkind

Ist nothgedrungen oftmals dagewesen.

Hier ward der Brief eröffnet und gelesen;

Worauf sie ihn in kleine Stücke riß

Und dann behutsam in den Abtritt schmiß.


Was ging nun Mai wohl Alles durch den Sinn?

Sie legte sich zum alten Januar hin,

Der ruhig schlief, bis daß sein Husten ihn

Erweckte. Splitternackt sich auszuzieh'n,

Bat er sie dann, damit er sich vergnüge;

Ihn hinderten die Kleider, die sie trüge.

Was half es ihr? Sie mußte sich bequemen.

Doch daß nicht Anstoß keusche Seelen nehmen,

Will ich verschweigen, was er trieb, sowie,

Ob's Hölle war, ob Paradies für sie.

Ich lasse sie bei ihrer Arbeit bleiben,

Bis Vesperglocken sie zum Aufsteh'n treiben.


War es Bestimmung, war es Zufall nur,

Besond'rer Einfluß, Wille der Natur?

War gerade günstig die Konstellation

Des Himmels, um im Venusdienst sich Lohn

Durch Liebesbriefeschreiben zu gewinnen,

Und um die Weiber mit Erfolg zu minnen,

Wie es zusammenhing, das weiß ich nicht.

Denn, seine Zeit hat – wie der Weise spricht –

Ein jedes Ding. Doch Gott nur kennt den Grund.

Er mag entscheiden. Ich halt' meinen Mund![71]


Ich weiß nur, daß von diesem Zeitpunkt an

Das Mitleid um den kranken Damian

Die schöne, frische Mai so übermannte,

Daß sie den Wunsch nicht aus dem Busen bannte,

Sein Weh zu heilen, und sie sprach dabei

Für sich im Stillen: Hier erklär' ich frei,

Jedwedem, ob's ihm noch so sehr mißfällt,

Ich will ihn lieben mehr als alle Welt

Und wäre nichts als nur sein Hemde sein.


Mitleid zieht bald in edle Herzen ein.

Hier könnt Ihr seh'n, es offenbart die Frau

Den höchsten Freimuth, prüft sie sich genau.


Tyranninnen giebt es zwar allerwärts,

Und manche hat solch felsenhartes Herz,

Sie ließe lieber einen Mann verrecken,

Als ihre Gunst ihm offen zu entdecken.

Das schmeichelt ihrem grausam stolzen Sinn

Und Menschenmord erblickt sie nicht darin.


Die sanfte Mai, von Mitleid übermannt,

Schrieb einen Brief mit ihrer eig'nen Hand,

In welchem sie ihm ihre Gunst versprach;

Es fehlte nichts, als nur der Ort und Tag,

An dem sie seiner Lust sich überlasse;

Das möge sein, wie's ihm am Besten passe.


Und eines Tages bei Gelegenheit

Ging Mai zu Damian, um in Heimlichkeit

Ihm unters Kissen ihren Brief zu schieben.

– Jetzt mag er lesen, was sie ihm geschrieben. –

Sie drückte fest ihm seine Hand, doch machte

Es so geheim, daß Niemand Arges dachte,[72]

Und wünschte gute Bess'rung ihm und lief

Dann rasch von hinnen, da sie Januar rief.


Gesund stand Damian auf am andern Morgen,

Verschwunden waren Kränklichkeit und Sorgen.

Er kämmt sich, pickt sich, schniegelt, putzt sich fein,

Um seiner Dame angenehm zu sein,

Und krümmte sich vor Januar wie ein Hund,

Der niederkauert, tief bis auf den Grund,

Und setzte sich bei Jedem so in Gunst,

Daß – obgleich Alles nur Verstellungskunst –

Doch Jedermann an ihm zu loben fand,

Und er bei ihr in höchster Gnade stand.

Und damit will ich Damian verlassen,

Und mit dem Gang der Sache mich befassen.


Gelehrte Leute kamen zu dem Schluß:

Das höchste Glück auf Erden sei Genuß.

Drum war der edle Januar bedacht,

Wie's Rittern ziemt und ihnen Ehre macht,

Sein Leben möglichst herrlich zu gestalten;

Und standesmäßig wurde Hof gehalten

In seinem Hause, wie's ein König thut.


