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[781] Hinten im Austraghäusl des Schiermoserhofs sitzt die Bäuerin wie eine Kreuzspinne am Fenster und lauert hinter den geblumten Kattunvorhängen, damit ihr nichts auskommt, was vorn im Hof geschieht.

Und so bleibt ihr nicht verborgen, daß ihr Franz Hand in Hand mit dem Stadtfräulein zur Tenne geht, wo sie ihren Schiermoser an einem Treibriemen herumhantieren sieht.

Lachen und Scherzen dringt zu ihr hinüber und hinein in ihre stille Kammer, darin nur ein paar Herbstfliegen summen und die alte Uhr ihr steifes Ticktack hackt.

Sie ist zusehends alt geworden, die gute Schiermoserin.

Die Trennung von den Ihren, dies tatenlose, hinbrütende Leben taugt ihr nicht und macht sie ganz krank und serbend.

Das Brüllen ihrer Kühe, das Blöken der Kälber, das Gackern der Hennen schneidet ihr tief ins Herz und macht ihr ein Heimweh nach dem Hof und Stall, nach Kuchel und Speis, nach dem gewohnten Tun und Schaffen, daß sie oft vermeint, sie müsse aufspringen und hinüberrennen zu ihren Leuten – zu ihrem Vieh.

Aber da ist ihr Bauernstolz – ihr Bauernschädel, ihr eigensinniger[781] und halsstarriger. Und er läßt es nicht zu, daß sie nachgibt.

»Lieber bis zum letzten Schnaufer und Seufzer hier am Fenster hocken und Trübsal blasen, als mit der da drüben in einem Haus zusammen leben!« denkt sie.

Und ihre Mutter bestärkt sie noch täglich und stündlich in ihrem Starrsinn und Haß. Der alte taube Vater freilich mag nichts wissen von Zank und Streit, von Hader und Verdruß. Auf ihn hört man aber nicht. Und um des lieben Friedens willen tut er scheinbar, wie die beiden wollen.

Im geheimen aber geht er noch oft hinüber in Stall und Tenne, ins Haus und in die Stadel und bastelt und hantiert wie sonst.

Und da er taub ist, so trägt er weder seinem Weib und seiner Tochter etwas zu noch denen vorn im Hof. Für ihn ist die Welt schön und gut, so wie sie gerade ist, und er begreift nicht, daß die Leut' darin nicht Platz haben.

Er liebt Mensch und Vieh und kennt auch nicht den Unterschied zwischen Stadt und Land, denn er kam nie aus seinem Heimatgau hinaus. Alle aber, die ihm innerhalb desselben in den Weg treten, begrüßt er mit fröhlichem Gruß. Denn er hört nicht den Gegengruß, klingt der nun kalt oder warm, herzlich oder abweisend, spöttisch oder teilnehmend. Und so hat er auch für Rosalie jedesmal ein Scherzwort, ein freundliches Lachen, ein wohlwollendes Kopfnicken. Darnach macht er sich zufrieden wieder davon. –

Die Schiermoserin hat derweil von ihrem Fenster aus die Rätin reisefertig aus dem Haus gehen sehen, und sie sucht vergebens nach einer Lösung dieses Rätsels.

Denn etwas Besonderes muß da wohl vorgefallen sein, daß die so mittendrin davonläuft! Aber was?

Am Ende ist die Junge bloß zum Pfüatgottsagen mit dem Buben in die Tenne?

Sie wollten ja doch schon morgen reisen, sagt die Barbara.[782] Vielleicht wird doch das Haus bald wieder rein von dieser Stadtbrut, von dieser ganz gefährlichen!

Da kommt auch das alte Fräulein aus der Haustür.

Aber ... die geht ja auf das Austraghäusl zu!

Die wird doch nicht gar zu ihr wollen?

Die Schiermoserin rückt unruhig auf ihrem Sessel hin und her und reckt sich schier den Hals aus vor lauter Schauen. Wahrhaftig! Die kommt pfeilgerade ins Haus herein!

Was sie wohl will von ihr?

Die Stimme gehorcht ihr kaum, da sie auf das Klopfen eine Antwort geben will. Aber sie strafft sich unwillkürlich zur Höhe und sitzt kerzengerade, als die Tür langsam und knarrend aufgeht und Tante Adele mit einem lebhaften: »Ja, grüaß di Good, Schiermoserin!« in die Kammer tritt.

Rauh erwidert sie bloß ein kurzes: »'ß Good aa.«

Dann wartet sie mit krampfhaft zurückgedämmter Neugier auf das, was kommt.

Und Tante Adele läßt sich nicht lange bitten, die redet frei von selber und sagt, was sie auf der Leber hat.

Und da sie die Gesinnung der Schiermoserin kennt, so beschränkt sie sich dabei auf das Notwendigste.

»Also, Schiermoserin«, sagt sie, »daß i dir's z'wissen mach: Unser Roserl und euer Franzl hab'n in sechs Wochen Hochzeit. – Sie kriegt sechzehntausend Mark bar's Geld und ihre Aussteuer. Außerdem laß i ihr an sauber'n Kuchelwag'n zuaricht'n. Balst gern z'sammhaus'st mit ihr, is's uns recht – wenn net, nachher machts aa nix. Nachher wirds alloa aa firti drent. Soo, und jetz hab i no unser Schuldigkeit für d' Sommerfrisch' zu bereinigen, und nachher geh' i wieder.«

Damit legt sie ein paar Banknoten auf den Tisch, läßt die Schiermoserin in einer sprachlosen Betäubung und Wut zurück und geht langsam die Stiege hinab und hinüber zum Bauern in die Tenne, um auch ihm zu sagen, daß[783] Rosalie nicht das arme Maidl wär', für das man sie etwa halte.

Und am Abend dieses Tages, nachdem sie noch alles für

die Abreise zurechtgemacht hat, legt sie sich zufrieden in ihre Kissen zurück und murmelt: »Soo. Das Nest hätt'n wir gerichtet. Hoffentlich sitzen sie gut, die zwei!«

Quelle:
Lena Christ: Werke. München 1972, S. 781-784.
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