[145] Wie wag' ich's nur, mein junger Tag,
Ins helle Antlitz dir zu schauen?
Der ich der Nacht zu Füßen lag
In sündesüßem Wollustgrauen!
Die Nacht war meine Königin,
Sie weckte tiefste Herzenstöne –
Sie strömte Visionen hin,
Und Träume waren unsre Söhne!
O Träume, die mit milder Hand
Mir alle Erdenschwere scheuchten!
Die mich mit ihrem stillen Brand
Entrückten zu der Sterne Leuchten!
O Träume, die mich hold benetzt
Mit Wunderfingern, gabenschweren –
Das Ewige mir nah gesetzt
Und stolz verweigert das Entbehren!
[145]
Wie ruht es sich so köstlich weich
In ihres Schoßes Zauberkrümmung!
Wie unermeßlich war mein Reich –
Wie schöpferisch des Herzens Stimmung!
Nun blickst du mir, mein junger Tag,
Ins Angesicht, das bleichverwachte,
Und fragst, was ich zu deinem Preis
Aus nächt'gen Tiefen aufwärtsbrachte?
Ich kenne dich! Und doch bist du
So fremd mir noch und schoßverschlossen!
Noch schwült in meiner Seele nach
Der Duftschwall, so der Nacht entsprossen.
Und doch! Hier hast du meinen Arm –
Ob meiner Sehnsucht Eulenflügel
Auch nachtwärts flattern – – nimm mich hin –
Erwirb mich mit dem Sonnensiegel! ...