Kindstauf und Einstand

[331] Etwan eine Woch nach diesem kam die Mutter Nandl und trug ihr Kindlein in einem dicken Pack von Kissen und Tüchern auf dem Arm; hatte ihm auch etliche Rosenkränz, Amuletten und Ablaßpfennig um den Hals und die Fingerlein gewunden und ein geweihts Wachs auf die Zudeck[331] gebunden, auf daß dem armen Heidenbübl nicht vom bösen Feind oder von einer Hex kunnt was Übles angewunschen werden.

Nun gab es ein großes Zulaufen; Knecht und Mägd, Bauer und Bäuerin und auch die Jungfer Kathrein kamen, das Wuzerlein zu betrachten, bei den winzigen Händlein zu fassen und über die seidigen Härlein zu streichen; worüber ich am End ganz wild wurde; denn ich hatte sogleich das versprochene Amt der Kindsdirn übernommen, den verstäubten Kinderwagen vom Dachboden geholt, einen Haufen Bettzeug und Polster aus dem ganzen Haus zusammengeschleppt und das elendige Dinglein hineingebettet.

Und nachdem ich neue Zwecken in die hölzernen Räder des Wagens gesteckt hatte, bracht ich das Büblein sogleich in demselben vor das Haus des Bürgermeisters und zeigte es ihm an als das Kind der Weidhoferschwaigerin Nandl Wiesmüller und des Paulus Heckmaier, genannt Häuslpauli von Sonnenreuth. Der hatte sichs nun wirklich überlegt, hatte vier Gulden für das Kindl und einen feisten Stallhasen für die Mutter Nandl geschickt und dazu sagen lassen, daß es mit allem seine Richtigkeit hätt, und wenn die Nandl Lust hätt, Häuslerin zu werden, könnten sie's noch vor Kathrein richtig machen.

Worauf ihm die Nandl voller Freud sagen ließ, es müßt wohl gut Häuslerin sein, und – je ehender, desto lieber.

Da sah es nun gerad aus, als sollten in Bäld zwei Hochzeiten statt einer zugericht werden im Weidhof, wie denn auch geschah; denn die Jungfer Kathrein war schon mit ihrem Hochzeiter, dem Lackenschusteranderl, aufs Gfesten, das ist, zum Pfarrer wegen des Stuhlfests und der Ehestandslehr gegangen, waren auch schon zweimal von der Kanzel herab verkündigt worden und hatten bereits beim Sonnenreuther Klinglwirt das Hochzeitsmahl angedungen.[332]

Die Nandl wiederum hatte den Pauli eilig in den Weidhof holen lassen, ihm den Jaschmarren zum Zeichen ihrer Einwilligung vorgesetzt und alles mit ihm richtig gemacht zwegen der Ausricht und dem Heiratsgut. Er war wohl zufrieden mit seinem Bräutl und lief also eilig zum Pfarrer, damit das Büblein ohne Verzug in seine Rechte möcht kommen als ein gut eheliches; worauf ihm der geistliche Herr den Verspruch tat, noch vor der Kirchweih die dritt Verkündigung zu ordnen.

Nun aber mußt noch das kleine Heidlein getauft werden, und ich sollt ihm richtig zum Gevatter stehen; was mich gar stolz und narret machte.

Da wollt ich ihm denn gern ein ansehnliches Godengeschenk geben und beriet mich dessentwegen mit allen vornehmen Leuten, dabei denn die einen meinten: einen silbernen Becher; die andern: einen schönen, guten Frauentaler; wieder eine riet mir zu einem Paar feiner Schühlein und eine andere zu einem Rosenkranz mit vielen Ablaßpfennigen dran.

