Der Moserbauer von Kreuth galt schon von jeher als ein wohlhabender Mann, und man schätzte ihn leichtlich auf hunderttausend Mark.
Aber – was sind hunderttausend Mark, wenn man sie durch sechs teilt? Nimmer viel. Grad noch eine von den bekannten Fliegen, die der Teufel in der Not frißt. Nun waren aber auch beim Moserbauern ihrer sechs Kinder. Und sie waren so verteilt, daß immer auf ein Maidl zwei Buben folgten. Also vier Buben und zwei Dirndln.
Alle sechs gesund, nicht uneben von Gestalt und im besten Alter – so zwischen Zwanzig und Dreißig. Und sie hätten wohl sicherlich längst alle gut verheiratet sein können, wenn eben nicht diese Sechsteilung gewesen wäre. Mangel an Überfluß schreckt jeden Freier und macht jeden unwert, je nachdem.
Also die Moserkinder waren noch ledig, da kam der Krieg. Und die Buben mußten hinaus – alle vier.
Und da es endlich hieß: »Friede wird! Parole Heimat!«, da war von den Moserbuben kein einziger mehr dabei, der mit einmarschierte in das kleine Dorf.
Alle vier liegen draußen im fremden Land – zur guten Ruh gebettet. –
So sind nun aus den sechsen zwei geworden und gelten plötzlich als gute Partie. Denn hundert Tausender geteilt durch zwei gibt ein gerechtes Häuflein, nicht zu verachten als Morgengabe für einen Freier! –
Besonders dem Schweigerlenz von Lindach wär's nicht ungelegen, wenn ihm einer von den Mosergeldsäcken in den Schoß fiele! Und drüben in Au ist auch einer, der so denkt: der Schneithubermichel.
Darum sagt der eines Morgens zu seinem Alten: »Du, Voda, was moanst?«[809]
Und der alte Schneithuber erwidert: »Was soll i moana?«
Darauf erklärt der Sohn: »No, zwegn der Heiraterei. I wisset mir oane.«
»Ja so«, sagt da der Alte; »heiratn sagst. Ja no. Dees wirst scho selm wissen, wer, wie und was.«
»Woaßt, fuchzgtausad March und gar net schiach!« erklärt der Michel weiter.
Jetzt horcht er aber auf, der Schneithuber.
»Fuchzgtausad sagst? Mei Liaber, nachher is's koane von Au! Nachher muaß i s' scho wo anders suacha.« Er überlegt eine Weile. »Da is amal d' Rauthalerlies von Seeon; aber die hat grad dreißgtausad. – Und d' Nackmoarsusann von Berg ... naa – die hat ja an Buckel und schiergelt auf oan Aug. Und du sagst, daß s' net schiach is. – Ja mei – was kunnts nachher leicht für oane sein? Da wüßt i koane als wie eppa oane von dee zwoa Moserdirndln von Kreuth!...«
Sein Sohn, der Michel, hat eine Endsfreud. »Derraten hast es, Voda!« schreit er; »akrat derraten!« Und er schlägt sich lachend auf die Knie.
Aber sein Vater hat Bedenken.
»Moanst, daß von dene oane Schneithuaberin werdn möcht?«
Doch sein Bub lacht noch mehr. »Was moanst? Net mögn, moanst? Mi, den Schneithuabermichel von Au? O mei, Voda! Da bist gstimmt! Bis zum Sunnta bin i Hochzeiter, da wett i! Oane von dee Moserdirndln wird Schneithuaberin – so gwiß, wie zwoa und zwoa vier is!«
So denkt und spricht der Schneithubermichel von Au.
Und droben in Straß der Windelbauer, ein Wittiber in den besten Jahren, hat auch gerad den schwarzen Plüschhut in der Hand, steckt eine feuerrote papierene Rose darauf und macht sich auf den Weg nach Kreuth, indem er zu sich[810] selber sagt: »Bal oaner 's Zwoaspannigfahrn gwohnt is, soll er 's oaspannig bleibn lassen. Entweder nimm i d' Nanndl oder i nimm d' Mirl. Oane von dee Moserdirndln muaß's werdn. Nachher kann i dem Heimerlbauern, dem Spitzbuam, aa glei sei Hypothek hoamzahln.« –
Drunten in Holzen aber spannen die beiden Reiserbuben das Bräundl vor den Schlitten und fahren gleichermaßen nach Kreuth, fest davon überzeugt, daß einer von ihnen in längstens acht Wochen Moserbauer ist, während der andere nach derselben Frist die Schwester des Bräutls als Reiserbäuerin heimführt.