Er hatte neben manchem schönen Gut

Auch einen steinumwallten Gartengrund,

Wie wohl kein zweiter auf dem Erdenrund

Zu finden war. Denn außer Frage steht,

Es könne jemals schildern der Poet,

Der die Romanze von der Rose schuf,

Noch Priapus, obschon er von Beruf

Der Gott der Gärten ist, gemäß der Wahrheit,

Des Gartens Pracht und seiner Quelle Klarheit,

Die rings des Lorbeers Immergrün umragte.[73]

Und manchesmal ging Pluto – wie man sagte –

Zu dieser Quelle mit der Königin

Proserpina und ihren Feen hin,

Die dort den Reigen unter Liedern schlangen.


Dort lustzuwandeln, fühlte stets Verlangen

Der edle Januar, der alte Ritter.

Jedoch in keines Andern Händen litt er

Dazu den Schlüssel; nein, mit eig'ner Hand

Schloß er das Pförtchen, wenn er Lust empfand,

Vermittels seines Silberschlüssels auf.

Und dorthin wollte Januar im Verlauf

Des Sommers, Ehepflichten zu genügen

Sich unbegleitet oft mit Mai verfügen,

Damit er die im Bett versäumten Dinge

Mit ihr im Garten frischen Muths vollbringe.

In dieser Art zog mancher Tag vorbei

In froher Lust für Januar und Mai.


Doch kurz sind Erdenfreuden. – Das erfuhr

Auch Januar – wie jede Kreatur.


O, jäher Umschlag! Unbestand im Glücke!

Du gleichst dem Skorpion in Deiner Tücke,

Der mit dem Kopfe schmeichelt, wenn Dir Tod

Bereits des Schwanzes gift'ger Stachel droht.

O, kurze Freude! Gift voll Süßigkeit!

O, Ungeheuer, das Beständigkeit

Zu heucheln weiß, doch, wenn Du etwas schenkst,

Zu täuschen nur und zu betrügen denkst.

Weßwegen hast Du Januar hintergangen,

Den anfangs Du als besten Freund empfangen

Und dann beraubt der beiden Augen hast,

Daß Todessehnsucht ihn vor Leid erfaßt?[74]


Ach! dieser edle Januar, so frei,

So wohlbehäbig und vergnügt dabei,

Ist jetzt so plötzlich und durchaus erblindet,

Daß er vor Jammer winselt und sich windet;

Und immer fürchtend, daß sich sünd'ger Lust

Sein Weib ergebe, flammt in seiner Brust

Empor die Gluth der Eifersucht. – Er trüge

Es leichter, wenn man sie und ihn erschlüge,

Als daß – sei er am Leben, ruh' im Grabe –

Zum Schatz, zur Gattin sie ein Andrer habe,

Und sie um ihn nicht Wittwentrauer trage

Und wie das Täubchen um den Tauber klage.


Doch als ein Monat oder zwei dahin,

Beruhigte sich – Gott sei Dank! – sein Sinn.

Denn als er sah, daß es nicht anders würde,

Trug er geduldig seines Leidens Bürde;

Nur ausgenommen, daß ihn noch weit mehr

Die Eifersucht jetzt plagte, als bisher.

Sie stieg bald über jedes Maß hinaus.

In seine Halle, in ein andres Haus,

Nach welchem Orte, welchem Platz es sei,

Zu geh'n, zu reiten stand ihr nicht mehr frei.

Er hatte sie beständig an der Hand,

Worüber Mai, die immer noch entbrannt

In Liebe war für Damian, oft weinte;

Und da sie sich dem Tod verfallen meinte,

Wenn ihrer Neigung sie nicht bald entspräche,

So harrte sie, wie rasch das Herz ihr bräche.


Geworden aber war aus Damian

Auch seinerseits der sorgenvollste Mann,

Der jemals war, dieweil er nicht bei Tage,[75]

Noch bei der Nacht sich über seine Lage

Mit seiner frischen Mai jetzt ungestört

Besprechen konnte, da es Januar hört.

– So hielt er sie beständig unter Händen. –

Doch da sie Briefe hin und wider senden

Und Zeichen tauschen konnten ganz im Stillen,

Erfuhr sie seinen und er ihren Willen.


O, Januar! was hülfe Dir zu seh'n

Bis, wo die Segel fernster Schiffe weh'n?

Betrogen wird so gut der blinde Mann,

Wie der getäuscht wird, welcher sehen kann.

Sieh' Argus, welcher hundert Augen führte

Und doch trotz Allem, was er sah und spürte,

Geblendet ward! – Und – weiß es Gott! – so fällt

Das Loos für Manchen, der's unmöglich hält.

