[18] Und als sie kurze Zeit an ihren Brüsten
Das Kind gesäugt, geschah – was oft gescheh'n –
Daß ihr Gemahl, der Markgraf, von Gelüsten,
Sie zu versuchen, sich erfaßt geseh'n.
Zu schwach, dem tollen Wunsch zu widersteh'n,
Sann er auf Mittel, wie zu diesem Zwecke,
Griseldis er – Gott weiß, umsonst! – erschrecke.
Durch manche Probe war von ihrer Treue
Ihm längst zuvor schon der Beweis geschenkt.
Was nützt es ihm, daß er sie stets aufs Neue
Versuchen will? – Ach! wenn auch Mancher denkt,
Es sei höchst geistreich, daß sein Weib man kränkt,
So sag' ich Euch, ein schmähliches Betragen
Ist, ohne Nutzen es in Furcht zu jagen.
In solcher Absicht war zur Nacht erschienen
Der Markgraf einst in ihrem Schlafgemach,
Wo er mit düstren und verstörten Mienen
In dieser Weise zu Griseldis sprach:
»An jenen Tag, an dem aus Noth und Schmach
Ich Dich einst zog, Dir Glanz und Rang zu schenken
Wirst Du, Griseldis, sicherlich noch denken.«[18]
»Griseldis, daß ich Dich mit Ehren schmückte
Und zu dem Rang und zu der Würdigkeit,
Die jetzt Dich ziert, aus niederm Stand entrückte
Und tiefer Armuth, als ich Dich gefreit,
Vergißt Du, denk' ich, wohl zu keiner Zeit.
Doch bitt' ich aufmerksam mich anzuhören;
Wir sind allein; kein Lauscher kann uns stören.«
»Du weißt es selber, wie Du eingezogen
In dieses Haus bist – kurze Zeit ist's her.
Zwar lieb ich Dich und bin Dir treu gewogen,
Doch meine Ritter sind Dir's nimmermehr,
Und sagen jetzt, es kränke sie zu sehr,
Daß ich ergäbe mich so ganz zum Knechte
Dir, die entstammt so niederem Geschlechte.«
»Und da Du mir ein Töchterlein beschieden,
So liegen sie beständig mir im Ohr.
Ich lebte gern in Ruhe und in Frieden
Mit meinem Adel ferner, wie zuvor.
Dies leicht zu nehmen, bin ich nicht der Thor;
Und muß daher mit Deiner Tochter schalten
Nach meiner Ritter, nicht nach meinem Walten.«
»Jedoch, weiß Gott, zuwider und verdrießlich
Bleibt mir der ganze Handel immerhin;
Und darin vorgehn will ich nicht, bis schließlich
Ich Deiner Zustimmung versichert bin.
Darum bethätige geduld'gen Sinn,
Wie Du mir hoch und theuer hast geschworen,
Als ich im Dorf zum Weibe Dich erkoren.«[19]
Sie hörte jedes Wort. Doch im Benehmen,
In ihrer Haltung und Geberde stand
Sie ruhig da und schien sich kaum zu grämen.
»Mein Herr« – sprach sie – »wir sind in Deiner Hand.
Sei Tod, sei Leben über uns erkannt,
Ich und mein Kind sind Dir von ganzer Seele
Gehorsam stets und, was Du willst, befehle.«
»So wahr ich hoffe, selig einst zu werden,
Was Dir nicht lieb ist, das mißfällt auch mir.
Ich wünsche nichts, hab' ich nur Dich auf Erden,
Ich fürchte nichts, als den Verlust von Dir!
Das ist mein Herzenswille für und für,
Den unverändert ich durch Zeit und Lage
Bewahren werde bis zum Todestage.«
Wie immerhin der Markgraf sich verstellte,
Ihn freute dennoch, was Griseldis sprach.
Dem Anschein nach voll Mißmuth und voll Kälte
Verließ indessen er ihr Schlafgemach,
Um seine Pläne kurze Zeit hernach
Ganz heimlich einem Manne mitzutheilen,
Dem er befahl, zu seiner Frau zu eilen.
Ein' Art Profoß war der vertraute Diener,
Den er stets treu in großen Dingen fand,
Und auch, um Böses auszuführen, schien er,
Wie Leute solchen Schlages, ganz zur Hand;
Und da in ihm sich Lieb' mit Furcht verband
Für seinen Herrn, stahl er, als dessen Wille
Bekannt ihm war, in ihr Gemach sich stille.[20]
»Madam,« – sprach er – »laßt mir es nicht entgelten,
Wenn ich vollführe, wozu man mich zwingt.