Welcher von ihnen die Mirl und welcher die Nanndl nehmen soll, ist ihnen völlig gleichgültig. Der Geldsack macht's – und der ist bei beiden gleich.
Also fahren sie guten Muts dahin und kommen just zu der Stund an den Moserhof, da gerade noch ein paar Bewerber dort eingetroffen sind.
Alle miteinander aber haben es schlecht erraten mit dem Besuch; denn die Nanndl treibt eben die beiden Ochsen um den Klöppel der Gesottschneidmaschine, knallt mit der Geißel und plärrt alle Augenblick: »Wüah! Hüh! Gehts zua, sag i!«
Und die Mirl steht droben am Heuboden, räumt das geschnittene Gesott von der Maschine weg und schiebt es hinab in den Futterschacht des Stalles.
Da die Nanndl die verschiedenen Mannsbilder vor sich sieht, stößt sie einen gellenden Pfiff aus und schreit:
»Ööh! Öha!«, worauf die Ochsen stillstehen.
Dies hat zur Folge, daß auch droben am Heuboden ein Pfiff ertönt und die Mirl ihren bestaubten Kopf aus der Fensterluke streckt und zur Schwester hinabruft: »Was geihts?« – »Kemma han wieder a paar!« erwidert diese, mustert Roß und Schlitten, dessen Insassen und die andern Besucher und treibt danach wieder ihre Ochsen an.[811]
Und auch die Mirl werkt nach einem kurzen Blick auf die Angekommenen wieder weiter, ohne ihrem Vater, der die Schneidmaschine bedient, auch nur ein Wort zu sagen.
So kommt es, daß die vier Mannsbilder reichlich und gutding Zeit und Derweil haben, sich den Moserhof und die eine von den Erbinnen genau zu betrachten. Auch kommt bald eine kleine Unterhaltung in Gang zwischen ihnen.
»Habts aa a Gschäft da?« fragt einer von den Reisersöhnen.
»Ja.«
»Woher seids denn ös?«
Die beiden andern tun fremd. »Mir ghörn net zsamm. Mir ham grad oan Weg ghabt. Oana is von Lindach und der ander von Au.«
Die beiden Reiserbuben wollen noch mehr wissen. »Seids leicht da zwegn an Viech?«
Aber die andern zwei haben bloß ein Nein als Antwort.
Und der eine, kein anderer als der Schneithubermichel von Au, stellt sogar eine Gegenfrage: »Zwegn was seids denn ös da? Eppa zwegn dera da hint?« Er zwinkert vielsagend mit den Augen nach der Nanndl hin.
Doch die Reisersöhne sind auch nicht dumm. Sie wollen bloß um einen Heißen fragen – um ein Rößl, ein gutes.
Aha. Nun ja. Er, der Michel, will bloß ein paar Zentner Samenweizen. Und sein Weggefährte, der Schweigerlenz von Lindach, will um ein schweres Stierkalb fragen. Denn die Moserkälber sind gar berühmt weit und breit! Nur so nebenbei meint er: »Der wird jetz hübsch überlaufa werdn, der Moserbauer. Zwegn dee Weibsbilder, moan i.«
Jetzt sind es die anderen, die sich unwissend stellen. »Warum zwegn dee Weibsbilder? – Ja so – zwegn eahnan Heiratsguat. No ja – mei – der oa möcht die und der ander die ...«[812]
Die Unterhaltung gerät ins Stocken, denn die Nanndl spannt auf einen Pfiff ihres Vaters hin die Ochsen aus und weist sie in den Stall. Und die Mirl steigt vom Heuboden herab und geht ins Haus, indem sie die Angekommenen mit einem züchtigen »'ß Good beinand« begrüßt.
Derweil tritt auch der Moserbauer aus der Tenne und sieht die Leut.
Er geht bedächtig auf sie zu, hört sich ihren Gruß und ihre Wünsche an und sagt: »Hübsch Schnee ham mir wieder kriagt, ja. Is aber recht. Nachher tuat eahm der Frost net so viel – an Troad ...«
»Hast an Samawoaz für mi?« fragt, ihn unterbrechend, der Michel von Au. Denn er ist der Ungestümste von allen Freiern.
Doch der Moserbauer ist nicht auf den Kopf gefallen. Er weiß genau, was der ander will. »Wieviel Tagwerk möchst denn anbaun damit?« fragt er.
»Fuchzehne«, sagt der Michel arglos.