Wer's übersieht, trägt's leicht! Darum nichts mehr!


Es hatte Mai, von der ich sprach bisher,

In warmes Wachs den Schlüssel abgegossen,

Mit dem das Gartenpförtchen aufgeschlossen

Von Januar ward, so oft zum Park er ging.


Den Zweck errathend, machte Damian flink

Den Schlüssel nach in aller Heimlichkeit. –

Genug davon! Es naht sich bald die Zeit,

Daß Ihr vom Schlüssel Wunder hören sollt,

Falls Ihr bis dahin Euch gedulden wollt.


O, edeler Ovid! höchst wahr – Gott weiß! –

Hast Du gesagt: Ist Liebe lang' und heiß,

So weiß auch List die Wege auszuspäh'n,

Wie wir an Piramus und Tisbe seh'n,

Die – obschon lang' in strammer Zucht gehalten –[76]

Zu flüstern wußten durch des Walles Spalten,

Daß Niemand Ahnung hatte von der List.


Doch nun zum Ziel: Vom Julimonat ist

Kaum eine volle Woche hingegangen,

Und Januar fühlt das sehnlichste Verlangen,

Daß er – gespornt dazu von seinem Weibe –

Mit ihr im Garten seine Spiele treibe.

Und so sprach eines Morgens er zu Mai:

»Steh' auf, mein Weib, mein Liebchen, frisch und frei!

Der Turteltaube Stimme hört man schon,

Die Regenzeit des Winters ist entfloh'n!

O, komm'! mit Augen, rein und taubenhaft,

Mit Brüsten schöner, als der Trauben Saft!

Der Garten ist mit Mauern rings umgeben!

Komm', blonde Gattin! komm', mein süßes Leben!

Du hast das Herz verwundet mir, fürwahr;

Und ohne Makel warst Du immerdar!

O, komm' hinaus zu frohen Liebesscherzen

Erwähltes Weib, Du Trost von meinem Herzen!«

So sprach er manches alte, lose Wort.


Sie aber winkte Damian sofort,

Mit seinem Schlüssel rasch voranzugeh'n.

Er öffnete die Thür und ungeseh'n

Und ungehört von Jedermann war – husch!

Im Garten er, wo hinter einem Busch

Er sich versteckte lautlos und geschwind.


Der alte Januar, wie ein Stein so blind,

Trat in Begleitung seiner Mai allein

In jenen kühlen Garten gleichfalls ein

Und schloß sogleich das Pförtchen wieder zu.[77]

»Nun, Weib,« – sprach er – »allein sind ich und Du!

O, Kreatur, mir über Alles lieb,

Beim hohen Gott im Himmel! eher trieb'

Ich mir das Todesmesser durch den Leib,

Als Dich zu kränken, liebes, theures Weib!

Um Himmels willen! denke dran: ich wählte

Dich nicht zur Frau, weil Habsucht mich beseelte,

Nein, reine Liebe zog mich zu Dir hin.

Drum ob ich alt und jetzt gebrechlich bin,

Bleib' mir getreu. Ich will den Grund Dir zeigen:

Du machst dadurch drei Dinge Dir zu eigen,

Erst Christi Huld, dann für Dich selber Ehre

Und all mein Gut mit jedem Zubehöre.

Zur freien Hand werd' ich Dir's unbedingt

Verschreiben, eh' die Sonne morgen sinkt,

So wahr mir Gott im Himmel helfen mag.

Komm', setze Deinen Kuß auf den Vertrag.

Und plagt mich Eifersucht, laß Dich's nicht kränken.

Du bist mir so ans Herz gewachsen, denken

Muß ich drum stets, wie hold und schön Du bist,

Und daß sehr ungleich unser Alter ist,

Ich kann daher, und ob mein Tod es wär',

Dich von mir lassen nun und nimmermehr,

Und zwar aus reiner Liebe – glaube mir!

Komm', küsse mich, und dann lustwandeln wir.«


Auf seine Worte gab die frische Mai

Ihm freundlich Antwort, aber fing dabei

Zuvörderst und zunächst zu weinen an.

»An meinem Seelenheile« – sprach sie dann –

»Liegt mir wie Dir. Ich weiß die zarten Blüthen

Der Weiblichkeit und Frauenehr' zu hüten,[78]

Wie dies ich Dir gelobt hab' in die Hand,

Als meinen Leib der Priester an Dich band.