So wollt ich mir also vom Weidhofer mein Jahrgeld geben lassen für die Tauf, was zu der Zeit war: sieben Gulden und dreißig Kreuzer als Viehbub nebst einem härenen Hemd und ein Paar Schuh; dasselb, was auch der Ochsenbub Lohnung hatte, doch zwei Hemden. Der Ziehvater aber gab mir eine gute, silberne Uhr samt Kette, einen funkelnden Tauftaler und einen feinen, beinernen Muslöffel, wobei er sagte: »G'halt dein Geld und hebs gut z'samm! Soviel hat der Weidhofer alleweil, daß er eine Taufgab richten kann!«

Wohl zufrieden mit solcher Rechnung machte ich mich nun geschwind daran, noch allerhand kleine Dinge zu schnitzeln und zu schneiden für mein Godenkind; denn was ich auf der Alm gemacht hatte, war alles bei dem Feuer verbrunnen; wie denn die Nandl auch berichtet hatte, daß der[333] Ambros schon oft gesagt, da er noch auf der Alm war: »Dem Hias, dem scheinheiligen Tropfen, heiz ich noch einmal ein, daß er sein Lebtag mehr kein Feuer braucht! Dem laß ich den roten Gockel noch aus seiner Kammer springen!«

Also schnitt ich vielerlei; ein zierlichs Tischzeug für mein Godenkindl, aus Messergriff, Löffel und Gäbelein bestehend, die Gabel mit zwei Zinken; auch ein hübsches Dockenköpflein, woraus mir alsdann die Ziehmutter eine Wickeldocke nähen mußte; dazu noch mancherlei Tiere und Häuser, mit denen es dereinst gut spielen könnt.

So kam der große Tag, an dem ich schon lang vor der Morgensonn auf war, die Angebinde bald hierhin, bald dorthin ordnete, an meinem Festtagshabit umbürstete und stäubte und den Flaum auf meinem Hütl wohl zwanzigmal anders steckte, bis er mir gut genug deuchte.

Mit einer andächtigen Zärtlichkeit fuhr ich dann den kleinen Balg, nachdem ihn seine Mutter gebadet hatte, in der Kammer auf und ab und wickelte sein Schnullerläppchen mit einer ernsten Sorgfalt, während meine Ziehmutter, die Meßmerin, den Taufstaat der Kostkinder aus der Kommodlade nahm und samt dem Wickelkissen mit dem blaugeblümelten Überzug aufs Bett des Kindleins legte und dazu meinte: »Da, steckts 'n gleich in das Gwandl; meinerthalben soll ihm ein ordentlichs Taufzeug nit mangeln! Es ist das nämliche, in dem du schon gschrien hast. Vielleicht schlagt 's ihm einmal zum Glück aus! Ist keins mehr dringsteckt, seitdem daß du's anghabt hast selbigsmal zu deiner Tauf!«

Drauf gab sie dem Kind noch einen Weichbrunn und ging wieder; mir aber wurde eine Stund schier zum Tag, bis es endlich Zeit war, daß wir uns richteten.

Da flog's! Auf ja und nein steckt ich in meinem Festgewand und lief darnach aufgeregt in die Stube der Nandl, sie bittend,[334] daß sie mit meinem Godenkind noch ein Augenblicklein in meine Kammer schauen möcht.

Und da sie eingetreten, überreicht ich ihr meine Angebinde und wünscht meinem Täufling einen guten Gsund, worauf die Mutter Nandl feuchte Augen bekam, viel Worte des Danks für mich hatte und dem nobel aufgeputzten Kindl unter zärtlichen Liebkosungen sagte, daß ich ein gar werter Gode sei, und er sollt mir ja einmal danken.

Was mich herzlich lachen machte: denn der Zwack begann bei der Red seiner Mutter plötzlich zu schreien und zu kreischen, als hätt man ihm, weiß was, übel getan.

Nun nahm die Nandl das Weichbrunnkrügl, segnete und weihte mich und den Täufling und wand sich ein rotes, geweihtes Wachs um die linke Hand und den rechten Fuß, auf daß weder ihr noch uns etwas Böses widerfahren könnt; denn es lagen Beispiele mehr denn genug vor, wo der Teufel, wenn so ein armes Würmlein getauft wurd, darüber, daß ihm wieder eine Seel auskam, also wütig ward, daß er mit der ganzen höllischen Bosheit und Gewalt derweil auf die Wochnerin losfuhr und sie nicht selten um Leib und Leben bracht.