Ihr seid so klug und wißt, daß Herren schelten,
Wenn ihren Auftrag man nicht unbedingt
Gehorsam ausführt und genau vollbringt.
Man muß es thun, trotz Jammer und trotz Klagen;
Und so will ich! – Mehr bleibt mir nicht zu sagen.«
»Dies Kind zu holen, ist mir aufgegeben.«
Mehr sprach er nicht. Jedoch, zur Thür gewandt,
Ergriff er es, als wenn er ihm das Leben
Entreißen wollte mit entmenschter Hand.
Still ließ Griseldis ohne Widerstand,
Fromm, wie ein Lamm, mit unterdrückten Zähren
Den rohen Schergen klagelos gewähren.
Verdächtig war des Mannes Ruf und Wandel,
Verdächtig gleichfalls war sein Blick und Wort,
Verdächtig war der Zeitpunkt von dem Handel!
Ach! zu der heißgeliebten Tochter Mord
– So wähnte sie – sei er bereit sofort.
Doch ruhig blieb sie, keine Thräne floß,
Und willig trug sie, was der Graf beschloß.
Indessen Worte fand sie doch am Ende,
Und fleht so sanft, als ob ein Edelmann
In der Person des Schergen vor ihr stände,
Daß sie ihr Kind noch einmal küssen kann
Vor seinem Tod; und nimmt betrübt es dann
Auf ihren Schoß und lullt es auf und nieder
Und segnet es und küßt es immer wieder.[21]
Mit milder Stimme hub sie an zu sagen:
»Leb' wohl, mein Kind, auf Nimmerwiederseh'n!
Nun, da mein Kreuz ich über Dich geschlagen,
Kann Dir des Himmels Segen nicht entgeh'n.
Ich will zum Herrn am Marterholze fleh'n
Für Dich, mein Kind! Denn Deiner Mutter wegen
Gehst Du dem Tode diese Nacht entgegen!«
Wohl hätte jede Wärterin mit Schmerzen
Dies angesehn, und, sicher, Wehgeschrei
Hätt' es entlockt jedwedem Mutterherzen.
Und dennoch blieb sie ernst gefaßt dabei,
Geduldig tragend alle Quälerei;
Und sprach zum Schergen mit ergeb'nem Sinn:
»Nimm hier mein kleines Mädchen wieder hin!«
»Nun geh'!« – sprach sie – »und thu', was Dir geboten!
Doch eine Bitte sei Dir noch gestellt:
Ist Dir's erlaubt, so grab' der kleinen Todten
Ein Grab an irgend einem Platz der Welt,
Damit zum Raub sie nicht den Vögeln fällt.«
Doch aus des Schergen Munde kam kein Wort;
Er nahm das Kind und zog des Weges fort.
Der Scherge lief zum Grafen ohne Weilen,
Um, was sie sprach, wie ihr Benehmen war,
Ihm Punkt für Punkt in Kürze mitzutheilen,
Und reichte dann sein Töchterlein ihm dar.
Etwas ergriff des Grafen Herz es zwar,
Doch wollt' er trotzdem sich beharrlich zeigen;
Denn stets ist Starrsinn großen Herren eigen.[22]
Den Schergen hieß das Kind in weiche Decken
Er heimlich hüllen und es wohlverwahrt
In einen Kasten oder Korb zu stecken
Und fortzutragen schonungsvoll und zart;
Doch sich zu hüten – auf daß ihm erspart
Der Galgen sei – daß Niemand Argwohn finge,
Woher er käme und wohin er ginge.
Doch nach Bologna hin zu seiner Schwester,
Der Gräfin von Panago, schickt' er ihn,
Um sie zu bitten, dieses Kind in bester
Und liebevollster Weise zu erziehn;
Und, da für seinen Plan es nöthig schien,
In jedem Falle strenge zu verschweigen
Vor aller Welt, wem dieses Kind zu eigen.
Der Scherge ging, den Auftrag auszuführen;
Doch kehren wir zum Grafen jetzt zurück.
Stets trieb ihn Neugier, weiter nachzuspüren,
Ob nicht sein Weib in Worten oder Blick
Verändert scheine durch ihr Mißgeschick.
Doch keinen Wechsel nahm er an ihr wahr,
Ernst aber freundlich blieb sie immerdar.
Sie schien ihn unverändert noch zu lieben;
Demüthig, freundlich, thätig, dienstbereit,
In jeder Hinsicht war sie gleich geblieben;
Doch von dem Kind sprach sie zu keiner Zeit,
Und nie verrieth sie irgendwie ihr Leid;
Und selbst in frohen Stunden, wie im Grame
Blieb unerwähnt stets ihrer Tochter Name.
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