Darum erlaube, lieber, theurer Gatte,

Daß ich jetzt Antwort meinerseits erstatte:

Ich bitte Gott, daß er mich sterben lasse,

Wie das gemeinste Weibsbild von der Gasse,

Wenn jemals meinen Namen ich beflecke

Und die Verwandtschaft je mit Schimpf bedecke.

Wär' ich so falsch, sollt' ich mich so vergehen,

So lasse nackt in einen Sack mich nähen,

Und in dem nächsten Fluß ertränke mich!

Nicht Dirne, sondern Edelfrau bin ich!

Was schwatzt Du so? Kein Mann bewahrt die Treue,

Jedoch uns Weiber rügt Ihr stets aufs Neue.

Der einz'ge Spaß – so scheint es –, den Ihr kennt,

Ist daß Ihr schimpft und ungetreu uns nennt!«


Und also redend, sah sie Damian

Im Busch versteckt und fing zu husten an,

Und gab ihm mit dem Finger einen Wink,

Daß einen Baum, der voller Früchte hing,

Er rasch erklimmen sollte. – Oben war er

In einem Nu; denn er begriff es klarer

Als Januar, ihr lieber Ehegatte,

Was für Bedeutung jedes Zeichen hatte;

Denn brieflich mitgetheilt war ihm von Mai,

Wie in der Sache zu verfahren sei.


So lassen wir im Birnenbaum ihn bleiben

Und froh umher sich Mai und Januar treiben.


Der Tag war hell, das Firmament war blau,

Froh lachten alle Blumen auf der Au',[79]

Erwärmt durch Phöbus' gold'nen Feuerstrahl,

Der in den Zwillingen – doch dazumal

Schon nah' dem Krebs – stand, wo er deklinirt

Und Jupiter dagegen exaltirt.


Nun war durch Zufall ganz im Hintergrunde

Des Gartens in der hellen Morgenstunde

Auch Pluto, Fürst des Feenreichs, erschienen

Mit manchen Damen, die im Hofstaat dienen

Von seiner edlen Königin und Frau,

Proserpina, die er von Ethnas Au',

Wo, Wiesenblumen suchend, sie geweilt,

Geraubt und – wie Claudianus mitgetheilt –

Entführt hat in dem grausigen Gespann.


Der Feenkönig setzte sich sodann

Auf einer Bank von grünem Rasen hin,

Und so begann er zu der Königin:

»Mein Weib,« – sprach er – »es steht ganz außer Frage,

Und die Erfahrung lehrt es alle Tage,

Daß Frauen ihre Männer hintergeh'n.

Zehnhunderttausend von Geschichten steh'n

Mir zu Gebot, daß falsch und schwach Ihr seid.

O, Salamo, so durch und durch gescheidt,

An Ruhm und Schätzen Reichster aller Reichen,

Aus dem Gedächtniß wird so leicht nicht weichen,

Solang' ein Mann Vernunft besitzt und Geist,

Dein trefflich Wort, das Männerwürde preist:

Ich fand zwar unter Tausend einen Mann,

Doch unter allen traf kein Weib ich an.

So spricht er, weil er Eure Bosheit kennt.

Und Sirachs Sohn, den man auch Jesus nennt,

Beweist Euch gleichfalls selten Reverenz,[80]

Läßt er vom Himmel faule Pestilenz,

Und wildes Feuer auf Euch niederfahren!

Kannst Du den edlen Ritter dort gewahren?

Ach! weil ihn Blindheit und das Alter drücken,

Wird ihn sein Junker bald mit Hörnern schmücken.

Sieh! auf dem Baume sitzt der Wüstling droben.

Bei meiner Majestät! ich will geloben,

Sofort dem alten, blinden, würd'gen Ritter

Zurückzuschenken sein Gesicht, damit er

Sie überraschen möge bei der Sünde

Und seines Weibes Unzucht so ergründe

Zu ihrem Schimpf und Anderen zum Schreck.«


»Herr,« – sprach Proserpina – »ist das Dein Zweck,

Schwör' ich bei meiner Mutter Ceres Seele,

Daß ihr es nicht an Antwort darauf fehle,

Wie keiner anderen Frau in gleichem Falle.

Ertapptet Ihr auf frischer That auch alle,

Mit kühnem Antlitz werden Eure Klagen

Sie schlau entkräften und zu Boden schlagen.

An Wortverlegenheit stirbt keine Frau!