Indem trat die Weidhoferin festlich angetan in die Stuben; denn sie ließ es sich nicht nehmen, das Bürschlein selber aus der Tauf zu heben. »Erstlich«, sagte sie, »bin ich dies Geschäft schon so gewohnt von den Kostkindern; und dann, so ein Bubl, wie der Mathiasle, könnt das Kind doch leicht unrecht angreifen oder gar fallen lassen!«

Verschmachte mir zwar schon recht, solch eine Geringschätzung meiner Person; doch ließ ichs gut sein und dachte, die Meßmerin laß sich nicht anschauen, die gäb gewiß reichlich, und die Nandl könnts wohl brauchen.

Was auch eine richtige Rechnung gewesen; da dann die Weidhoferin ein kleines Trüchlein auskramte und allerhand schöne Silbersachen für das Büblein, eine feine Vorstecknadel[335] für die Mutter und einen Lederbeutel voll blanker Silbergroschen auf den Tisch legte. Darnach nahm sie den Täufling, und gings also dahin. Da stieg ich wie der welsch Gockel vom Weidhof neben meiner Ziehmutter her und zur Gottsackertür hinein.

Der Meßmer, mein Ziehvater, stand im weißen Chorhemd vor der Sakristei und blies ins Rauchfaß, daß die Funken flogen; nun wir kamen, lief er geschwind hinein, und wir stellten uns vor die Kirchentür; denn mit dem ungetauften Heidenbübl einzutreten wär gegen Brauch und Sitten gewesen.

Nach einer kleinen Weil tat sich die Pforte auf und trat der Frühmeßpriester mit meinem Ziehvater als Diener heraus, machte das Zeichen des Kreuzes über uns und fragte dreimal: »Willst du getauft werden?«, worauf die Weidhoferin andächtig sagte: »Ja.«

Kam also allerlei Gefrag: ob er widersag dem bösen Feind und seinem Anhang, ob er glaub an Gott den Allmächtigen und Dreieinigen; und die Kostmutter sagte zu allem ja: daß er widersagt und daß er glaubt, worauf nach vieler Benediktion das Heidlein hineingetragen werden durft. Ging also die Ziehmutter mit dem Päcklein in die Kirch und an den Taufstein, und ich folgte mit einem brennenden Wachs, das mir der Meßmer in die Hand gegeben.

Da ward denn das schlafende Kindlein wuzelnackend ausgezogen und über das Taufbecken gehalten, mit Wasser begossen, mit Öl beschmiert und mit Salz gefüttert im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, daß es endlich laut zu schreien anfing und, eh man sich dessen versah, in die glänzende Kupferschale brinzelt'.

Und wurde also benannt: Mathias Paulus Anton; wurd mit Weihrauch beräuchert, mit Weichbrunn besprengt und darnach wieder in seine Gewändlein und Betten gesteckt und heimgetragen mit großer Freud.[336]

Als wir aber in den Hof traten, stand vor der Haustür ein mächtig aufgetürmter Leiterwagen, mit Bändern, Buschen und Kränzen geziert, mit Krügen und Bildern behangen und mit dem Hausrat der künftigen Lackenschusterin beladen. Da thronte in der Mitten das Himmelbett mit seinem wohlgefüllten Flaumkissen und Ziechen; davor prangte die Wiege und auf ihr der reichgeschnitzte Hausaltar. Hintenauf stand der weitgeöffnete Hausschrein, in dem allerhand Seidenröck und modische Gewänder, schwere Leinenballen und dazwischen mit Bändern durchflochtene Flachszöpfe, seidene Schultertücher, prächtige Gebetbücher und kunstvolle Wachsstöcke prangten. An den Schranktüren hingen Rosenkränze, Skapuliere und eine große Zahl heiliger Bildchen. Im obersten Fach aber standen alle die kleinen Schachteln, Trüchlein und Figuren, die ich der Jungfer einstmals geschnitzelt hatte. Alles war mit Bändern zierlich umwickelt und an Nägel geknüpft, damit beim Fahren nichts verloren ginge.

Da stand ich denn und riß die Augen auf und vergaß die Tauf samt dem Kind, starrte auf den Kuchelwagen und konnte weder denken noch entweichen. Eine bemalte Schüsselrahme wurde hinten an den Wagen gehängt, ein zierlich aufgeputztes Spinnrad zuoberst auf das Dach des Himmelbetts gebunden, ein Stuhl dazugestellt – und ich stand noch immer auf demselben Fleck und sah nichts anderes denn diesen Wagen.