»Baust mehra Korn? Oder hast a Tagwerk Mischling aa im Sinn?«
Je nun. Auf solche Fragen sagt jeder die Wahrheit. Und so erfährt der Moser, daß man beim Schneithuber so an die zwanzig Tagwerk Korn, fünf bis sechs Tagwerk Mischling und etwa zwanzig Tagwerk Haber anbaut. Erdäpfel gibt's auf zwölf Tagwerk Land.
Und der Alte rechnet im Kopf: »Fuchzehne – fünfadreißg – vierzg – sechzg – siebazg. Und Wiesen ... aha. Wird er leicht so hundert Tagwerk stark sein.«
Er mustert genau den Anzug vom Michel. Er wär' gar nicht übel; gutes Tuch – der Mantel schwer – die Stiefel vom Bauernschuster gemacht – keine Stadtware.
»Alsdann, i will schaugn«, sagt er langsam, »ob i dir no a paar Zentner gebn kann. Geh eine in d' Stubn derweil und hock di a weng nieder.«[813]
»Ja, Herrgott! Das schaut ja schier aus, als täts was werden!« denkt schmunzelnd der Michel. Und die andern denken zähneknirschend dasselbe.
Der Schweigerlenz aber kann sich nicht mehr beherrschen. Er vergißt ganz auf sein Stierkalb und auf die angestammte Bauernschlauheit.
»Daß d' jetz du den Pfennigfuchser zu an Tochtermo nehma magst!« sagt er. »Da gäbs do wirkli no andere aa, die für a deinigs Dirndl passetn. Schaug mi o! Der oanzige Bua, hundertfuchzg Tagwerk und vierzg Stuck Vieh im Stall! Und schuldenfrei! Durft si a jede d' Finger bis zu dee Ellabogn abschlecka, bal s' mi kriagn kunnt!«
Au weh, Lenz! Diesmal hast du zu weit geschossen! Der Moserbauer lacht bloß. Und schüttelt den Kopf. Das Antworten aber besorgen die beiden Reiserbuben.
»Ja, da schaug her!« meint der eine. »A solchener ist mir aa no net vürkemma, der si selber anfeilt wie der billige Jakob sei Kraxenglump!«
Und der andere fügt bei: »Und vom Fingerabschlecka is beim Moserbauern seine Töchter überhaupts koa Red, dees mirkst dir! Die Arbeit derfst scho du selber macha!«
Solche Worte sind keine schöne Musik für den Lenz und auch kein Schlafpülverlein. Sie sind eher zu vergleichen mit den Stichen der Wespen oder Hornissen, und es ist nicht zu verwundern, daß der gute Lenz in die Höh' fährt und zuschlägt.
»Wird di aber weni oder gar nixen ogeh!« schreit er. »Und den andern Springginkerl aa net! Gott sei Dank, daß mir net drauf ostehn auf die paar Kreuzer vom Moserbauern! Aber ös Hungerleider! Ös Fretter! Ös ...« Weiter kommt er nicht, denn die Reiserbuben haben ihn schon bei der Gurgel und bei den Haaren.
Aber just in dem Augenblick erscheint der festtäglich aufgeputzte Windelbauer von Straß im Hof. »Ja, Himmelseiten![814] Is bei enk heunt scho Kirta?« fragt er verwundert; »jetz hab i gmoant, i geht auf Brautschau, derweil kimm i zum Raafa recht.«
Und er wendet sich zum Moserbauern, der vergebens versucht, die drei Hitzköpfe zu beruhigen: »Zwegn was gehts denn her, Moser? Hams dein Zweschbenschnaps derwischt? Oder gehts zwegn dee Weiber her?«
Der Moser winkt ab. »Ah was! Laß s' raaffa! Die hörn scho wieder auf, bals gnua habn. – Wo kimmst her und was möchst?«
Der Windelbauer schiebt unternehmend den Hut ins Genick. »Was i möcht, fragst«, sagt er. »Paß auf, i sag dirs glei grad außa: a deinige Tochter möcht i.« Der Moser tut verlegen. »A so sagst! A meinige Tochter möchst? Ja mei, Windel, da werds epps habn. Die andern da, die drei – und der Schneithubermichl vo Au möchtn halt aa oane. Und ich hab grad zwee. Und a Stuck a fuchzehne san scho dagwen und habn gmoant, es muaß sein. Kannst ja amal einegeh in d' Stubn.«
So was hört jeder gern, wenn's ihn selber angeht. Aber die drei, die sich derweil noch rechtschaffen abgerauft und abgestritten haben, haben auch gute Ohren. Und es paßt ihnen gar nicht, daß da schon wieder einer den Vorzug haben soll.
