50.

Rechne alle Abend mit dir ab

An den Leser

[406] Weg mit der Satyra und aller Tichterey,

Hier geht der Laster Sturm und Castalis vorbey:

Es ist nicht noth durchsehn der andern Leute Leben,

Weil viel Gefahr und Schuld aus unserm ist zu heben.


Ein ieder, wenn er sich zu Bette hat gelegt,

Den Wachsstock ausgelöscht, sich nichts im Hause regt:

Erforsche nur von Sich, was er den Tag begangen,

Er wird Bericht genung, mehr als ihm lieb, empfangen.


Wann sein Gewißen Ihm die Seinen stellet hin,

Darff Andrer Fehler er nicht durch die Hechel ziehn:

Nun die Gewalt sol auch bey mir inkünfftig gelten,

Ich wil von Nacht auff Nacht mein Hertz und Leben schelten:


Wil sagen: Diesesmahl, geb ich dir noch Gehör,

Verzeih' ich dir die Schuld: thu es hinfort nicht mehr:

Folgst du mein Leser mir, so wirst du frey von Nöthen,

Darffst keiner Satyra, das lerne vom Poeten.[406]

Quelle:
Daniel Czepko von Reigersfeld: Weltliche Dichtungen, Breslau 1932, S. 406-407.
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