[38] Don Diego. Don Rodrigo.
DON DIEGO.
Rodrigo! Schickt der Himmel dich mir endlich!
DON RODRIGO.
Weh mir!
DON DIEGO.
Misch nicht in meine Freude Seufzer!
Laß mich, dich hoch zu rühmen, Atem schöpfen!
Dich zu verleugnen, hat mein Mut nicht Grund.
Du ahmst ihm nach, und deine edle Kühnheit
läßt meines Hauses Helden neu erstehn.
Du stammst von ihnen – bist mein Sproß. Es war
dein erster Schwertstreich, meiner Taten würdig.
Der schöne Eifer deines Jugendmutes
erreicht durch diese Probe meinen Ruhm![38]
Stab meines Alters! Du, mein höchstes Gut,
rühr dieses weiße Haar an, dem die Ehre
du wiedergibst! Küß diese Wange, wo
der Schimpf sie traf, den dein Mut abgewaschen!
DON RODRIGO.
Euch ziemt der Ruhm; als Euer Sproß und Zögling
konnt' wen'ger ich nicht tun. Zu glücklich bin ich,
und es entzückt mich, daß mein Probestück
dem wohlgefällt, dem ich das Leben danke.
Doch seid in Eurem Glück nicht neidisch, wenn
nach Euch, mir selbst ich zu genügen wage!
Gestattet meinem Jammer freien Ausbruch!
Zu lange schmeicheltet Ihr durch Worte ihm.
Nicht Reue fühl' ich, daß ich Euch gedient;
doch gebt das Gut mir wieder, das die Tat
mir nahm! Mein Arm, der sich, um Euch zu rächen,
bewaffnet, raubte mir durch seinen Sieg
mein Liebstes! Schweigt! Für Euch verlor ich alles,
und zahlt', was ich Euch schulde, wohl zurück!
DON DIEGO.
Nein, höher noch schätz deines Sieges Frucht.
Ich gab dir nur das Leben, du gibst mir
die Ehre wieder, und, weil mehr der Ruhm
mir wie das Leben gilt, schuld' ich dir mehr auch.
Doch großsinnig verbanne diese Schwäche:
Nur eine Ehre gibt's – doch viel Geliebten.
Vergnügen nur ist Liebe – Ehre Pflicht!
DON RODRIGO.
Was sagt Ihr da!
DON DIEGO.
Was du erfahren mußt.
DON RODRIGO.
Schon rächt an mir sich die gekränkte Ehre,
und Ihr wagt, mich zum Wankelmut zu drängen!
Gleich schändlich und der Schmach geweiht, wie Feigheit
des Kriegers, ist des Liebenden Verrat!
Beleidigt meine Treue nicht, und laßt
mich ohne Meineid tapfer sein! Dies Band
ist allzu fest, um so es zu zerreißen.
Hoff' ich auch nichts mehr – hält mich doch mein Wort,[39]
und, da ich nun Chimene nicht verlassen
noch sie besitzen kann – wünsch' ich den Tod!
DON DIEGO.
Noch ist's nicht an der Zeit, den Tod zu suchen.
Dein Fürst, dein Land bedürfen deines Arms.
Die Flotte, die den Fluß bedrohte, naht,
die Stadt zu überfall'n, das Land zu plündern.
In einer Stunde bringen Flut und Nacht
die Mauren ganz geräuschlos her. Der Hof
ist voll Bestürzung und das Volk voll Schrecken.
In diesem allgemeinen Unheil führte
das Glück fünfhundert Freunde in mein Haus,
die meinen Schimpf erfahren, und, beseelt
von gleichem Eifer, mich zu rächen streben.
Du kamst ihnen zuvor. Der Tapfern Hand
mög' nun in Afrikanerblut sich baden!
Zieh an der Spitze dieser edlen Schar,
die dich zum Führer wählt, wohin die Ehre
dich ruft; wehr unsre alten Feinde ab,
und stirbt solch schönen Todes, willst du sterben!
Nütz die Gelegenheit, die sich dir bietet:
Dein König danke deinem Fall sein Heil!
Doch lieber noch, kehr heim im Siegerkranze.
Dein Ruhm beschränk' sich nicht, den Schimpf zu rächen;
tu mehr: Erzwing durch deine Heldentaten
von der Gerechtigkeit Verzeihung, von
Chimene Schweigen. Liebst du sie, so ziehe
als Sieger ein – das gibt ihr Herz dir wieder.
Allein, zu kostbar ist die Zeit für Worte!
Ich halt dich auf durch Reden und will Eil'!
Komm! Auf zum Kampf! Zeig deinem König, daß
du den Verlust des Grafen ihm ersetzest!
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Der Cid
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