Das neue Hausregiment

[892] Der Schiermoser sitzt auf seinem alten Lederkanapee und wettert und greint.

»Wia i halt sag: wenn insa Herrgott oan verderbn will, nachher schlagt er 'hn mit Blindheit. Und wenn der Mensch blind is, nachher heirat er. Nachher nimmt er si so an langsama Selbstmord ins Haus, wias du oana bist, du alts Fegfeuer!«

Er schnupft und schlägt giftig den Deckel seiner Tabaksdose zu.

Sein Weib, die Schiermoserin, sagt gar nichts, stellt den Dreihax auf den Tisch, legt das Eßzeug dazu und schaut, ob die Pfefferbüchse nicht leer ist.

Darnach geht sie hinaus, schreit: »Zum Essen!« und trägt die Brotsuppe und die Erdäpfel auf.

Und läßt den Alten grohnen.

Der Schiermoser aber kommt immer mehr in die Hitze durch dies Schweigen seiner Hausfrau; denn er sagt sich:

»Dees is Bosheit, daß s' nixn dawidersagt! Lauter Bosheit! Woaß der Deixel, was sie sich denkt unterdem, daß s' ihra Mäu halt't! Nix Gscheit's gwiß net!« Ja, ja. Er ist nicht zufrieden mit seiner Ehefrau, der Schiermoser. Mit ihr nicht und mit ihrem Hausregiment nicht.

Und seine tägliche Rede ist die: »Ehanda werds nix, eh net i da herin s' Regiern ofang! Wo ma hischaugt, siecht ma d' Weibsbilderarbat. Und was is di wert? – Koan Schuß Pulver!«

Unterdessen setzen sich die Ehehalten an den Tisch, und die Schiermoserin betet ihr: »Vater, segne uns Speis und Trank.« –

Dann essen sie.

Der Bauer aber hockt immer noch auf dem Kanapee, schaut voller Neid und Gall auf die hungrige Gesellschaft am[892] Tisch, denen die Brotsuppe so gut schmeckt, obgleich sie gewiß und sicherlich nichts taugt wie alles, was sein Hauskreuz macht und tut, und dann beginnt er sein Gefrage, – das »Beichthören«, wie die Mägde sagen.

»Habts de Ochsen an Habern eigschütt?«

Der Oberknecht, der alt Michl, schmunzelt.

»Ham ja 's Gsott no net gfressn, dees wo eah' d' Bäuerin eine hat.«

»Dees R ...«

Er sagts nicht aus, was er auf der Zung hat.

Aber er fragt noch um ein gutes grimmiger weiter:

»Habts an Klee ganz abglaart?«

»Bis auf oa Fuader«, sagt die Mitterdirn; »sie hat gsagt, dees ko ma morgn aa no ablaarn.« Auweh. Jetzt ist's gefehlt.

»Natürli! Morgn aa no!«

Er springt auf und vergißt einen Augenblick auf sein Leiden, das ihn schon so lang plagt, – die Gicht.

»Aa no abrichten zu der Faulheit! 's Nixtoa aa no extra oschaffa! Umanandloahna den ganzn Tag und d' Leut ärgern – und aa no die andern dazua abrichtn! – Naa, naa! – Daß grad i a solches Weibsbild habn muaß! – Is d' Milli scho ausgossen? – Is d' Kuchei z'sammg'raamt? – San d' Henna eigschbirrt? – Gib an Hennaschlupfschlüssel her! – Bal net a Mannsbild überall hinterdrei arbat, is 's z'erscht nix.« –

Wenn sie halt was dawiderreden tät, die Schiermoserin! Daß man sich die Gall ein wenig wegschimpfen kunnt! Aber nichts sagt sie, – rein gar nichts. Bloß den Schlüssel legt sie ihm auf den Tisch. Dann betet sie ihren Dankgott nach der Mahlzeit.

Indes das Dienstvolk sich lustig macht über ihn, den alten Predigtstuhl, den Grandlhauer, den Knaunzer, den alten.[893]

Der Schiermoser aber geht ächzend hinaus zum Hühnerstall.

Da sitzen schon alle Hennen samt ihrem großmächtigen Schiermosergockel auf der Leiter und blinzeln schläfrig hin zum Bauern, dessen Augen forschend über die Legnester hinstreifen.

Natürlich! Nicht einmal die Eier sind abgetragen worden!

Er muß einen harten Husten bekämpfen, der ihm aufsteigt vor lauter Grimm und Zorn.