Ja, säh't mit beiden Augen Ihr's genau,

Wir läugnen frech Euch ins Gesicht hinein,

Wir weinen, schwören, schelten, drehen's fein,

Indeß Ihr da so dumm wie Gänse steht.


Was scheert mich Deine Schriftautorität!

Mir ist vom Juden Salamo bekannt,

Daß unter Weibern er viel Thorheit fand;

Jedoch traf selbst kein gutes Weib er an,

So hat gefunden dennoch mancher Mann,

Daß Weiber treu sind, fromm und tugendhaft.

Ihr Märtyrthum giebt davon Zeugenschaft,[81]

Das standhaft hat manch Christenweib ertragen;

Auch Römergesten wissen uns zu sagen,

Von manchen Weibern treu und fleckenrein.


Nimm mir's nicht übel, Herr, es mag ja sein,

Daß Salamo kein gutes Weib geseh'n;

Doch seine Meinung, bitt' ich, zu versteh'n.

Er will nur sagen, daß – Gott ausgenommen –

Nicht Mann, noch Weib an Güte sei vollkommen.


Beim ein'gen Gott, sag' mir aus welchem Grunde

Führt Salamo beständig Ihr im Munde?

Was? weil dem Herrn ein Gotteshaus er schuf?

Was? weil er reich an Schätzen war und Ruf?

Er baute Tempel auch für falsche Götzen,

Und lief dies nicht zuwider den Gesetzen?

Er war, wie schön Ihr's übertünchen wollt,

Ein Götzendiener und ein Hurenbold,

Und an dem Herrn im Alter ein Verräther!

Und hätte Gott ihn wegen seiner Väter

– Wie uns die Schrift berichtet – nicht geschont,

So wär' er früher, als ihm lieb, entthront.

Was er von Weibern Schlechtes schreibt und lehrt,

Scheint mir nicht einen Buttervogel werth!

Ich bin ein Weib, und daher muß ich sprechen,

Soll ich nicht bersten und das Herz mir brechen.

Denn, daß er Schwätzerin genannt das Weib,

Das wird, so lang' ich Haare trag' am Leib,

Von mir aus Höflichkeit ihm nicht verzieh'n,

Und wenn er uns schimpft, so beschimpf' ich ihn!«


»Frau,« – sagte Pluto – »sei nicht länger böse!

Ich geb' es auf. – Doch, daß mein Wort ich löse,[82]

Will ich das Augenlicht zurück ihm schenken.

Mein Wort bleibt steh'n. – Ich bitte zu bedenken,

Daß ich ein König und kein Lügner bin.«


»Und ich« – sprach sie – »bin Feenkönigin,

Ich unternehm's, die Antwort ihr zu senden,

Und damit laß dies Wortgefecht uns enden.«


»Gewiß,« – sprach er – »nicht widersprech' ich Dir!«


Zurück zum alten Januar kehren wir. –

Im Garten weilt er mit der schönen Mai,

Und singt weit lust'ger als ein Specht dabei:

»Du bist mein Schatz und bleibst es lebenslang.«


Mit ihr durchwandernd manchen Gartengang,

Kam schließlich er beim Birnbaum wieder an,

In welchem fröhlich Junker Damian

Hoch oben saß und sich im Laub verbarg.

Die frische, heit're, schöne Mai fing arg

Zu seufzen an und sprach: »Welch Seitenstechen!

O, Herr! ich muß um jeden Preis mir brechen

Gleich eine von den Birnen, die ich sehe,

Da ich vor Sehnsucht schier darnach vergehe,

Die süßen, grünen Birnen zu verzehren.

Still' um der Jungfrau willen mein Begehren!

Ich sage Dir, wir Weiber sind in Lagen,

Daß wir nach Früchten oft Verlangen tragen

Und sterben müssen, wenn wir keine haben.«


»Ach! hätt' ich doch zur Hand nur einen Knaben,

Hinaufzuklettern!« – rief er. »Weh und Ach!

Daß ich so blind bin!« – »Herr!« – sprach sie – »Gemach!

Versprich mir nur aus christlichem Erbarmen,

Mich in den Baum zu heben mit den Armen[83]

– Vertrauen, freilich, schenktest Du mir nie –

So könnt' ich ihn erklimmen schon« – sprach sie –

»Stieg ich auf Deinen Rücken mit den Füßen.«


»Gewiß« – sprach er – »mein Blut würd' ich vergießen,

Um Dir zu helfen. Gern will ich mich bücken.« –

Er that's. – Sie sprang sofort auf seinen Rücken

Und schwang sich in den Baum an einem Ast.