Darum wenden sie sich nun endlich an den Moserbauern mit ihrem Anliegen: »Der Voda laßt dir sagn, obst net an saubern Heißen hättst? An Schimmel oder a Rapperl. Was er kosten soll, will er aa wissen, und du sollst amal umeschaugn zu eahm. Er hätt allerhand zum dischbetiern mit dir. Und d' Muata hat uns epps mitgebn für deine Dirndln.«
Sie holen geschäftig ein Handkörblein aus dem Schlitten. »A paar Zuckersträuberl, daß's a süaß's Mäu kriagn, deine Dirndln.«
Der Moser lacht sein verschmitztes Lachen. »Aha. Für d'[815] Dirndln, sagts. – Und zwegn an Heißn, sagts. Aha. No ja. Müaßts halt amal eineschaugn. Spannts halt aus derweil. Wern mirs nachher scho sehng.«
Also. Nun sind alle glücklich beieinander bis auf den Schweigerlenz.
Dem aber fällt plötzlich das Stierkalb ein, und er tut so wichtig und lobt die Kälber des Moserstalles so sehr, daß der Alte wirklich nichts Besseres zu tun weiß, als auch ihn zu bitten, er mög' ins Haus gehen.
So sind sie denn alle beisammen, die Freier. Und der Moserbauer pfeift seinen Töchtern. »A Bier am Tisch und a Brot für d'Leut!« befiehlt er.
Die beiden erscheinen schüchtern und mit fromm gesenktem Blick. Und nachdem sie das Gewünschte auf den Tisch gebracht haben, verlassen sie sogleich wieder die Stube.
Dafür erscheint jetzt die Moserbäuerin, eine dicke, hinkende Alte mit vorquellenden Augen und einem dichten Bartflaum um Mund und Kinn.
»So, seids da!« begrüßt sie die Besucher. »I kann mirs scho denka, zwegn was daß's da seids. Ja no. Dees woaß ma ja. – Da – trinkt amal a jeder!«
Sie deutet auf den bauchigen Humpen und setzt sich danach auf das Kanapee.
Kreuzmillion! Es ist nicht leicht, seine Wünsche zu offenbaren, wenn noch vier dastehen, die das gleiche möchten!
Ein wahres Glück, daß der Moserbauer so schöne Rehgewichtl in der Stube hängen hat – und daß er die Photographien seiner vier gefallenen Buben aufgestellt hat. Das ist doch wenigstens ein Gesprächsstoff.
Und man gewinnt Zeit. Und man kann zeigen, daß man nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen kam.
Der Schneithubermichel ist der erste, welcher dies zeigt. Er setzt sich zur Moserin aufs Kanapee, lobt ihr schmackhaftes Brot und die Hand, welche es gemacht hat, schwatzt[816] von diesem und jenem und rückt sich ins denkbar schönste Licht.
Und er versichert, daß er, wenn er nun noch seinen letzten Wunsch – die andern hätt' ihm unser Herrgott so alle erfüllt – zur Wahrheit machen könnt: nämlich daß er Tochtermann einer so guten, riegelsamen und werten Frau Mutter werden könnt, wie die Moserin eine wär', – ja – er sage es keck – dann möcht' er mit keinem Prinzen tauschen.
Darauf erwidert ihm freilich der Windelbauer, mit einem Prinzen tät jetzt überhaupt kein vernünftiger Mensch mehr tauschen; denn im Volksstaat hätt' sich die Prinzenschaft aufgehört.
Damit hat auch er die Klippe überwunden. Und nicht lange währt es, da weiß auch von ihm die Moserin alles, was er glaubt, daß es ihr angenehm in den Ohren klinge.
Die andern haben den Moserbauern derweil hübsch in Beschlag genommen.
Von der Jagd reden sie und vom Krieg, von der Politik und vom Vieh.