»Ja, Himme Kreiz Gruzi! – Jetz da fahr do glei der Deixl drei' in die Wirtschaft! – Aber warts nur! – Die ghörn mei, die Oar! Alle neun! – Von dene sechts nix mehr! – I hab a so no nix Gscheits g'gessen heunt. – Möcht oan ja so der Hunger mitsamt'n Appetit vergeh bei dera Weiberwirtschaft.«

Behutsam nimmt er die neun Eier aus und legt sie in seine Hausmütze. »Soo. Dees gibt a guats Oarschmalz.«

Ein leises Lachen kommt ihn an, da er den Hennenschlupf abschließt und die Eier ins Haus trägt und in die Kuchel.

Da sind sie grad fertig mit dem Geschirrwaschen und Milchausgießen, und die Schiermoserin stellt vürsichtig einen Weidling um den andern in den Milchkasten, legt die Brettlein darauf und baut abermals eine Reihe von Weidlingen darüber. Dabei passiert es ihr, daß sie ein wenigs von der Milch verschüttet; grad in dem Augenblick, als ihr Eheherr in die Kuchel tritt.

Heißa! Feuer am Dach!

»Konnst jetz du gar net aufschaugn! Muaß wieder a Maß Milli dahi sein! Haus und Hof geht mir no untern Händn z'grund, bal net bald a neus Hausregiment einakimmt! Aber dees kimmt scho eina! I wers enk scho no zoagn, wia ma arbat! Ös Weibsbilder überanand!«

Doch seine Hausfrau lacht bloß. Und geht aus der Kuchel. Und die Dirn mit ihr.[894]

So daß er ganz allein vor dem Herd steht mit seinem Zorn und seinen Eiern.

Mühsam sucht er sich ein Pfännlein, stellt es auf die Glut, schlägt etliche Eier darein und sieht, daß er das Schmalz vergessen hat.

Also holt er eilends einen Brocken aus dem Speiskasten und wirft ihn in die Pfanne.

Da merkt er, daß diese zu klein ist für neun Eier, und er sucht nach einer größeren.

Die große eiserne Schmarrenpfanne erscheint ihm schließlich passend, und er leert alles da hinaus, die Eier aus der Mütze, das Schmalz und die aus dem Pfännlein, die leider derweil stark angebrannt sind.

Endlich setzt er sich auf die Ofenbank und ißt; dabei er aber bemerkt, daß eine Speis ohne Salz und ohne Pfeffer doch nicht so recht schmeckt, wenn solche Gewürze natürlicherweise hingehören.

Doch kann er diesem Mangel ja leicht abhelfen, und er salzt und pfeffert nun sein Nachtmahl mit großer Gründlichkeit, so daß er leider in der Nacht wiederholt aufstehen muß und an den Brunnen gehen, um den Durst zu stillen. Am andern Morgen überlegt er eben, was er alles an besonderer Arbeit anschaffen könnt, damit das Weibsvolk nicht so den ganzen lieben Tag in Faulheit hinbringen tät, da überrascht ihn seine Schiermoserin mit den Worten:

»Alsdann, heunt konnst ja ofanga mit dein' neuen Hausregiment! I tua a Wallfahrt zu insana Frau aufn Birkeistoa und kimm erscht übermorgn auf d' Nacht wieder zruck!«

Damit hat sie auch schon das Kopftuch droben, den Rosenkranz und das Parasol in der Hand und ist zur Tür hinaus.

Er hat nicht einmal mehr Zeit, ihr nachzurufen, sie mög auch bitten, daß ihr unser Herrgott ein bißl von der Dummheit helf; das heißt, wenn bei ihr überhaupt noch was zu helfen wär![895]

Daß er ihr dies nicht noch sagen kann, ärgert ihn eigentlich, und so steht er schon mit einem Grimm im Herzen auf und geht hinab in die Kuchel.

»Mein Kaffee!«

Kein Mensch gibt ihm an.

Er rennt in die Magdkammer.

Aber da ist schon alles aufgeräumt; die Dirnen sind also schon fort bei irgendeiner Arbeit.

Da muß er sich wohl selber den Kaffee sieden und auch die Milch dazu.

Leider passiert ihm aber dabei das Unglück, daß er dreimal hintereinander den falschen Weidling Milch erwischt; denn er kennt die süße von der säuerlichen, die zum Buttern aufgestellt ist, nicht recht weg.

