An Goethe

[13] Auf Höhen Unerreichbarer, o Goethe,

Gewahrte einst dein Blick den Taurer-Strand,

Und Iphigenia im Trauerland

Verklärte sich der Heimat Abendröte.


Den Lorbeerhain entzückte Klang der Flöte;

Gegeistert von des Geigers ferner Hand,

Verrauchte Ilion, nach zerhauchtem Brand,

Als ob sein Fächeln Hellas Ruhe böte.


Auch Helena stand auf vor deiner Größe,

Du hast mit Würdigem das Weib betraut,

Doch schon Verleiblichung wird Göttern Blöße;


So ist zu Hades Helena entblaut;

Wer kennt der Minne-Dienenden Verstöße?

Der Bräute Scham hast, Goethe, du geschaut.
[13]

Quelle:
Theodor Däubler: Attische Sonette, Leipzig 1924, S. 13-14.
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