Peitschenknallen weckte mich endlich; der Wagen wurde mit sechs Ochsen bespannt, die Nähterin von Sonnenreuth ließ sich zum Spinnrad hinaufheben, die Kuh der seligen Irscherin trabte, mit Kränzen und Buschen geschmückt und geführt vom Zimmermann des Orts, aus dem Stall. Zwölf Böllerschüsse krachten vom nahen Kreuzberg herab, und ein Häuflein Musikanten kamen mit ihren Fiedeln und Flöten in den Hof.[337]

Da sprang die Jungfer und Hochzeiterin lachend die Stiegen herab und hielt mit der einen Hand das prächtige Gewand gerafft, mit der andern aber die hohe Pelzhaube aus der Stirn. Ihre Wangen waren purpurn, und ihre Augen leuchteten vor großer Freud, da sie um den Wagen ging und alles besah und betrachtete.

Der Weidhofer aber lief geschwind vom Kirchhof herüber, spannte die Kutsche ein, steckte große Buschen daran und hob darnach die Jungfer hinein; packte mich alsdann mit schnellem Griff und setzte mich rittlings auf eins der Rösser, gab mir eine mit Buchsbaum und Bändern geschmückte Peitsche in die Hand und sagte: »Mach 'n Führer! Daß d' mir Achtung hast! Nit, daß was passiert!«

Reichte dann der Hochzeiterin einen Korb hinauf in den Wagen, darin ein Säcklein voll Kreuzer und Groschen, ein Bund Schlüssel zu den Schränken und Laden war samt dem stehenden Angebind für den Hochzeiter, nämlich einem gar feinen, milchweißen Bierkrug, mit Blümlein bemalt, nebst einem selbstgesponnenen Hemd und selbstgestrickten weißen Strümpfen für ihn.

Derweil begannen die Knecht mit ihren Geißeln zu knallen und die Musikanten zu geigen und zu blasen; dann gings dahin. Die Musik machte den Vortrab; juchzend und knallend folgten die Knechte mit dem Kuchelwagen, und dahinter ging der Zimmermann und führte die Kuh. Das End aber machten wir mit dem Brautwagen.

Der Meßmer hatte sich zu der Hochzeiterin gesetzt und schrie mir zu: »He, Bua, schnalz und juchz, daß alles scheppert! – Dreimal um den Hof fahrn und darnach dahin!«

Ach, der hatt ein leichtes Reden! Ich aber saß auf meinem Rößl wie ein angepappter Kripperlmann und sah hilflos bald hierhin, bald dorthin; doch fand sich keiner, der mit mir hätt tauschen mögen. Da gab ich mir endlich selber[338] einen Ansporn, schnalzte mit der Geißel, daß es nur so hallte, und schrie: »Huia, Heißerln! Ziehgts! Huiuh!«

Da liefen alle noch eilig an die Haustür; die Weidhoferin und die Schwaigernandl mit meinem Godenkindl am Arm, die Knecht und Mägd samt den Kostbuben – alle kamen noch herzu und wünschten viel Glück und einen guten Einstand, bis ich endlich am Zügel riß und anfuhr.

Sauste also dreimal um den Weidhof und knallte und plärrte dazu wie ein Schwed und fuhr darnach dahin durch Sonnenreuth. Doch kamen wir nicht weit; schon vor der Schmiede stand eine Schar Kinder, hielten eine Stange über den Weg und wünschten eine frohe Brautfahrt. Da holte die Hochzeiterin das Säcklein mit den Kreuzern aus dem Korb und warf eine Handvoll unter die Hord. Drauf ging die Fahrt weiter, bis abermals die Straße durch einen Haufen Kinder versperrt war.