»Herrschaftseitn!« jammert er. »Jetz hab i scho den drittn Topfa! Is guat, daß sie net da is. – No ja, muaß i halt heunt z' Mittag Topfastritzerl essen.« Unterdessen vergehen zwei Stunden, und der Schiermoser wundert sich, daß drüben im Stall das Vieh so plärrt, so daß er gar keine rechte Ruh hat beim Kaffeetrinken.

»Jetz möcht i grad wissen, was die Deixlviecher heunt habn!« sagt er und schaut schließlich nach.

»Ja so!«

Da ist ja noch keine Kuh gemolken und keine gefüttert! Und der Stall nicht ausgemistet! Und kein Gras gemäht, und kein Gsott hergerichtet!

Der Schiermoser schnauft.

»A bißl viel Arbat is's scho, für oans alloa.«

Aber er bedenkt, daß er wohl hundertmal zu seinem Weib gesagt hat: »Dees bißl Haus- und Stallarbat mach i im Handumdrahn! In ana Stund hab i alles beinand – dees ganze Glump!«

Und so geht er hinaus und dengelt seine Sense zum Grasschneiden.[896]

Und darnach, beim Grasmähen, da wird er ganz fidel und munter, freut sich seines Hausregiments und mäht und werkt so dahin, bis der ganze Anger Butz und Stiel abgeschnitten ist.

»Soo. Jetz ham mir amal vierzehn Tag epps z' fressen für dees Viehzeug«, meint er, »i siech net ei, warum ma alleweil nach dem alten Stiefel furtarbatn soll! Fang ma halt amal neumodisch o

Mittlerweil ist die Sonn aber immer höher und höher gestiegen, das Vieh plärrt zum Gotterbarmen, und von der Kirchenuhr schlägts zehn.

Da denkt er ans Melken und Füttern.

Und überlegt, ob's nicht besser wär, wenn er auch hier eine neue Ordnung einführen tät: also daß er den ganzen Dreck und die Arbeit bloß einmal im Tag hätt.

»Kunnt gar net so zwider sein!« meint er. »Mir gibt eahna ganz einfach auf oamal Sach gnua und putzts aa grad oamal. Und bal ma mit dera Melcherei aa grad oamal im Tag d' Arbat hat, so is bloß Zeit gwunna. Alsdann melch i grad oamal.«

Also macht er sich über die Stallarbeit.

Aber er ist noch nicht gar lang dabei, da kommen die Knechte vom Kornschneiden heim und die Dirnen vom Garbenbinden, brummen, daß ihnen kein Mensch eine Brotzeit gebracht hätt, und verlangen grob ihr Mittagessen.

Auweh! Jetzt steigt's ihm heiß auf, dem Schiermoser!

»Was z' essen ... ja so ... jetzt hab i ganz vergessen ...«

Er läßt seine Stallarbeit liegen und rennt in die Speis – in die Kuchel.

»Herrschaftseitn, – was koch i denn – was koch i denn!«

Ratlos steht er vor dem kalten Herd.

»Daß dees spinnade Weibsbild aa wallfahrten geh muaß, wos dahoam an Haufa Arbat gibt!« brummt er schließlich.[897]

»Jetz in der Aarnt, wo ma dee Leut Nudl und a Fleisch gibt!«

Richtig! Ein Fleisch!

Im Nu ist er drunten im Keller am Surfaß.

Mit vieler Müh hebt er die Steine heraus, lupft die Bretter und nimmt ein Stück Fleisch von etwan sieben, acht Pfund.

Da fällt sein Blick auf einen Haufen Erdäpfel, deren Keime langmächtig in die Höhe wachsen.

Aus ists. Vergessen Fleisch und Essen, – Füttern und Melken.

»Saustall, verflixter!« plärrt der gut Schiermoser und wirft seinen Fleischbrocken wieder ins Faß. »Ja, wia schaugn denn die Erdäpfel aus! – Natürli, – wieder d' Weibsbilderarbat! Koa Mensch denkt ans Abkeima, und wenn d' Schoß bis in Himme auffe wachsen!«

Und er kniet schon in der Ecke und werkt und keimt ab, was's Zeug hält; eine halbe Stund, – eine ganze, – zwei – drei.

Derweil stehen und lehnen droben die Knecht und Mägd herum, brummen und schimpfen über die verrückte Wirtschaft und suchen sich schließlich selber was zu essen: Eier, Butter, Rahm und Bier.

Wenig ists nicht, was sie sich nehmen: leichtlich das Mittagmahl und ein paarmal Brotzeit! Halt so an die sechzig Eier, einen schweren Brotlaib samt einem ordentlichen Butterwecken und was der Mensch sonst noch braucht, wenn er sichs nicht schlecht gehen lassen will.