Ihr Damen, legt mir's, bitte, nicht zur Last.

– Ich bin ein grober Kerl und rauh von Wort. –

Doch dieser Junker Damian hob sofort

Den Rock ihr auf, und dann ging's drauf und dran.


Doch kaum sah Pluto dieses Unrecht an,

Als er auch auf der Stelle Januar

So sehend machte, wie er früher war.

Und da ihm sein Gesicht zurückgestellt,

War Januar der froh'ste Mann der Welt.

Doch immerwährend lag ihm Mai im Sinn.

Und auf den Baum warf er die Blicke hin,

Und sah dort Damian mit seinem Weibe

In einer Stellung, die ich nicht beschreibe,

Denn ungern möcht' ich unmanierlich sein.

Nun fing er an zu brüllen und zu schrein,

Wie eine Mutter um ihr sterbend Kind:

»Heraus!« – rief er – »Zu Hülfe! Ach! geschwind!

O, Himmelskönigin! Was thust Du, Mai?


»Was fehlt Dir?« – frug sie. – »Lieber Mann so sei

Vernünftig doch und bleib geduldig nur!

Für Dich betrieb ich eine Augenkur;

Bei meiner Seligkeit, ich lüge nicht,

Dir wiedergeben könnt' ich das Gesicht[84]

– Ward mir erzählt – doch müßt' ich zum Gelingen

Auf einem Baum mit einem Manne ringen!

Weiß Gott! ich hatte Gutes nur im Sinn.«


»Was« – rief er – »ringen? – Und er war schon drin! –

Vor Scham und Schande solltet Ihr vergeh'n:

Ihr war't dabei! Hab' ich's nicht selbst geseh'n,

Will einen Strick ich um den Hals mir zieh'n!«


»Dann« – sprach sie – »braucht ich falsche Medicin.

Denn, sicherlich, bei vollem Augenlicht

Sprächst Du zu mir in solcher Weise nicht.

Du siehst nicht klar, Du hast nur einen Schimmer.«

»Ich sehe« – sprach er – »just so gut wie immer

– Gedankt sei Gott! – mit meinen Augen zwei;

Und – meiner Treu! – mich dünkt, er war dabei.«


»Du faselst, faselst, lieber Herr!« – sprach sie. –

»Ach, warum hatt' ich soviel Sympathie?

Ist das der Dank für alle meine Güte?«


»Nun, Frau« – sprach er – »nimm's Dir nicht zu Gemüthe;

Steig' nieder Schatz. – Vielleicht ging ich zu weit;

Und – helf' mir Gott! – es thut mir herzlich leid.

Indeß – bei meines Vaters Geist! – mir schien,

Als sah ich Damian sich darüber knien,

Und daß Dein Rock auf seiner Brust gelegen.«


»Nun, Herr!« – sprach sie – »so glaubt es meinetwegen.

Doch, Herr, ein Mann, der aus dem Schlaf erwacht,

Nimmt nicht sofort ein jedes Ding in Acht;

Da er die Sachen unvollkommen sieht,

Bevor sich seine Schläfrigkeit verzieht.[85]


Und so geht's auch dem Mann, der, lang' erblindet,

Sein Augenlicht urplötzlich wiederfindet;

Er sieht am ersten Tage nicht so gut,

Wie er's am zweiten oder dritten thut;

Und ehe nicht ein Weilchen er's gewohnt,

Bleibt er von mancher Täuschung nicht verschont.

Bei Gott im Himmel! Bitte, mach' Dir's klar:

Gar manche Dinge nimmt ein Mann gewahr;

Die dennoch anders sind, wie er geseh'n;

Und wer mißsieht, der wird auch mißversteh'n.«


Mit diesem Wort sprang sie vom Baum hinunter.

Wer war auf Erden nun so froh und munter

Wie Januar? Er küßt und herzt sein Weib

Und streichelt zart und sanft ihr oft den Leib,

Und geht mit ihr in den Palast zurück.


Nun, gute Leute, wünsch' ich Euch viel Glück!

Hier endet mein Bericht von Januar.

Gott und die Jungfrau schütz' Euch immerdar!

Quelle:
Chaucer, Geoffrey: Canterbury-Erzählungen, in: Geoffrey Chaucers Werke, Straßburg 1886, Band 3, S. 47-86.
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