Also mußte sich das Bräutl wieder loskaufen und das noch etlichemal, eh wir an den Hof des Lackenschusters kamen. Da krachten wieder die Böller und hallten zwölf Schüsse durch das Tal; und es kam uns der Hochzeiter, ein stämmiger Bauernbursch mit kohlschwarzen Haaren und dunklen Augen, auf einem schön geschmückten Roß juchzend entgegengeritten, begrüßte alle freundlich und reichte dem Bräutl die Hand. Drauf bot er ihr aus einem feingeschliffenen Glaskrug, der mit allerhand Bändern, Perlen und Münzen geziert war, zu trinken, indem er rief: »Hochzeiterin, grüaß di der Himmel und grüaß di Gott dahoam! – Geh, tu mir Bscheid, obst gern und willig hoam gehst zu mir!«

Da nahm die Braut und Jungfer den Krug, und ihre Augen glänzten, als sie ihm den Bescheid tat: »Grüaß di Gott aa! – Mit Verlaub – auf dein Gsund – auf unser Glück – auf mein Einstand in der neuen Hoamat!«

Drauf trank sie und gab ihm den Krug wieder zurück; er aber tat bloß noch einen herzhaften Trunk daraus und[339] sagte darnach: »Ghalt 'n nur! Zum Angedenken auf die Stund!«

Worauf ihm die Hochzeiterin dankte, den Schlüsselbund aus dem Korb holte und, aus der Kutsche springend, sagte: »Also siechst mi zu deinen Füaßen stehn als dein anvertrautes Weib. I kimm mit Freuden, – da hast d' Schlüssel, und« – sie nahm das Hemd und die Strümpf – »wannst mir halt die Liab tätst und nahmst es an aus meiner Hand! Reiß's z'samm in Glück und Gsund!«

Da saß der Hochzeiter ab, faßte sein Bräutl an der Hand und führte sie in sein Haus. Der Weidhofer aber stieg aus dem Wagen, nahm das Roß des Hochzeiters beim Zaum und übergab es einem Knecht desselben; darnach hob er mich aus meinem Sattel und sagte: »Kannst auch mit ins Haus gehn und helfen einräumen, wannst magst!«

Aber ich mochte nicht. Hatt nichts verloren in dem Haus. Ging mich ja nichts an. Sollten nur die andern werken, saufen und Faxen treiben, wie es der Brauch! Sagte also: »Ja, ja. Werd schon sehn, wie sichs schickt«, ließ den Weidhofer ins Haus gehen und macht mich davon, auf den Heimweg. So von ungefähr begegnete mir der Pfarrer; der fragte, ob ich vom Lackenschuster käm.

»Nein«, sagte ich; »bin vom Weidhof«, zog mein Hütl und lief davon; wußte wohl, daß er kam, um die neue Einricht, das Haus, das Vieh und alles im Lackenschusterhof einzusegnen und zu weihen.

Das aber war seine Sach und ging mich nichts an.

Sprachlos und grimmig sah mir der alte Herr nach und stand, als ich mich nach einer Weil umwandte, noch immer am selbigen Fleck und schüttelte mir die Faust.

Ich kehrte mich aber nicht viel daran. Bin auch mein Lebtag kein bsunderer Freund der Pfaffenröck gewesen, ausgenommen des einen, den ich aber erst nachmals in der Münchnerstadt kennen lernte.[340]

Also trabte ich dahin und kam wieder zu meinem Godenkind. Das lag wohl schlafend im Wagen, und die Mutter Nandl fuhr es leise die Stube auf und ab und sprach mit der Weidhoferin über ihre Hochzeit und den Pauli.

»Ei was!« sagte die Nandl voller Freud, da sie mich sah; »der Herr Göd ist schon wieder zruck!«

Auch die Ziehmutter belobte mich, und beide dachten nicht anders, als daß dies rein aus Eifer und Lieb für das Wuzerlein geschehen wär, daran ich doch längst nimmer gedacht, vielmehr mein ganzes Herz bei der Kathrein gehabt hatt!

Doch schwieg ich still, ließ mir eine Schale Kaffee geben und aß dazu etliche Taufküchlein. Da gings denn an ein Gefrag und an ein Getue wegen des Einstands der Jungfer; ich sollt sagen, wie sie angekommen, wie er sie empfangen, ob der Pfarrer schon gesegnet hätt, ob's recht zuging jetzt, – kurzum eine wollt das Knetene wissen, die ander das Bachene. Sagt ihnen aber gar nichts von der ganzen Sach, als daß ich sie wohl hingebracht hätt, und dann sei ich gegangen; den Pfarrer hätt ich am Weg getroffen, wie er zum Segnen ging.