Das Vieh brüllt immer noch, und so werfen ihm die Mägde geschwind etliche Schieber voll Gras in die Barren; dann machen sie sich alle miteinander wieder auf den Weg, hinaus ins Feld.

Die Zeit geht schön langsam ihren Gang dahin, und es wird gemach drei Uhr.[898]

Der Schiermoser hat seine ganzen Erdäpfel abgekeimt, auch das Kraut in der Brente geputzt, den Fleischbrocken in den Hafen gelegt und den Keller aufgeräumt; denn er ist ein gründlicher Mensch.

Jetzt bringt er das Kartoffelkraut in großen Körben herauf und leerts hinaus auf den Misthaufen.

Da hört er die Kälber schreien.

»Jessas! Meine Kaibei ham aa no koa Trank und koa Heu!«

Eilends rennt er zurück in die Kuchel, macht ein großes Feuer an und stellt den Hafen mit dem Gerstenbruch und der Weizenkleie auf, gießt eine Pfanne voll Milch ein und schiebt den Tiegel mit dem Fleisch aufs Feuer.

Dann ruft er kreuzfidel in die Stube: »Kinnts glei essen!«

Doch da ihm niemand antwortet, wundert er sich und meint: »Ja, wo san denn dee? Dee wern do net ohne Essen furt sei? Mei, mir konn do aa net hexen! Oans nach dem andern!«

Er sucht die Leiter her und stellt sie unterm Heuboden auf.

»Jetz muaß i derweil no gschwindse a Kaibeheu abaschmeißn.« – – – »Bauer! – Is Bäuerin drin?«

Ein Handwerksbursch fragts, grad als der Schiermoser über die Leiter hinaufkraxelt.

»Naa. Garneamd.«

»Soo. Nachher machts aa nix. Pfüa Good.«

»Pfüate.«

Der Schiermoser verschwindet im Heuboden.

Aber auch hier sieht er manches, was ihn erzürnt und ärgert, und es dauert eine gute Zeit, bis er sein Kälberheu in die Tenne hinabwirft.

Endlich erscheint er wieder in der Öffnung und tastet vürsichtig mit dem Fuß nach der Leiter. »Himme Herrgott ...«

Ja – wo ist denn die Leiter?[899]

Hat einer schon einmal einen Bauern richtig fluchen hören?

Der Schiermoser flucht in diesem Augenblick wie ein Schwed. Wie ein Pandur.

Und drunten tritt aus der Haustür der Handwerksbursch, einen vollbepackten Rucksack am Buckel, einen schweren Korb am Arm, – und neben sich des Schiermosers schönes gutes Rad.

»Pfüate Good, Bauer! Sagst zu deiner Bäuerin: es hat mir nix weiter gmacht, daß s' net dahoam gwen is! Mit dee Manner is viel leichter arbatn, sagst. Gar mit solchene, wias du oana bist!«

Damit schwingt er sich aufs Rad und fährt davon.

Und läßt den guten Schiermoser in seiner Verzweiflung und Wut zurück.

In diesen Stunden kunnt der Teufel wieder viel holen, wenn er Derweil hätt! Alles und sogar den Schiermoser selber!

Ein Glück, daß die Schiermoserin auf dem ganzen Weg keine rechte Ruhe hatte. So gegen Abend kommt sie heim.

Und findet einen ganz kleinen, frommen Eheherrn, der alles, alles hingibt, wenn er wieder herabdarf vom Heuboden: alles – sogar das neue Hausregiment![900]

Quelle:
Lena Christ: Werke. München 1972, S. 892-901.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Bauern
Bauern. Bayerische Geschichten.
Gesammelte Werke: Erinnerungen einer Überflüssigen /Mathias Bichler: Erinnerungen einer Überflüssigen / Mathias Bichler / Rumplhanni / Madam Bäurin / Bauern

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Das neue Lied und andere Erzählungen 1905-1909

Das neue Lied und andere Erzählungen 1905-1909

Die Sängerin Marie Ladenbauer erblindet nach einer Krankheit. Ihr Freund Karl Breiteneder scheitert mit dem Versuch einer Wiederannäherung nach ihrem ersten öffentlichen Auftritt seit der Erblindung. »Das neue Lied« und vier weitere Erzählungen aus den Jahren 1905 bis 1911. »Geschichte eines Genies«, »Der Tod des Junggesellen«, »Der tote Gabriel«, und »Das Tagebuch der Redegonda«.

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon