Allein!

[54] Einsam stand ich auf den Bergen,

Wo der Falke kreischend flog,

Über schneebedecktem Gipfel

Seine stillen Kreise zog.


Einsam lag ich auf der Haide

Wenn die Sonne untersank,

Und der dürre glüh'nde Boden

Gierig feuchte Nebel trank.


Einsam saß ich oft am Meere,

Dessen alter Klaggesang

Bald wild-zornig, bald süß-traurig,

Bald wie dumpfes Schluchzen klang.


Einsam irrt ich durch die Wälder,

Nur die Eul' am Felsenriff

War mein krächzender Gefährte

Und der Wind, der wimmernd pfiff.
[55]

Einsam litt ich – aber tröstend

War die hehre Einsamkeit –

Nicht allein trug ich mein Elend,

Die Natur verstand mein Leid!


Doch allein – so ganz alleine –

Abgrundtief von Euch entfernt,

Fand ich mich in Euren Sälen –

Als ich Euch versteh'n gelernt!

Quelle:
Ada Christen: Aus der Asche. Hamburg 1870, S. 54-56.
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