Dazu aß ich meinen Kaffee aus, wischte drauf meinen Löffel ans Tischtuch und wollt gehen; doch sagte die Meßmerin, ich sollt nur sitzen bleiben; an so einem heiligen Tag verlangt' kein Mensch, daß ich noch arbeit'.

Dann ging's Schwatzrädlein wieder munter um, und ich vernahm, daß der Pfarrer, eh er nach dem Lackenhof gegangen, dagewesen sei und der Nandl eine gar frohe Botschaft gebracht hätt; nämlich, daß er sie morgen schon zum drittenmal verkünden wollt, und wenn die Meßmerin nichts dagegen hätt, könnt man ja gleich zwiefache Hochzeit halten.

Also sollt am Irchtag in der kommenden Woch auch die Nandl mit ihrem Hochzeiter vereint werden, und die Weidhoferin[341] versprach, daß sie ihr gleich morgen einen sauberen Kuchelwagen aufrichten wollt; der Wagen und die Ochsen seien ja schon gericht, und die Einricht und den Kastenprunk wollt sie der Nandl gern leihen zum Einstand, auf daß die Leut nit gleich neinschmecken kunnten in ihren Haushalt.

Weiß nicht, ob es noch so ist; damals aber war der Brauch, daß arme Hochzeiterinnen ihre reiche Freundschaft um leihweise Überlassung der Hausschätze angehen mußten, damit ja dem Kammer- oder Kuchelwagen, wenn er so öffentlich durch alle Gassen gefahren wurde, nichts mangelte an Prunk und Pracht. Da waren die Betten hoch und voller Flaum, und die Kästen gefüllt mit Leinwand, Flachs und reicher Wäsche; hätt einer aber etlich Wochen nach der Hochzeit nachgewogen, da wär wohl manche Lade gar leicht und gering befunden worden, und hätt es ihn leichtlich kaum mehr gelüst', in dem Himmelbett zu schlafen, das erst so mollig war und weich, nun aber so dünn und mager wie eine Haut.

War also die Mutter Nandl voller Freuden und schickte mich sogleich zum Pauli, daß ers halt wüßt und 's Häusl grecht macht' für den Einstand.

Dem wars nicht sonder zuwider; gab mir einen Groschen Botengeld und die Antwort, daß er mit Freud auf sie wart und alles richt.

Also mußte der Wagen sogleich, kaum die Knecht mit ihm zurückgekommen waren, wieder aufgerichtet werden; und die Weidhoferin räumte willig ihre Kinikammer aus und ließ Stück für Stück von den zierlich geschnitzten und fein bemalten Möbeln hinabtragen, stopfte selber den Kasten voll mit Linnen und Flachs, mit Wäsche und Wachs, mit seidenen und wollenen Tüchern und zierlichen Tassen und Gläsern.

»Kannst es ja nach und nach wieder zruckschaffen bei[342] der Nacht!« meinte sie gutherzig; »zu mir kimmt doch kein sterblicher Mensch in d' Herberg!«

Der Kuchelwagen war eben vollendet und wieder aufgerichtet und sollt nun derweilen über Nacht in die Tenne geschoben werden, als der Weidhofer die Jungfer und Braut wieder zurückbrachte mit der Kutsche.

Haha! Machten große Augen alle beid! Glaubten wohl, daß sie ein Blendwerk narrte! Aber die Ziehmutter stand schon eifrig schwatzend da und berichtete, daß nun auch die Nandl am Irchtag ihre Hochzeit mach, und morgen sollt der Einstand sein.

Worauf die Nandl kerzukam und sagte, daß sie noch am Montag zum Beichten ging und auch zum Vorsegnen, zumal sie schon aus den Kindlwochen sei.

Herrschte also überall große Lust und Fröhlichkeit und gedachte niemand des Spruchs:


Große Freud glangt nit weit.


Quelle:
Lena Christ: Werke. München 1972, S. 331-343.
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