Erstes Kapitel

Von der Geschichte dieses Buches

[5] Dieses Werk ist unstreitig eines der kostbarsten Denkmäler des Altertums. Die Chinesen halten es so hoch, daß sie es nicht unwert finden, es dem großen Konfuzius zuzuschreiben. Die weisen Lebensregeln, die gute Moral, die herrliche Erfindungskraft, die sonderbaren Ereignisse und die Ordnung, die man überall darin antrifft, alles hat sie notwendig dahin bringen müssen, jenen großen Philosophen für den Verfasser zu halten oder wenigstens zu wünschen, daß es von ihm sein möchte. Gleichwohl ist dies Buch von Kiloho-ee, der eine glänzende Rolle in China spielte und mehr als zehn Jahrhunderte vor dem Konfuzius lebte. Er war erster Gesetzmandarin, mit den ersten Würden des Reichs bekleidet und bei seinen Landsleuten durch eine große Anzahl historischer, politischer und moralischer Schriften hinlänglich bekannt.

Ein gelehrter Chinese,1 der vor vierhundert Jahren die Literaturgeschichte seines Vaterlandes mit bewundernswürdiger Genauigkeit beschrieb, hat mit unwiderleglichen Gründen bewiesen, daß Kiloho-ee einzig und allein Verfasser dieses Buches ist. Was letzterer der Welt mitgeteilt hat, ist nur ein Bruchstück einer weitläufigen Geschichte und sozusagen nur der Versuch der Geschichte eines ganzen Volkes. Die Gründe, die ihn zwangen, sein Projekt aufzugeben, sind uns nicht bekannt geworden.

So viele Ehre Kiloho-ee auch von dem Anfang des Werks erwartet haben mag, der nur die Privatgeschichte eines Prinzen enthält, hat er sich doch nicht enthalten können, freimütig[5] zu gestehn, daß er es aus dem Altjapanischen nach einem uralten Manuskript übersetzt habe. Der japanische Verfasser hatte es selbst aus der Sprache der Scheschianer übersetzt, eines Volks, das zu der Zeit schon nicht mehr lebte.

Der Japaner versichert an irgendeiner Stelle, daß seine Nation es sich zur Ehre anrechnete, von den Scheschianern abzustammen; er aber scheint dieser Meinung nicht zu sein, weil selbst zu seinen Lebzeiten kein Beweis mehr von dieser Abstammung aufzufinden war und er als ein einsichtsvoller Autor dafürhält, daß eine Sache von solchem Belange nicht genugsam bestätigt werden kann. Er lieferte hierüber eine Abhandlung, die Kiloho-ee nicht übersetzt hat, weil sie keine wichtigen Aufschlüsse gab. Heutzutage würde es noch weit schwerer sein, darüber etwas Bestimmtes zu erfahren. Man wird deshalb mit Bewilligung des Lesers zu Dingen übergehen, die sich leichter erörtern lassen.

Fußnoten

1 Cham-hi-hon-chu-ka-hul-chi hist. litt. fin. Peck. 1306 p.m. 155. vol. I.


Quelle:
Claude Prosper Jolyot Crébillon: Der Schaumlöffel. Leipzig 1980, S. 6.
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