[175] Wo Thränen, Held, Dir zu Gemühte gehn,
So sieh' allhie betrübt mich vor Dir stehn,
Ja auff der Erden liegen:
Die Händ' heb ich empor zu GOTT und Dir,
Bezeuge Dich und deines Hauses Zier,
Daß ich nicht Trost mag kriegen.
[175]
Dein Abzug setzt mich in zu schweres Leidt,
Ich suche nur zu lieben Traurigkeit,
Und alle Lust zu meiden,
Nach Dir erseufftzt Jung, Alt und Arm und Reich,
Nicht Du allein, ich nebenst dir zugleich
Muß jetzund von mir scheiden.
Wo zeuchst Du hin? von dar ich Dich empfieng
Noch fast halb todt, und wo dein Leben hieng
An einem Seiden Faden.
Zwar, Herr, es ist dein Erb- und Vater-Land,
Das suchet recht jhm Fried und gutten Stand
Im Anblick deiner Gnaden.
Soll aber ich daneben immerdar
In Furchten stehn, Du möchtest in Gefahr
Und Todes-Nöthen schweben?
Hie kan ich Dich für meinen Augen sehn,
Nur Botschafft muß, was dort mit Dir geschehn
Mir zu verstehen geben.
O daß ich jetzt der Himmel köndte seyn!
Ich wolte stets mit tausent Äugelein
Von oben auff Dich schawen:
Ich würde Dich bewachen, O mein Liecht,
Zu Tag' und Nacht, und dörffte sorglich nicht
Nur falscher Zeitung trawen.
Was aber nützt mein sehnliches Geschrey?
Du eilest fort, und lässest mich dabey
Die Wiederkunfft nicht wissen,
Und kanst vielleicht, wie sehr ich bin betrübt,
In deine Marck und Brandenburg verliebt
Mich auß dem Hertzen schliessen.
Warumb ich Dich bey deiner Hoheit Pracht,
Die alles dieß, was Welt ist, schamrot macht,
Wil unterthänigst bitten,
Komm wieder, komm zu Deiner trewen Magd,
Die gute Nacht Dir jetzt mit Thränen sagt,
Die Furcht und Angst bestritten.
Der Höchste Gott und seiner Gnaden Schein
Woll überall indessen umb Dich seyn,
Dir Hülff und Schutz gewehren.
Dir lege sich des Wetters Sturm und Wust,
Dir müsse Frost und Schnee in beste Lust
Des VorJahrs sich verkehren.
[176]
Vertausch mit Ruh dort alle Krieges-Macht,
Nimm aber Dich daneben wol in acht.
Ich nehme, Held, für allen
Zu zeugen Dich, mein bestes Wolergehn,
Ich kan allein durch Deinen Stand nur stehn,
Durch Deinen Fall auch fallen.
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