Und wollen doch alle miteinander damit nichts anderes sagen als: »Gib mir eine von deinen Töchtern! Mir!«
Der Windelbauer und der Schneithubermichel aber haben derweil die Moserbäuerin ganz freundlich und lustig gemacht und sind fest davon überzeugt, daß sie beide die Bevorzugten sind. Daher schauen sie allmählich immer öfter und immer tiefer in den Humpen, werden immer lauter und anmaßender in ihren Reden und treten endlich kurz entschlossen auf die Reiserbuben und den Schweigerlenz zu, indem sie fragen: »Zwegn was san denn de da? Jetz werds aber bald Zeit, daß's verschwindts! He, Moservoda! Gib eahna an Tritt, daß s' außefliagn! Für dee Handwerksburschen gibts koan Zehrkreizer nimmer! He! Habts ghört, ös drei?« Ob sie's gehört haben![817]
O Windelbauer! O Schneithubermichel! Sie haben's wohl gehört! Und sie zahlen euch's heim mit gutem Zins!
Der Schweigerlenz, der sich noch von der vorhergehenden Erregung kaum erholt und beruhigt hat, ist der erste, der in die Höh' fährt. »Wia habts gsagt? Habts ös net Handwerksburschen gsagt?«
Der Windelbauer lacht: »Warum? Bist leicht du epps anders?«
Und der Michel stupft die Reiserbuben: »Dee zwee Fliagnfanger aa scho! Dee arma Hund, dee arma!«
Auweh! Jetzt hat er das Häflein zu voll gegossen! Jetzt läuft's über! Die Reiserbuben stürzen sich gleich wilden Hunden auf die beiden Spötter.
»Was habts gsagt? Hund habts gsagt! Handwerksburschen habts gsagt! Fliagnfanger habts gsagt!«
Und schon dreschen ihre Fäuste auf die beiden los, daß es nur so kracht. Und der Lenz schiebt auch die Händ' nicht in den Hosensack; der drischt auch mutig und tapfer mit und schaut nicht lang, ob er einen von den Sprüchmachern unter seiner Faust hat oder einen von den Reiserbuben.
Der Moserbauer fährt fluchend und scheltend darein: »Ja Himmelherrgott! Auseinander, sag i! Ös waarts mir no die rechtn! Solcherne Hallodri kunnt i no braucha auf mein Sach! Ausanand sag i und marsch weiter! Sinst kann sei, daß i mit der Goaßel kimm!« Die Moserbäuerin aber springt erschrocken vom Kanapee in die Höhe, ruft alle Heiligen an und läuft zitternd und zagend davon. Unter solchem Geräufe ist es kein Wunder, daß alle miteinander die Ankunft eines Schlittens überhören, dem zwei saubere Burschen entsteigen – die beiden Söhne des Posthalters von Kreuth.
Und daß sie übersehen, wie die beiden Mosertöchter den Burschen entgegenlaufen, wie sie sich tätscheln und kosen lassen und tun, als wären sie der lautere Zucker![818]
So kommt es denn, daß plötzlich die Tür der Stube aufgeht und daß das Gelächter der vier so laut und vergnügt zwischen die Raufenden fährt, daß die ganz erschrocken auseinanderrumpeln und an die Tür stieren.
Ja – das ist ja – das sind ja ...
»Da san meine Dirndln«, sagt in dem Augenblick der Moserbauer wieder ganz friedlich und vergnügt, »und da san meine zwee Tochtermanna. Zu der Hochzat seids alle mitanand eing'laden. – Soo, und was is's jetz mitn Stierkaibe ... und mitn Heißen ... und mitn Samawoaz ...«
»O du Erztropf, du miserabliger!« denkt der Schneithubermichel.
»I pfeif dir auf dei Kaibe!« murmelt der Lenz.
Und: »Geh ma ... sinst vergiß ich mi ...«, sagt der eine Reisersohn zu seinem Bruder.
Der Windelbauer aber seufzt: »Teife, Teife! Jetz kann i dem Hanswurschtn, dem Heimerl, sei Hypothek aa net zruckzahln! – Der Geldsack kimmt halt allemal wieder zum Geldsack, da kannst macha, was d' willst ...«
Und er folgt zähneknirschend den andern und schlägt die Haustür zu, daß alles knallt.[819]
Ausgewählte Ausgaben von
Bauern
|
Buchempfehlung
E.T.A. Hoffmanns zweiter Erzählzyklus versucht 1817 durch den Hinweis auf den »Verfasser der Fantasiestücke in Callots Manier« an den großen Erfolg des ersten anzuknüpfen. Die Nachtstücke thematisieren vor allem die dunkle Seite der Seele, das Unheimliche und das Grauenvolle. Diese acht Erzählungen sind enthalten: Der Sandmann, Ignaz Denner, Die Jesuiterkirche in G., Das Sanctus, Das öde Haus, Das Majorat, Das Gelübde, Das steinerne Herz
244 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro