Fünfter Auftritt

[84] Climene, Lisette.


CLIMENE wirft sich in einen Lehnstuhl. Endlich sind sie fort; endlich kann ich wieder zu mir selbst kommen! Ach, ich wollte, daß ich nimmermehr zu mir selbst kommen könnte! Mein Schmerz ist zu groß; ich kann nicht weinen! Mein Herz ist zu beklommen! Damon, der treulose Damon, liebet mich nicht! – Und warum sagtest du mir denn so viel von seiner Liebe? – Falscher, was hast du gethan! – Was habe ich gethan! Unglückliche Climene!

LISETTE. Um des Himmels willen, beruhigen Sie sich! Sie hatten sich ja vor einigen Stunden darein ergeben, Timanten zu heurathen. Wenn Sie jetzo betrübt darüber sind; warum haben Sie denn Ihr Jawort gegeben?

CLIMENE. Quäle mich nicht mit Vorwürfen! Ich bereue es genug: aber was sollte, was konnte ich thun? Mein Vater wollte es, und Damon (kaum kann ich es glauben) Damon selbst wollte es ja. Ich glaubte, mich an dem Falschen dadurch zu rächen; ich wollte ihn betrüben, und ich habe mich unglücklich gemacht. Bedaure mich, meine Lisette, bedaure mich! Mein Herz ist nicht fähig, alles dieses auszustehen. So viele Veränderungen in einem Tage, so viele Freuden, so viele Schmerzen, so viele Zärtlichkeit, und diese unvermutheten Zufälle haben mich aller Kraft beraubet. Timant wird nicht lange mein Gemahl seyn! Wenn dann Damon einmal erfährt, wozu er mich gebracht hat, so wird er es bereuen. Er wird mich bedauern; er wird mich vielleicht bedauern.[84]

LISETTE. Ich kann meine Thränen nicht zurück halten; Sie rühren mich auf das äußerste. Aber ich weiß nicht, was ich von Damon denken soll! Er liebet Sie; das ist einmal gewiß. Man konnte ja die Verzweiflung aus allen seinen Blicken sehen. Vielleicht ist eine zu weit getriebene Freundschaft die Ursache von allem.

CLIMENE. Damon kömmt herein und höret ihr zu. Wenn Damon Timanten mehr liebet, als mich; wenn Damon mich unglücklich machen will, um ihn glücklich zu machen: so hat er mich nie recht geliebt, und ich – kann ich noch an meine Schwachheit denken? Und ich – ich gestand ihm meine Liebe offenherzig. Ich liebte ihn mehr, als mich selbst. Ich wünschte, ihn noch zu sehen, um ihm seine Grausamkeit zu verweisen. Ich wünschte, ihn zu sehen, um den letzten Abschied von ihm zu nehmen.


Quelle:
Johann Friedrich von Cronegk: Der Misstrauische. Berlin 1969, S. 84-85.
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