Schuldigste Seufftzer und Wünsche, als Se. ChurFürstl. Durchl. auß Dero Hertzogthum Preussen in Dero andere Erbländer sich begeben

[209] den 15. May 1646.


Ihr Seufftzer hier im Lande,

Ihr Trähnen in gemein,

So viel auß jedem Stande

Nur auffzubringen seyn,

Sucht jetzt vor Gott zu schweben,

Bringt aller Hertz vor Ihn,

Der ChurFürst, unser Leben,

Wil numehr von uns ziehn.


Sein Vorsatz muß nur walten,

Ja keine Bitt hat Macht

Ihn länger an-zu-halten,

Er giebt uns gute Nacht,

Verlässt den edlen Pregel

Und diesen fruchtbarn Ort,

Sein Volck geht theils zu Segel

Und theils zu Lande fort.


Ich seh' auch unsre Frewde

Und Zuflucht mit Ihm gehn,

Wir werden stets in Leide

Und tieffem Trawren stehn.

Kein Heerpauck wird nun kingen,

Der zwölff Trompeten Schall

Wird nicht, wie vormals, dringen

Durch Städte, Berg' und Thal.


Des Schlosses Pracht, die Dächer

Empfinden jetzund Pein,

Die Fürstlichen Gemächer

Nimmt Staub und Grawen ein,

Der Mey ist selbs, von wegen

Des Auffbruchs, Kält und Wust,

Und wil durchauß nicht hegen

Gewünschte Vorjahrslust.
[209]

O fasst recht zu Gemüte,

Wer jetzund von uns eilt,

Durch welchen alle Güte

Von Gott uns wird ertheilt.

Wer ist für Elend, Trawren,

Angst, Schrecken und Beschwer

Uns hohe Wäll' und Mawren?

Der Höchste nur und Er.


Gleich wie uns hie bestämmet

Der Nehrung wilde Höh,

Sonst würden wir verschwemmet

Von strenger Fluth der See,

So ist auch unsern Sachen

Er einig Schutz und Rhue,

Sonst schlügen alle Wachen

Des Jammers auff uns zu.


Wer Andacht hat zu behten,

Reich, Arm, sampt Jung und Alt

Komm' jetzt vor Gott getreten,

Und öffn' Ihm mannigfalt

Die heimlich' HertzensPforten,

Der kleinen Kinder Schaar

Soll mit zerbrochnen Worten

Ihm klagen die Gefahr.


Man hört die Rede fliegen,

Da aber Gott vor sey,

Der Nort woll' uns bekriegen,

Wer steht uns Armen bey

In diesem schweren Stande?

Was Schutz wird uns gewehrt,

Wann unser Haupt im Lande

Sich auch nun von uns kehrt?


Bleib hie, O Liecht der Erden,

Schaw, in was Angst wir seyn,

Daß wir getröstet werden,

Laß Dich erbitten! nein.

Dein Erbe thut imgleichen

Zu ängstiglich nach Dir,

Und wil für Furcht erbleichen,

Dieß reisset Dich von hier.


Du magst, O Held, wol sagen,

Daß deiner Herrschafft Last

Kaum müglich Dir zu tragen,

Wenn kriegstu doch wol Rast?

Wenn kanstu dich ergetzen?

Das Glück muß jederzeit

An deine Länder setzen

Mit Zorn und Grausamheit.


Du bist in solchen Jahren,

Da lauter Lieb und Lust

Dir solten wiederfahren,

So ist Dir nichts bewust

Als Arbeit, Sorg und Wachen;

Ist dieß Dein hoher Standt?

Ist es mit ewren Sachen,

Ihr Fürsten, so bewandt?


Wer so Euch an wird schawen,

Nicht Ewrer Hoheit Zier,

Wie soltt' ihm doch nicht grawen

Ein Herr zu seyn, wie Ihr?

Wol, daß die Sorgen wohnen

Versteckt in grossen Schein,

Sonst würden Pracht und Krohnen

Oed' und verlassen seyn.


Gott wolle ja Dich stercken,

Daß Du, des Himmels Lust,

Magst seinen Beystandt mercken

In allem was Du thust,

Er setze Ziel und Grentzen

Des Glückes Tyranney,

Daß deines Lebens Lentzen

Es nicht zu mächtig sey.


Und weil Du denn must scheiden,

So müsse Dich kein Fall

Und keine Noht beleiden,

Fahr glücklich überall,

Gott nehme Dich in Segen,

Des Himmels Auffsicht thue,

Herr, über deinen Wegen

Und Dir kein Auge zu.
[210]

Es müssen Lieb' und Lachen,

Rhue, Gnüg' und Freundlicheit

Dich überall bewachen,

Die liebe Vorjahrs-Zeit,

So biß anher gewesen

Kält, Ungemach und Pein,

Sol Dir jetzt außerlesen

Warm, hell' und lieblich seyn.


Und schaw, das schöne Wetter

Nimmt deiner Reiß' auch war,

Der Wald gewinnet Blätter,

Die Bäche rinnen klar,

Dir hat zu Lust und Frommen

Der Monden Printz, der Mey,

Den Mantel umbgenommen

Von Farben mancherley.


Die Heerd' und Hirten springen,

Man hört umb Berg' und Thal

Die süssen Vögel singen,

Vorauß die Nachtigall

Sitzt auff begrünten Zweigen,

Hebt ihre Stimm' empor,

Und thut es allen Geigen

Und Lauten weit zuvor.


Dir wird mit schönen Flüssen

Des Nagots klare Flut

Sich legen zu den Füssen,

Der Weichsel Ubermuth

Wird Dir geneigt sich zähmen,

Dich, unser thewres Pfandt,

Sanfft in die Arme nehmen

Und setzen an das Landt.


Wie wird dich doch empfangen

Die Marck, dein Ankunfft-Hauß!

Berlihn sieht mit Verlangen

Zu allen Fenstern auß,

Das Feld wird Rosen schwitzen

Erfüllt mit Fruchtbarheit,

Cüstrihn und Spandaw blitzen,

Und alles seyn erfrewt.


Sind wir bey Gott in Gnaden

So wird es, Herr, geschehn,

Daß wir gefernt von Schaden

Dich frölich wiedersehn.

Fahr glücklich und in Frieden!

Sey von uns mit Gesicht

Und Leibe zwar geschieden,

Doch mit dem Hertzen nicht.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 2, Halle a.d.S. 1937, S. 209-211.
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